PR-Lehrbuch von 1995 (VI): Weitere ausgewählte Inhalte

Zur Geschichte der PR

Das Buch von 1995 enthält u. a. ein Unterkapitel zur Geschichte der PR.1 Avenarius‘ historische Auffassung fand auch Widerspruch. Bentele fragt skeptisch:

Hat es also PR schon in alten, imperialen Reichen wie Ägypten, Babylon, den Diadochen, Rom, Indien und China gegeben? Avenarius beispielsweise setzt hier nach einer ersten, vorgeschichtlichen Periode die zweite Periode der Public Relations, die etwa von 2000 Jahren vor bis etwa 1500 Jahre nach Christus gedauert haben soll (Avenarius 2000, S. 67) an. Hat es Public Relations im Altertum und im Mittelalter gegeben? Avenarius (2000, S. 67) setzt diese vierte Periode von 500 bis ca. 1800 n. Chr. an – oder entsteht PR erst mit der europäischen Industrialisierung, ca. ab 1850-1870, wovon z. B. Ronneberger und Rühl (1992) und viele andere Autoren ausgehen. Wenn der PR-Beginn mit der Altertum angesetzt wird, warum wird dann hier die Grenze gezogen und nicht in der Steinzeit oder bei Cro-Magnon-Menschen? Theoretisch könnte man auch noch weiter zurückgehen (…).

(Bentele in Hoffjann/Huck-Sandhu 2013, S. 219f.)

Abb.: Auch andere Wissenschaftler haben sich mit Avenarius‘ historischer bzw. grundlagentheoretischer Position auseinandergesetzt, hier Rademacher. Auszug aus: Rademacher, Lars: Public Relations und Kommunikationsmanagement. Eine medienwissenschaftliche Grundlegung. Wiesbaden: VS, 2009. S. 192. Das ungewöhnliche „ich“ ist Rademacher.

Avenarius referiert durchaus verschiedene Konzepte der PR-Geschichtsschreibung. Dass er selbst PR für sehr alt hält und nicht erst mit der „neuzeitliche(n) Industriegesellschaft“ bzw. „pluralistische(n)“ Ordnung oder gar der „postmodernen Informationsgesellschaft“ beginnen lässt, ist logische Folge der Basisthesen (Ia und Ib) und Folgethesen (IIa bis IIc). (Avenarius 1995, S. 66-68)

Bedenkenswert ist sein Vorschlag:

Vielleicht ist die Öffentlichkeit das geeignetere Kriterium, um die Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit zu strukturieren. Dann ginge es um das wechselnde Gewicht der öffentlichen Meinung; um die Rolle der Massen und den Einfluss der Herrschenden auf sie; um die schon vor dem Zeitalter der Demokratisierung zu beobachtende Autonomie von Publika und das Verhalten der politischen Klasse ihnen gegenüber.

(Avenarius 1995, S. 69)

Über Strategien und Kampagnen

PR könne sich nicht im Taktieren oder (schnellem) Reagieren erschöpfen, sondern müsse ihr Handeln strategisch ausrichten. Strategisch handeln heiße:

  • „eine Situation gesamthaft und unvoreingenommen analysieren, wozu auch gehört, die Struktur und Motivation der eigenen Organisation wie die Potentiale und Argumente eventueller Gegenkräfte ohne Vorbehalte abzuschätzen;
  • sich realistische Ziele setzen und alle späteren Realisierungen immer wieder an den Zielvorgaben messen;
  • alle Maßnahmen, die der Erreichung des Zieles dienen, so exakt wie möglich planen, also möglichst wenig dem Zufall überlassen;
  • daher weit vorausdenken, was bedeutet, in alternativen Szenarien denken;
  • rationale und nicht gefühlsbetonte Schlüsse aus den jeweiligen Prämissen, Vorgaben und Ergebnissen ziehen;
  • stets die Kontrolle über den gesamten Handlungsablauf behalten, eventuelle Kurskorrekturen vornehmen und damit
  • die gewählte Strategie einem ständigen Optimierungsprozess unterwerfen.“ (Avenarius 1995, S. 195f.)

Kampagnen seien „die hohe Schule der PR“. „Mit ihnen versuchen PR-Fachleute, in den Meinungsbildungsprozess einzugreifen; mit ihnen versuchen sie auch recht häufig, auf relativ schnellem Wege Imagekorrekturen zu erreichen (…)“. (Avenarius 1995, S. 196)

Das Buch von 1995 enthält auf S. 198/199 ein so genanntes Kampagnen-Schema, das den Konzeptionsprozess strukturiert abbildet.

Abb.: PR-Kampagnen-Schema. Quelle: Avenarius 1995, S. 198f.

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Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. ansonsten dazu u.a. Bentele/Liebert 2005, Kunczik 1997 und Liebert 2003.