Für und wider Pressestellen

Pro Pressestellen

Abb.: Titel der Weimarer Verfassung als Buchausgabe. Foto: JonRoma. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Zwischen 1919 und 1930 war eine Gründungswelle staatlicher Pressestellen zu verzeichnen. Während Reichsregierung und Kommunen1 schon länger pressepolitisch aktiv waren, entdeckten die Länder – abgesehen von Preußen – die Pressestellen als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit erst in der Weimarer Zeit. Die Presse wurde als Spiegel der öffentlichen Meinung betrachtet und auch die Landesregierungen und -behörden erkannten, das man versuchen musste, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen.2 Mit Gründung der Weimarer Republik, der Verankerung der Pressefreiheit in der demokratischen Reichsverfassung von 1919 sowie dem Zensurverbot erhielten die Beziehungen von Regierungen zur Presse und damit staatliche Pressearbeit eine bis dahin unbekannte Bedeutung.3

Aber mit der Herstellung eines einigermaßen geordneten öffentlichen Lebens schwollen […] die Presseorganisationen4 der verschiedenen Ämter […] an: Das Bestreben der Behörden, einen möglichst starken Einfluss auf die öffentliche Meinung zu gewinnen und ihr Zeugnis abzulegen von der Notwendigkeit und Fruchtbarkeit ihrer eigenen Tätigkeit, das Drängen vieler existenzlos gewordener Journalisten, Schriftsteller usw. in eine Stellung beim Staate, der Wunsch der politischen Parteien, Angehörige mit einem amtlichen Posten zu versorgen, schließlich die unvermeidliche, noch nachwirkende Desorganisation der gesamten Staatsverwaltung, die jeder einzelnen Behörde eine bis zur Eigenmächtigkeit gehende Selbstständigkeit gab, ließen überall Pressestellen, Nachrichten- oder Propaganda-Abteilungen […] entstehen […].

(Groth 1929, S. 260ff.)

Die Pressestellen der Länder in der Weimarer Republik entwickelten sich auch aus der Notwendigkeit heraus, eine stabile Mehrheit für die Regierung zu haben. Bekanntlich zeichnete sich die erste demokratische Periode in der deutschen Geschichte durch häufig wechselnde und instabile Koalitionen und damit labile Mehrheitsverhältnisse aus. Diese Mehrheiten konnten nur aus dem Volk kommen und dazu musste das Volk über die Aktivitäten der Regierenden aufgeklärt werden.

Kontra Pressestellen

Abb.: Ignaz Wrobel alias (und) Kurt Tucholsky gehörten zu den Mitarbeitern der „Weltbühne“. Eigenanzeige von 1929. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Das Misstrauen in der Bevölkerung und auch auf Seiten der Redakteure gegenüber den Pressestellen war jedoch groß. Einerseits wurde es von vielen historischen Erfahrungen aus der Zeit des kaiserlichen Obrigkeitsstaates und der Kriegszensur genährt. Andererseits waren radikaldemokratische Vorstellungen und Sozialisierungstendenzen in der Revolutions- und Nachrevolutionszeit weit verbreitet. Auch wenn sich schließlich mit der Weimarer Nationalversammlung eine Form repräsentativer Demokratie durchsetze, standen zunächst auch Modelle direkter, plebiszitärer bzw. von Räte-Demokratien hoch im Kurs: Im Lichte solcher Grundauffassungen schien Presse- und Öffentlichkeitsarbeit staatlich-bürokratischer Instanzen schwer vereinbar mit einem freien Journalismus und dem souveränen Bürger. „Kritikern erschien die staatliche Pressearbeit als Angriff auf die Meinungsfreiheit und die redaktionelle Unabhängigkeit.“ (Lau 2003, S. 14)

Ein gutes Beispiel zeitgenössischer Skepsis stellt ein Text von Kurt Tucholsky dar, welchen er 1920 unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel geschrieben hat:

[…] Als der Ludendorffsche Laden im Jahre 1914 fühlte, dass es ohne einen gelegentlichen Saisonausverkauf nicht abgehen würde, schuf er sich das Kriegspresseamt, einen Ausschank, der ausdrücklich dazu da war, in die Presse diejenigen lügenhaften Nachrichten einzuschmuggeln, die nötig waren, um dem Volke das gewisse Quantum Kriegsbesoffenheit einzutrichtern. Es gelang. […]

Diese Pressestellen haben sich nach dem Kriege karnickelhaft vermehrt, und eine Armee von kriegs- und lebensuntauglichen Schreibern, von Brillenmenschen, von Registratoren, Schmöcken und Bureaubeamten ergoss sich stellenlos über Deutschland, hatte keine Arbeit und machte sich welche. Das Wesen der Presse wird durch diese korrumpierenden Pressestellen völlig umgekrempelt. […]

Die Pressestelle hat zweierlei Aufgaben: einmal macht sie den Zeitungen und damit der zu täuschenden Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Dienststelle klar, der sie angegliedert ist. Sie wird also dauernd von der emsigen Arbeit der Dienststelle, von ihrem Bienenfleiß und ihrer großen kulturellen Bedeutung im öffentlichen deutschen Leben zu schreiben haben. Die Pressestelle hat zweitens die Aufgabe, etwaige Fehlgriffe der Dienststelle – also ungefähr die Hälfte ihrer Tätigkeit – vor der Öffentlichkeit zu beschönigen, zu bemänteln oder abzuleugnen. Beides tut die Pressestelle. Beides druckt die Zeitung. […] Die deutsche Presse, die auf Sauberkeit hält, sollte sich die Pressestellen abschminken.

(Wrobel 1920)

Autor(en): K.W.T.L.

Anmerkungen

1 Zur kommunalen Pressearbeit siehe Bonte 1997, Liebert 1995, 1997, 1999.

2 Bauer 1962, S. 15.

3 Vgl. dazu u. a. Bonte 1997, S. 9.

4 Im Original Preßorganisationen. Wir modernisieren in dieser Darstellung die Schreibweisen.