Vorgeschichte, Gründung und Überleben in der Revolution

Vorgeschichte

Abb.: Erhard Eduard Deutelmoser, Pressechef des Reichskanzlers; Prinz Max von Baden, Reichskanzler; Wilhelm von Radowitz, Chef der Reichskanzlei, (v.l.n.r.) auf dem Weg in den Reichstag im Oktober 1918. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R04159, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Vor dem Ersten Weltkrieg verfügte das Deutsche Reich weder über eine zentrale staatliche Behörde für Propaganda noch eine für politische Bildung. Dem Reichskanzler stand für seine Öffentlichkeitsarbeit nur ein kleines Büro zur Verfügung, die Kommunikation der Regierung und des Staates insgesamt war zersplittert.1 Beim Kriegseintritt war das Reich also nicht auf die notwendige Kommunikationsarbeit nach innen und außen vorbereitet. Es gab einige Versuche, während des Krieges auf die Missstände zu reagieren, die aber hier an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden sollen. (Vgl. dazu u. a. die Darstellungen im PR-Museum zum Literarischen Büro und zu den Kriegspressekonferenzen.)

Gründung noch im Kaiserreich

Im März des Jahres 1918 wurde die Zentralstelle für Heimataufklärung errichtet.2 Ihre Gründung stand im Zusammenhang mit den damaligen Zentralisierungs- und Reorganisationsmaßnahmen für das gesamte Propagandawesen. Dem ging die Erkenntnis voraus, dass die Reichsleitung neben der Möglichkeit, die Bevölkerung mittelbar durch die Presse zu beeinflussen, ein eigenes Instrumentarium für die direkte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung brauchte.3

Angesichts der sich verschlechternden Kriegslage verblassten die von der Heeresleitung herausgegebenen Durchhalte- und Siegfriedensparolen zusehends, weshalb sich die Notwendigkeit ergab, dass die politische Führung wieder eingriff. Pläne für eine zivile Aufklärungsstelle gab es bereits im Winter 1917/1918. Im Januar wurde Dr. Richard Strahl, damals „Hilfsarbeiter“ der Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes und persönlicher Referent von Eduard Deutelmoser, mit den Vorbereitungen für die Schaffung der neuen Behörde beauftragt. Die unmittelbare Anregung kam von Deutelmoser, der 1913-15 die Heeres- und Kriegspressearbeit (mit-) verantwortet hatte und nun die Nachrichten- bzw. Presseabteilung des Auswärtigen Amtes führte, 1917/18 Pressechef des Reichskanzlers war.4 Am 1. März 1918 nahmen Strahl als Chef des neuen Büros5 sowie drei Mitarbeiter und eine Schreibkraft ihre Tätigkeit in der Potsdamer Straße 113 in Berlin auf.

Die Arbeitsmethoden charakterisierte Strahl (ca. 1950er, unveröffentlicht, S. 11f.) wie folgt: „Die Zentralstelle war im Wesentlichen nicht als eine selbst produzierende, sondern nur als eine organisierende und auswählende, eine ergänzende und anregende, eine Art Verteilungs- und Schaltstelle gedacht (…) Der Schwerpunkt der Durchführung, die eigentliche Aufklärungsarbeit, sollte vor allem in den freien, privaten Verbänden, im freiwilligen Einsatz geleistet werden.“ (Zit. nach Richter 1963, S. 30) Da sich die Zentralstelle zudem unmittelbar nach ihrer Gründung dem Widerstand der militärischen Propagandastellen ausgesetzt sah6, blieben ihre Wirkungsmöglichkeiten zunächst begrenzt.

Überleben in der Revolution vom November 1918

Abb.: Philipp Scheidemann ruft am 9.11.1918 von einem Fenster der Reichskanzlei die Republik aus. Quelle: Bundesarchiv, Bild 175-01448, Urheber unbekannt, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/ licenses/by-sa/3.0/de/

Am 9. November 1918 musste der Kaiser abdanken und der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief die Republik aus. Sein Parteigenosse Friedrich Ebert wurde zum provisorischen Reichskanzler erklärt. Deutelmosers politische bzw. Verwaltungs-Karriere fand durch die Revolution vom November 1918 ihr Ende, Dr. Strahl wurde hingegen 1919 in seiner Stellung bestätigt.7 Die Zentrale für Heimatdienst, eigentlich geschaffen für den Bestand und Sieg des Kaiserreichs, stellte sich nach dem Wechsel der politischen Verhältnisse sofort dem republikanischen Regime zur Verfügung. Am Abend des 9. Novembers wurde im Namen von Ebert beim Leiter der Zentrale angefragt, ob er Aufrufplakate drucken und anschlagen lassen könne.8 Da der Auftrag erfüllt wurde, kann geschlussfolgert werden, dass die Behörde widerstandslos den Systemwechsel mit vollzog und sich der neuen Regierung unterordnete.

Es scheint in Betracht der schnellen Umorientierung nahe liegend, dass die Leitung der Zentrale vom alternativlosen Zusammenbruch des Kaiserreichs überzeugt gewesen sein musste. Allerdings dürfte auch die Angst vor dem Verlust der organisationellen Existenzberechtigung eine Rolle gespielt haben:

Abb.: Friedrich Ebert als späterer Reichspräsident, 1923. Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-00015, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/ licenses/by-sa/3.0/de/

Die Revolution mit ihren unterschiedlichen Strömungen schuf neue Parallelstrukturen, die die Zersplitterung der Kommunikationsarbeit aus der Kaiserzeit noch vertieften. Der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte hatte die Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung (Ohla) in den Werbedienst der sozialistischen Republik9 umgebildet.

 

 

 

 

Schon bei der Planung der (…) Aufgaben entstanden Konflikte mit der Zentrale für Heimatdienst, die für Strahl um so ernster waren, als ursprünglich der Werbedienst die ZfH ersetzen sollte, da man von ihr annahm, dass sie aufgrund ihrer früheren Arbeit nicht ohne Weiteres nach dem 9. November die Aufklärung im Sinne der neuen Regierung übernehmen könne. Mit der zunehmenden Polarisierung zwischen dem Rat der Volksbeauftragten (dem Friedrich Ebert vorstand – T.L.) und dem Vollzugsrat (der Arbeiter- und Soldatenräte) erhielt die ZfH jedoch immer mehr amtliche Aufträge. Obwohl beispielsweise die Informationsaufgaben im Zusammenhang mit der Demobilmachung zum Zuständigkeitsbereich des Werbedienstes gehörten, wurde auch die ZfH mit diesen Aufgaben betraut, da man eine einseitig sozialistische Informationspolitik des Werbedienstes befürchtete.

(Wippermann 1976, S. 82)

Erste Aufgaben in der Republik

Da die Zentrale für Heimatdienst noch nicht über einen eigenen funktionsfähigen Unterbau im Reich verfügte, blieb ihre Tätigkeit zunächst auf Berlin beschränkt. Der Wirkungskreis konnte aber durch die Übernahme der Mitarbeiter der ehemaligen militärischen Propagandastellen erweitert werden.

Die ersten Aufgaben waren die Verbreitung einer großen Anzahl von Flugblättern und Plakaten, die drei wesentliche Inhalte hatten: 1. Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im Reich, 2. Erklärung der Ziele der neuen politischen Führung und 3. Forderung nach demokratischen Wahlen (Nationalversammlung) und Verhinderung bzw. Abschaffung des Rätesystems. Für den Kampf gegen die Spartakisten und Kommunisten, die die Revolution auf Basis der Arbeiter- und Soldatenräte fortführen wollten und eine Räteherrschaft anstrebten, wurde im Winter 1918/1919 ein besonderes Rednerreferat eingeführt, in welchem Redner für politische Auseinandersetzungen ausgebildet werden sollten.10

Die Zentralstelle für Heimatdienst, als Machtmittel des Kaiserreichs gegründet, wurde durch die neuen Machthaber übernommen. Die Bedeutung der ZfH in der Zeit des Umbruchs sollte nicht überschätzt werden, da sie auf Berlin beschränkt blieb. Betrachtet man aber den Fakt, dass von Berlin die grundlegenden Entscheidungen ausgingen, so war die ZfH ein wichtiges Instrument in den Händen der demokratisch-republikanischen Kräfte, die einen parlamentarischen Weg beschreiten wollten.

Autor(en): R.H.T.L.

Anmerkungen

1 Richter 1963, S. 21. Vgl. zur Regierungs-PR auch Kunczik 1997, S. 102f., 138, 142ff.

2 U. a. Kunczik 1997, S. 169ff.

3 Richter 1963, S. 29.

4 Vgl. Kunczik 1997, S. 170. Zu Deutelmoser u. a. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0011/adr/adrag/kap1_4/para2_70.html und bei Kunczik 1997, S. 103.

5 Wippermann 1976, S. 29.

6 Wippermann 1976, S. 31. Differenzen resultierten u. a. daraus, dass das Militär mit Ausnahme des Kriegsministeriums nicht im Beirat der ZfH vertreten war. (R.H.)

7 Kunczik 1997, S. 170.

8 Richter 1963, S. 34.

9 „Sozialistisch“ war überparteilich gemeint, zwar eher linkssozialistisch, aber nicht kommunistisch. Wippermann 1976, S. 82f. (T.L.)

10 Richter 1963, S. 35. Auch Kunczik 1997, S. 170.