Beiträge zur Professionalisierung der PR-Branche (III)
Berufsständische Organisationsarbeit
Piwingers Engagement für den PR-Berufsstand und den Berufsverband DPRG geht über „Theorie-Praxis-Arbeitskreise“ hinaus, er übernahm auch ab 1974 – zwei Jahre nach seinem Verbandseintritt – allgemeine Verantwortung in der „Deutschen Public Relations Gesellschaft“.
(F)ünf Wahlperioden lang war er als stellvertretender Landesvorsitzender des Berufsverbandes aktiv, zunächst in Hessen-Rheinland Pfalz-Saarland (1974-1978, Vors.: Albrecht Koch – Piwinger o.J.), dann in Nordrhein-Westfalen (1981-1994, Vors.: Werner von Hoff – Piwinger o.J.). Er hat bundesweite Arbeitskreise gegründet und geleitet, war Juryvorsitzender des Deutschen PR-Preises und bringt seine Reputation als Elder Statesman seit vielen Jahren in das Selbstkontrollgremium der Branche, den Deutschen Rat für Public Relations, ein (seit 1994 – Piwinger o.J.).
(Universität Leipzig, Communication Management 2007)
Eintreten für PR-Ethik
Die Herausbildung einer berufsständischen, sanktionsfähigen Ethik war stets ein Ziel Piwingers. Für ihn war und ist es von enormer Bedeutung, was man tun darf und was nicht; es muss eine Verhaltensebene geben, welche die Grundlage für das Handeln bildet (Piwinger 2017c, 00:09:02). Bei Abweichung müssen auch Sanktionen möglich sein, wenn „über das eigene Verhalten hinaus“ (ebd., 00:09:46) der gesamte Berufsstand beschädigt werden kann. Ethik stellt für Piwinger „eine Art innere Verfassung eines Berufsfelds“ (ebd., 00:10:04) dar, die notwendig ist, aber auch verfolgt und dafür öffentlich gemacht werden muss, da sie andernfalls ihren Sinn verfehlt.
Piwinger war von 1994 bis 2012 aktives Mitglied im Deutschen Rat für Public Relations (DRPR), hatte sich insbesondere in der Beschwerdekammer „Wirtschaft und Finanzen“ – auch zusammen mit Anton Leis – engagiert. Im Rat wurde auch eine „DRPR-Richtlinie zur ordnungsgemäßen Ad-hoc-Publizität“ entwickelt (vgl. vorherige Unterseite).
Manfred Piwinger hat seine Einstellung zur PR-Ethik auch in einem Interview erläutert, das Leipziger Studentinnen (Studiengang Communication Management) 2017 mit ihm führten. Hier der Ausschnitt aus: Piwinger 2017c, 09:02-10:23.
Gleichermaßen misst Piwinger der PR-Geschichte einen hohen Stellenwert bei: „Tradition [und] Geschichte sind natürlich immer identitätsbildend. […] Man muss ja wissen, woher man kommt, wenn man wissen will, wohin man geht“ (ebd., 00:10:30).
Sonstiges (politisches) Engagement
Sein gesellschaftliches Engagement zeigte sich nicht nur im Eintreten für den Berufsstand und die ethische Verantwortung der PR, sondern auch politisch im Sinne liberaler Werte. Davon ist bekannt, dass sich Piwinger im „Freundeskreis der FDP engagiert“ hat, der auf Initiative von Ex-Spiegel-Chefredakteur Leo Brawand 1984 zustande kam und „den er auf Bundesebene mitbegründet(e)“ (Christoffel 2016).
(S)päter (laut Piwinger o. J. 1991) wurde er Vorsitzender der FDP-Freundeskreise in NRW. Der von ihm auf lokaler Ebene ins Leben gerufene Freundeskreis mit damals an die 400 Mitgliedern war hoch erfolgreich in der Unterstützung der Wahlkämpfe für den damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der seinen Wahlkreis in Wuppertal hatte.
(Christoffel 2016; laut Piwinger o. J. gründete er den Wuppertaler Freundeskreis 1982 und leitete ihn bis 2003)
Piwinger und die Entwicklungsphasen des PR-Berufsfeldes
Piwingers PR-Laufbahn startete 1965 in der sogenannten Periode der „Konsolidierung des Berufsfeldes“ (Bentele 1997, S. 161; Bentele 2017, S. 41), welche von 1958 bzw. 1960 bis 1985 andauerte.
Szyszka (2015, S. 502), der ebenfalls ein Modell von Entwicklungsphasen der (bundesdeutschen) PR vorgestellt hat, sieht im Jahr 1972 – in dem auch Piwinger in die DPRG eintrat – eine wichtige Zäsur: 1972 endete die Phase der „Fremd-Positionierung“ (seit 1961) und damit der größere Abschnitt der „Identitätssuche“ der PR (1951-1972). 1973 begann die Phase der „Re-Positionierung“ (bis 1983) bzw. der bis heute andauernde Abschnitt der „Modernen Entwicklung“ von PR. „Fremd-Positionierung“ (1961-1972) meint eine zunehmende Marketing- bzw. Produkt-Bezogenheit von PR (Szyszka 2015, S. 503f.). „Re-Positionierung“ (1973-1983) drückt eine zunehmende Akzentuierung der unternehmenspolitischen Funktion von PR und damit zugleich eine (teilweise) Rückkehr der gesellschaftspolitischen Bezogenheit (wie zwischen 1951 und 1960) von PR aus (Szyszka 2015, S. 504f.).
Piwinger, seit 1978 bei Vorwerk, ist mit seinem dortigen „unternehmenspolitischen“ PR-Verständnis eindeutig als Vertreter der „Re-Positionierungs“-Phase im Sinne von Szyszka zu charakterisieren. Auch passt sein opulent-kreativer Umgang mit Geschäftsberichten in den 1980er-/90er-Jahren und vor allem sein Eintreten für ganzheitliche, integrierte Kommunikation („Unternehmenskultur“ etc.) zur nächsten Phase, der „Expansion“, die Szyszka (2015, S. 502) von 1984 bis 2004 ansetzt und mit den Hauptmerkmalen „großer Expansionsschub“ (Wachstum von Corporate Publishing!) und „Koordinations-/Integrationsbedarf“ (vgl. auch S. 505f.) versieht.
Bentele in seinem Entwicklungsmodell lässt mit der Zäsur 1985 die Periode des „Booms“ und der „Professionalisierung“ des PR-Berufsfeldes beginnen, u.a. mit den Merkmalen „Akademisierung“, „Verwissenschaftlichung“ (Bentele/Liebert 2005, S. 227; vgl. auch Szyszka 2015, S. 501). Auch dazu sind Piwingers Schaffen und Verdienste kompatibel, er kann sogar als seiner Zeit vorausgehend charakterisiert werden (Arbeitskreis „Hochschule“ der DPRG-Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland“ schon in den 1970ern, „Götzenburger Kreis“ ab 1976, Projektgruppe „Grundlagen der PR in Deutschland“ ab 1982 u.a.)1.
Schlussbemerkung
Manfred Piwinger, studierter Diplom-Ingenieur und „gelernter“ Journalist, kam Mitte der sechziger Jahre in das PR-Berufsfeld (Demag), das damals noch nicht wissenschaftlich fundiert war. Er bildete sich im Selbststudium, u. a. in den USA, zum angehenden Kommunikations-Manager weiter und übernahm ab Anfang der siebziger Jahre kommunikative Führungspositionen in der Unternehmenskommunikation (VOKO und Vorwerk).
Dadurch, dass er berufliche und praktische Probleme und Fragestellungen der Unternehmenskommunikation gründlich reflektierte, häufig initiativ wurde und Fragestellungen mithilfe von Arbeitskreisen anging, konnte er wichtige praktische und auch analytisch-wissenschaftliche Impulse für das gesamte Berufsfeld in Deutschland setzen. Diese Aktivitäten und ein breites wissenschaftlich-publizistisches Werk heben ihn deutlich aus der Mehrzahl der Unternehmenskommunikatoren heraus. Die Substanz und Breite dieses wissenschaftlichen Werks, immer praxisverknüpft, hat Gewicht und würde manchem Hochschullehrer zur Ehre gereichen.
Manfred Piwinger gehört für die achtziger und neunziger Jahre und darüber hinaus zu den besten, bekanntesten und einflussreichsten Unternehmenskommunikatoren in Deutschland. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass er eine Reihe von Preisen erhielt und Ehrungen erfahren durfte, sondern auch darin, dass er einige unternehmerischen Kommunikationsinstrumente (z. B. den Geschäftsbericht) und wichtige strategischen Grundlagen der Unternehmenskommunikation (z. B. das Verständnis von Unternehmenskultur oder den Beitrag der PR zur unternehmerischen Wertschöpfung) innovativ weiterentwickeln konnte. Insofern hat er auch einen bemerkenswerten Beitrag zur Professionalisierung des Berufsfelds geleistet.