PR von Renn-Stars II
PR von Renn-Stars: Unternehmen Stuck und sein Kommunikationskapital
Stucks kommunikatives Kapital
Hans Stuck, der bereits vor 1933 seine Fangemeinde hatte, gewann 1934 wichtige Rennen und stellte Geschwindigkeitsrekorde auf, wurde zu einem der ersten Helden des Dritten Reiches. Er bildete den Kern eines Kommunikationskreises, der beständig – gestützt auf Veranstaltungen und begleitet von den Massenmedien – eine Kette von Kommunikationen schuf. Stuck trat als Autor von Büchern und Artikeln auf, wirkte sogar in einem Spielfilm mit.1
Seine Bekannt- und Beliebtheit in der Bevölkerung nutzte Stucks ökonomischen Interessen, der kommerziellen Autowerbung sowie dem Naziregime mit seinem „Modernisierungsprogramm“ („Volksmotorisierung“) und dem Ansehen der NS-Führer, die sich gemeinsam mit ihm zeigten.
In dem Augenblick, wo die neue Gemeinschaft von Politik, Industrie und Publikum in ihm ihren Vertreter findet, erreicht seine Karriere eine neue Dimension. Das Publikum hingegen findet ein Scharnier zur politischen Realität über ein Vorbild, das immer auch persönlich ansprechbar ist.
(Bokel 1997, S. 98)
Sportliche versus kommunikative Erfolge
Der Einsatz von Stuck und seiner Frau in eigener Sache wurde sicherlich auch von der berechtigten Vorsorge getrieben, dass Siege und Rekorde – noch dazu bei einer gefährlichen Sportart – nicht ewig währen. Zwar brachte Stuck bereits vor 1933/34 einen „erheblichen Werbewert als Medienstar“ ein. Der wollte aber auch gehalten werden, zumal 1936 der „junge Bernd Rosemeyer die Führungsrolle“ im Auto-Union-Team übernahm, „weil Stucks sportliche Erfolge zunehmend ausbleiben“ (Day 2004, S. 98). Die Beziehungen zwischen Stuck und der Auto Union sowie zwischen Stuck und Rosemeyer waren ab 1935 getrübt und auch durch widersprüchliches Verhalten gekennzeichnet. Rosemeyer, der „zudem die Medien äußerst souverän zu behandeln wusste“ (Day 2004, S. 251), verunglückte allerdings bald, Anfang 1938, tödlich.2
Stuck seinerseits hatte zwischenzeitlich versucht, das nachlassende Autorennfahrerglück durch andere sportliche Erfolge mit Publicity-Effekt zu kompensieren. Ihm gelang es, „Rekorde zu Wasser“ aufzustellen, und er „war auf dem Starnberger See Europameister geworden“.
Rekord-Unternehmer und Show-Star
Doch Stuck wollte den ultimativen Straßenrekord3, zu erreichen mit einem extra zu bauenden Rekordfahrzeug, angetrieben durch Flugmotoren. Für dieses Projekt sprach er Ferdinand Porsche an und beteiligte sich selbst finanziell. Hieran zeigt sich, dass sich Stuck nicht nur oder weniger als Sportler verstand, sondern als Publicity- und Rekord-„Unternehmer“ bzw. Show-Business-Star. In der Tat war Stuck bereits in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gemeinsam mit dem Fliegerhelden Ernst Udet in einer Art Zirkus-Nummer als „Artist der Geschwindigkeit“ aufgetreten. Udet saß jetzt „überfordert in seiner Amtsstube in Görings Riesenministerium“, konnte aber seinem Freund Stuck die Motoren beschaffen.
Porsche konstruierte den „T-80“, ein 8,5 Meter langes „Bodenflugzeug“, und empfahl als Rekordstrecke einen Salzsee in den USA.4 Die national denkenden Verantwortlichen wollten lieber die Dessauer Rennpiste auf der heutigen Autobahn 9 – für die erwartete Tempo-Dimension von 650 bis 700 Kilometern pro Stunde aber zu kurz und ungeeignet. Das zu erproben, vereitelte aber der Kriegsbeginn 1939. (Osteroth 2004, S. 216-225)
Stucks Kommunikationswert rettete wohl seiner Frau das Leben
Bei den Versuchen der Auto Union, ihren Fahrer Stuck zu disziplinieren und schließlich „loszuwerden“, wurden auch „mangelnde Systemtreue“ und erneut die halbjüdische Abstammung seiner Frau ins Feld geführt. Stuck besaß allerdings „die besondere Protektion Hitlers und der SS“, was auch Auto-Union-Pressechef Voelter akzeptieren musste. Letztlich zeigt sich darin die „öffentliche(n) Marktmacht“ von Stuck, der zudem als „blonder Hans“ dem rassischen Ideal der NS-Diktatur entsprach. Außerdem wurden nach Rosemeyers Tod die Rennsport-„Heroen“ knapp. Die „enorme(n) Popularität“, der „sozialkulturelle(n) Wert eines Starimages“ waren Stucks wichtigstes Kapital, nicht die (zunehmend sogar ausbleibenden) sportlichen Erfolge. (Day 2004, S. 252-245. Vgl. auch Kirchberg 1984, S. 175ff.)
Das Unternehmen Stuck in der Kriegszeit
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs arbeitete Stuck „für die Truppenbetreuung und zwar weniger zur propagandistischen Hebung der Kampfmoral als zur Vermittlung von Front und Heimat. Hierbei entwickelte der Kontakt zu dem ‚Unternehmen Stuck‘, an dessen Vermittlungsarbeit die Fans beteiligt waren, ein neues Leben.“ (Bokel 1997, S. 102) In fast unzähligen, meist sehr dialogischen, spielerischen und unterhaltsamen Veranstaltungen – auch mit Kindern und Schülern sowie sonstigen Begeisterten – entwickelte sich temporär eine kommunikative Parallelwelt. Trotz propagandistischer Funktion der Veranstaltungen, trotz aller Planung und Kontrolle kam es oft „zum spontane(n) Sichbilden von Gemeinschaften und Teilöffentlichkeiten, in denen es Raum für individuelle Stimmen oder unerwartete Variationen gab“ (Bokel 1997, S. 105). Auch die über die Veranstaltungen Bericht erstattende Presse nutzte die Gelegenheit, den Lesern vergleichsweise unpolitisch und gefällig-unterhaltend gegenüberzutreten.
Das Unternehmen Stuck übersteht auch das Kriegsende
Stuck und Reznicek gelang es nach Kriegsende, ihr auf Imagetransfer angelegtes „Unternehmen“ auch mit der französischen Besatzungsarmee und -presse fortzusetzen.
Man brachte sich gegenseitig ins Rampenlicht, hier Stuck als Galionsfigur der deutschen Tugenden, dort die französische Armee als Befreier. Was 1933 funktioniert hatte, konnte 1945 auch noch funktionieren. An Stucks Aufrichtigkeit muss dabei nicht gezweifelt werden. Er wusste sehr wohl, dass er für verschiedene Leute Verschiedenes bedeutete. Dass er noch 1944 durch Reden die Bevölkerung unterhielt, die an ein Regime gebunden war, das er zugleich sabotieren half, spricht weniger für eine Zwiespältigkeit als einmal mehr für die Bedeutung von Teilöffentlichkeiten auch im Dritten Reich.
(Bokel 1997, S. 108f.)
Anmerkungen
3 Möglicherweise wurmte ihn Caracciolas Rekord (für Daimler-Benz) von 432,7 km/h und der Tod von Mannschaftskamerad Rosemeyer (für Auto Union) – der mit 406,3 km/h vorher Rekordinhaber war – beim Versuch, den Rekord zu reißen. (Vgl. Osteroth 2004, S. 220f.)
4 1938 erreichte dort der Amerikaner G.E.T. Eyston 575 km/h. Der Engländer J. Cobb erzielte 1939 595 km/h. (Vgl. Osteroth 2004, S. 220)