PR-Lehrbuch von 1995 (I): Charakterisierung
Verknüpfung wissenschaftlicher und praktischer Erkenntnisse in seinem „Lehrbuch“ 1995
Was vom herausgebenden Verlag als „das erste deutschsprachige Lehrbuch über geplante Kommunikation“ (WBG 1995) positioniert wird, erfährt bei Wissenschaftlern eine etwas zurückhaltendere Charakterisierung: Horst Avenarius (…)
(…) nutzte seine (im transatlantischen Dialog – siehe weiter vorn; T.L.) gewonnenen Einblicke, um 1995 unter dem Titel Public Relations. Die Grundform gesellschaftlicher Kommunikation eine Art (! – T.L.) Lehrbuch herauszugeben. Diese Publikation (…) verknüpfte den damaligen Fundus wissenschaftlicher Annahmen mit Praxisproblemen zu einer systematischen Darstellung von PR-Praxis.
(Kunczik/Szyszka 2015, S. 136)
In ihrem Aufsatz über „Praktikertheorien“ systematisieren Kunczik/Szyszka (2015, S. 135) diese Gedankengebäude entsprechend ihrer jeweiligen Haltung zur zunehmenden Verwissenschaftlichung des Fachdiskurses über PR. Avenarius mit seinem Buch von 1995 wird in den höchsten, den dritten Typ eingeordnet. Allerdings schafft er es in den Augen von Kunczik und Szyszka nicht in den weiterreichenden Untertyp 3b, der durch die „Entwicklung eigener Modellvorstellungen oder Denkansätze“ gekennzeichnet sei (Kursivdruck im Original).
Dass Letzteres fehle, wird dem Buch unseres Erachtens aber nicht gerecht. Zwar referiert Avenarius in der Tat über weite Strecken (auch unterschiedliche) Auffassungen anderer Autoren, lässt aber häufig seine eigenen Position erkennen. Und diese dann durchaus auch ungewöhnlich, gar provokant.
Basisthesen (Ia und Ib) und Folgethesen (IIa bis IIc) im Kontext des Buches und seiner Systematik
Die Gliederung des Buches von 1995 ist die einer soliden, gehaltvollen, systematischen Publikation über Public Relations, wie man sie auch im üblichen bzw. – gemessen an der Avenarius-Basisthese von PR als „Grundform“: – engeren Sinne verstehen kann. Die Darstellung dieser PR gerät durchaus breit. Sie berücksichtige, so der Verlag, „alle Bereiche der Öffentlichkeit, auch solche, die bislang wenig wahrgenommen wurden: die PR der Medien, die der alternativen Bewegungen und die der Staatenwelt“ (WBG 1995).
Gemessen an den Kapitelüberschriften kommt die Ambitioniertheit des Werkes vor allem an der Einleitung („Public Relations auf dem Prüfstand“) und am letzten Kapitel („VIII. Die Ethik des Kommunizierens“) zum Ausdruck. Die übrigen Kapitel lauten (hier teilweise leicht verkürzt): I. Rolle der PR, II. Wissen über PR, III. Das Kommunikationsgeschehen, IV. PR-Strategien am Meinungsmarkt, V. Institutionelle PR für Organisationen, VI. Politische Kommunikation, VII. Publicity für Marken, Produkte und Personen.
Der Gliederung sieht man wichtige Hauptaussagen des Buches, die durchaus folgenschwer und ungewöhnlich sind – wir haben sie im Folgenden als Basisthesen (Ia und Ib) und Folgethesen (IIa bis IIc) bezeichnet –, nicht an. Oder anders gesagt: Um solchen Hauptaussagen – die das Gesamtverständnis von öffentlicher Kommunikation bzw. Publizistik betreffen – in der Fachwelt und Gesellschaft mehr Akzeptanz oder gar Mehrheiten zu verschaffen, hätte ihre Ausargumentation wohl größeren und sichtbareren Platz im „PR-Buch“ finden sollen. Die intellektuelle Substanz hätte durchaus ein (möglicherweise doppelt so dickes) Lehrbuch über öffentliche (und insbesondere persuasive1) Kommunikation – PR darin eingeschlossen – getragen.