Urbanisierung und kommunale Selbstverwaltung im historischen Prozess

Universalisierung und Zentralisierung des Urbanen in der Weimarer Republik

Abb.: Baustelle des Kroch-Hochhauses am Leipziger Innenstadtring. 20. Juli 1928. Foto: Atelier Hermann Walter. Quelle: Wikimedia Commons (Public Domain). Ein nicht verwirklichter Plan sah vor, den gesamten Innenstadtring mit Hochhäusern nach amerikanischer Manier zu bebauen.

Der „qualitative Transformationsprozess des Städtewesens, die Urbanisierung, führte vor dem Ersten Weltkrieg zu einem ersten Höhe- und Abschlusspunkt. Sowohl die in den großen Städten geschaffenen Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung als auch die hochentwickelte kulturelle Leitbildfunktion der Großstädte mit entsprechender Ausstrahlungs- und Prägekraft für die Gesamtgesellschaft sind hierfür Belege.“ (Reulecke 1992, S. 148 – Herv. T.L.)

Viele Begleit- und Folgeprobleme des Ersten Weltkrieges waren vor Ort, in den Kommunen zu lösen. An diesem höheren Aufgabendruck wuchsen Organisations- und Kommunikationsarbeit der Stadtverwaltungen. Insofern „bildete der Krieg (…) die große, glänzend bestandene Bewährungsprobe für jenes in der Hochindustrialisierung eingeübte Zusammenspiel von kommunaler Selbstverwaltung, industrieller Verstädterung und ausgreifender Urbanisierung“ (Reulecke 1992, S. 149f.).

Doch unter schwierigen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Demokratie von Weimar (Lasten des Versailler Vertrages, nachrevolutionäre Wirren, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise etc.) wurden die neuen wirtschaftlichen, sozialen etc. Aufgaben der Kommunen zunehmend zur Bürde. In der Endphase der Weimarer Republik habe eine „ausgesprochen städtefeindliche(n) Grundstimmung“ geherrscht. Politik sowie Bürokratie und Technokratie setzten in ihren Problemlösungskonzepten auf Zentralisierung, verstärkt durch die Notverordnungen: „Die Städte wurden zu Gunsten des nationalen Staatsapparates entmachtet; sie wurden zu bloßen ‚Gemeinden‘ innerhalb des staatlichen Ganzen.“ (Reulecke 1992, S. 153) Im Nachhinein muss also die Periode vor (!) 1914 als Hoch-Zeit „kommunaler Selbstverwaltung“ der Städte angesehen werden. Dies auch deshalb, weil urbane Lebensweise – zunächst ein attraktives, fortschrittliches Merkmal der Städte – sich nunmehr, ab den 1920er-Jahren, auf die ganze Gesellschaft ausbreitete.

Kommunale Selbstverwaltung und Parteien in der Weimarer Republik

Abb.: Zitat aus der Zeitschrift Städtetag 1928, Nr. 6, Sp. 658.

Das traditionelle Konzept kommunaler Selbstverwaltung musste allerdings nicht erst durch die Universalisierung des Urbanen oder die autoritär-zentralstaatliche Politik der 1930er-Jahre an Bedeutung verlieren, sondern schon – wenn auch aus anderen Gründen – durch den zunehmenden Einfluss politisch-sozialer Kräfte „links“ des Bürgertums und vor allem die Einführung der Demokratie als Staatsform in Deutschland 1919. Zwar wurde die „kommunale Selbstverwaltung“ im Artikel 127 der Weimarer Verfassung garantiert1, aber als Konzept entstammt es vordemokratischer Zeit. Ursprünglich bildet es einen Pol des Gegensatzes von (feudal-absolutistischer) Obrigkeit und (bürgerlicher) Gesellschaft, von (autoritärer) Staats- und (kommunaler) Gemeindeverwaltung ab. Die zunächst fortschrittliche „kommunale Selbstverwaltung“ wurde schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen zur politischen Fessel, da sie die wachsende Arbeiterschaft bewusst ausschloss.2

Selbstverwaltung wurde generell als unpolitische, sachliche Verwaltungsarbeit verstanden, in der Politik und Parteien keinen Platz hatten. Die Weimarer Republik war aber durch eine tiefgreifende bis radikale Politisierung gekennzeichnet.3 Allerdings ist gerade unter Weimarer Verhältnissen auch ein Ringen um eine Verbindung von kommunaler Selbstverwaltung und Parteiendemokratie festzustellen – was auch in der Diskussion über kommunale Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck kam.

Die skizzierten Tendenzen, kommunale Öffentlichkeitsarbeit stärker als parteipolitische und Standort-PR aufzufassen, erleichterte es der Hitler-Diktatur nach 1933, die städtischen Nachrichten- und Pressestellen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Einer der prominentesten Öffentlichkeitsarbeiter jener Zeit, Hans Ludwig Zankl, schrieb: „Selbstverständlich ist die kommunale Propaganda genau nach den Gedanken der nationalsozialistischen Meinungsbildung und Meinungspflege auszurichten. Sie muss sich in den vom Führer und seinen Mitarbeitern geschaffenen Propagandaapparat der Staatsführung und der NSDAP einfügen.“ (Zankl 1939, S. 87)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Bischoff 1978, S. 6.

2 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts blieben die Partizipationsmöglichkeiten der nichtbesitzenden Schichten auf kommunaler Ebene hinter denen auf Reichsebene zurück. Seit 1871 galt zum Deutschen Reichstag (Parlament) das allgemeine und gleiche Wahlrecht, in den Städten Preußens (dem größten deutschen Teilstaat) jedoch noch bis 1918 das rückständige „Dreiklassenwahlrecht“. Die minderbemittelten Schichten (und damit die Mehrheit der Bevölkerung) waren in kommunalen Wahlkämpfen für die politischen Gruppen deshalb weniger interessant, was für die Entwicklung einer modernen politischen PR nicht gerade förderlich gewesen sein dürfte. Auch fehlte dadurch ein wichtiger Zwang auf Stadtverordnetenversammlungen und -verwaltungen, ihre Tätigkeit gegenüber der Masse der Bevölkerung zu legitimieren. Bürger- und Wahlrecht fielen nicht unbedingt zusammen, auch waren z. T. an das Bürgerrecht finanzielle Bedingungen geknüpft. (Müller 1975, S. 15)

3 Vgl. Reulecke 1992, S. 153; Bonte 1997, S. 36f.