Bürokratische Einschränkungen und politische Instrumentalisierungen unternehmerischer PR
Einschränkungen der PR von Unternehmen und Organisationen 1938
Propagandaministerium zog Zügel an
Ab 1938 versuchte das Propagandaministerium, die eigenbestimmte Pressearbeit der Unternehmen sowie Organisationen einzuschränken und die Informationsbeziehungen zwischen Konzernen, Verbänden und Medien stärker zu kontrollieren und staatlich zu bürokratisieren. Vordergründig kann dies als regulierende Reaktion des politisch-administrativen Apparates auf das wachsende Ausmaß unternehmerischer PR und den zunehmenden Kommunikations-Wettbewerb bzw. über Hand nehmenden „Kleinkrieg“ zwischen den Unternehmen interpretiert werden.
Im Kern stellt dies aber einen folgerichtigen Schritt einer Diktatur zur besseren Absicherung ihres Informations- und Meinungsmonopols dar, und dies gerade auch im Hinblick auf die Kriegsvorbereitungen mit ihren spezifischen Kommunikationsbedingungen.
Das Ministerium ließ über den Reichsverband der Automobilindustrie mitteilen, ‚dass es nicht gestattet sei, Text- und Bildmaterial seitens der Firmen der Presse anlässlich von Rennveranstaltungen zu übermitteln.‘
(Auto Union AG, Aktennotiz von Feuereißen nach Gespräch mit Hühnlein 11.2.1938, Internes Material Nr. 7711/3, zit. nach Day 2004, S. 112)
Dies gefiel dem Unternehmen überhaupt nicht:
‚Es ist aber ein unmöglicher Zustand, dass es der Industrie verboten sein soll, der Presse sachliche Unterlagen über kraftfahrsportliche Veranstaltungen zu übermitteln, während sie auf der andern Seite mit Millionenbeträgen sich am Kraftfahrsport beteiligt.‘
(Auto Union AG, Vermerk zur Sportsitzung am 25.2.1939, Internes Material Nr. 697/146-147, zit. nach Day 2004, S. 112)
Tatsächliche Folgen und Umsetzung stellen Forschungsdesiderat dar
Wie erfolgreich oder -los diese durchaus selbstbewusst vorgetragene Kritik war, kann hier nicht beantwortet werden. Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass es auch andere Belege für ein solches Verbot gibt und dieses nicht branchenspezifisch war (vgl. unseren Beitrag zur Epoche der NS-Diktatur).1
Aufgrund der sonstigen in dieser Abhandlung präsentierten Befunde erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass die PR kommerzieller Unternehmen – und gerade der mächtigen und politisch einflussreichen Autokonzerne – durch das oben zitierte Verbot von 1938 wesentlich eingeschränkt wurde. Allenfalls werden sich Formen verändert bzw. der bei bürokratischen Regelungen immer vermutbare Widerspruch zwischen Vorgaben und ihrer Umsetzung dürfte sich vergrößert haben.
Direkte politische und nationalistische Instrumentalisierungen des Automobilsports
Übergänge zwischen PR und Propaganda im Rennsport
Die Übergänge zwischen unternehmerischer bzw. rennsportlicher PR und staatlicher Propaganda konnten fließend sein:
Vor 1933 hatte der Rennsport (…)
(…) nur die Markenimages der Privatwirtschaft zu erhöhen, die ihrerseits im Rahmen ‚deutscher Qualitätsarbeit‘ die Kunden national bewusst ansprachen. Unter dem Hakenkreuz sollte er nun auch das nationale Image des NS-Staates aufwerten, der als aktiver Sportförderer Geld zuschoss und im Sinne seines braunen Fordismus die ‚Volksmotorisierung‘ als Schlüsselindustrie förderte und nun seine Rolle öffentlich gewürdigt sehen wollte.
(Day 2004, S. 139)
Beispiel Autotourensport
Aber nicht nur im Autorennsport wurden (deutsche) Siege sportideologisch und national-politisch ausgeschlachtet. Auch der Autotourensport wurde dafür genutzt: Automobil- und Medienbranche organisierten bereits 1933 mit so genannten Deutschland-Fahrten „Kolonnen von Privatfahrern“, „national kodierte Blechlawine(n)“ als „monströse politische PR-Aktion(en)“ und gesamtnationale Medienspektakel. Damit wollten beide Branchen „ihre Verbundenheit mit dem Regime und seinen Zielen“ dokumentieren und sich „als Helfer der ‚Volkwerdung‘“ präsentieren. (Day 2004, S. 121f.)
Politisch noch symbolhaltiger geriet die „Ostland-Treue-Fahrt“ von fast 1.600 Teilnehmern, die sich „wie eine motorisierte Armee“ auch durch den seit dem Versailler Vertrag zu Polen gehörenden „Korridor“ bewegte: „Tannenberg – Königsberg – Danzig!“ hießen die historisch und national aufgeladenen Reiseziele. (Day 2004, S. 122f.)
Mix unterscheidbarer Kommunikationsmodi
Durchaus eigenständige Kommunikations-Arenen, aber Propaganda als Zusatz und Klammer
Zwar können also durchaus bestimmte kommunikative Akte und Kampagnen mehr oder weniger eindeutig als politische Propaganda klassifiziert werden, die gesamte Kommunikation in und über Automobilsport und Motorisierung aber nicht. Kommerzielle Werbung und institutionelle Öffentlichkeitsarbeit – wie auch Alltagskommunikation und Unterhaltung – traten durchaus als erkennbare kommunikative Modi auf, gingen aber mit der Propaganda einen Mix ein:
Der Nationalsozialismus schlich sich in die Chiffren der Alltagskultur hinein, worin wohl auch die Funktionalität von Rennsportveranstaltungen begründet ist. Ihr Charakter als Massenamüsement in institutionalisierten Erlebnisräumen hatte sich nicht verändert. Die Arenen sollten unterhalten und Werbung betreiben: für die deutsche Industrie wie auch für den Nationalsozialismus und die Nation. Die Werbebanner für Shell-Benzin, Bosch-Zündkerzen, Continental-Reifen oder Coca-Cola ergaben zusammen mit den Nazi-Insignien und symbolischen Handlungen eine Zeichensynthese. Das NS-Gepränge sollte aber nicht die kulturellen Codes überformen. sondern sich als Attraktion einfügen, wenn NSKK-Staffeln über die Strecke paradierten und Hitler-Jungen oder Marschkapellen ein militärisches Ornament bildeten. Zugleich ergaben die NS-Formationen eine semantische Klammer, wenn sie zu Beginn und Ende des Rennens die Veranstaltung durch symbolische Akklamationen mit nationalen Bedeutungen aufluden. Dies war kein Bruch mit den Ritualen in der Weimarer Republik.
(Day 2004, S. 134. Vgl. auch S. 137)
Dysfunktionen und Funktionen des Mixes von PR und Propaganda für Unternehmen
Die Mischung von PR und Werbung mit politischer bzw. staatlicher Propaganda war für die Wirtschaft ambivalent: Einerseits klagten die Unternehmen über Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Autonomie und kommunikativen Freiheit, über bürokratische Gängelung oder Beschneidung bestimmter medialer Praktiken.
Andererseits konnte die nationale und staatspolitische Aufladung von Autoindustrie und Sport die Autorität und Wirkung einzelunternehmerischer Kommunikation erhöhen sowie – in einer pluralistischen Demokratie unabdingbare – Legitimationsanstrengungen erübrigen. Zwar riss auch in der NS-Zeit die kritische Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Automobilrenngeschehens nie völlig ab, dennoch ersparte die offensichtliche staatliche Präsenz und Unterstützung – zumal unter den Bedingungen einer Diktatur – den Konzernen und Spitzensportlern manche unangenehme Frage.2