Wirtschaftsakteure: der Dritte – das „Volkswagen“-Projekt II

Volkswagen: kommunikative Herausforderungen auf Teilgebieten

Eine neues Produktionssystem: Zugeständnisse der Propaganda an die Realität

Aus seinen USA-Reisen brachte Porsche nicht nur amerikanisches Know-how, sondern auch „rund 20 Ingenieure und Planer“ mit. Sowohl für die herrschaftsinterne Legitimation als auch die externe Darstellung waren damit gewisse Herausforderungen verbunden:

In der Propaganda wurde die strikte Ausrichtung am amerikanischen Vorbild freilich verschämt versteckt. Pflichtschuldigst formulierte (Otto) Dyckhoff (= ein Experte für Produktion und Fertigungstechnik, ehemals Opel AG – T.L.) in einem Vortrag im Reichsluftfahrtministerium, dass die deutsche Automatisierung sich von der amerikanischen fundamental unterscheide: ‚Wir wollen die Maschine dem Menschen dienstbar machen und nicht den Menschen zum Sklaven der Maschine herabwürdigen.‘

(Osteroth 2004, S. 192)

Da das nicht besonders griffig klang, prägte der Reichsleiter der NSDAP und Leiter des Einheitsverbands DAF Robert Ley „die kerndeutsch-expressionistische Formel: ‚Man muss den Takt der Maschine mit dem Rhythmus des Blutes vermählen‘“ (Osteroth 2004, S. 192) – zugleich auch ein Beispiel für „Nazi-Propagandakitsch“.

Eine neue Stadt: Arbeitskräfte- und Standortkommunikation

Der Mangel an Arbeitskräften – vor allem durch kriegsvorbereitende Projekte wie den „Westwall“ verursacht – führte zur Anwerbung von Arbeitslosen aus dem verbündeten Italien und entsprechenden Kommunikationserfordernissen. „Ohne die Italiener wäre der Aufbau des Werkes kaum mehr vorstellbar gewesen.“ (Osteroth 2004, S. 208)

Das Werk brauchte auch Unterkünfte für seine Arbeiter. „Eine neue Stadt für zehntausende Arbeiter soll hier entstehen, ein Kunstgebilde namens ‚Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben‘. Nach dem Krieg benennen die britischen Besatzer sie in Wolfsburg (…) um.“ (Vensky 2010. Vgl. auch Stadt Wolfsburg im Internet) Auch Architektur und die Errichtung einer Planstadt können als Kommunikationsform verstanden werden, was wir hier aber nicht weiter ausführen wollen.1

Die Standortwahl für Werk sowie Stadt und die damit verbundene „Gigantonomie“ riefen bei verschiedenen Verwaltungsstellen, Ministerien und Wirtschaftsakteuren – so den Hermann-Göring-Reichswerken im nahen Salzgitter – auch Bedenken hervor.2 Solcherlei Versuche um Wahrung von Ressortzuständigkeiten sowie Wettbewerb um immer knapper werdende Ressourcen ließen sich in einer zentralistisch-monistischen Diktatur nicht gänzlich vermeiden.

Produkt-Werbung und -PR auf vollen Touren – nicht ohne politische Hintergedanken

Abb.: Berliner Presseball 1939 mit Tombola-Hauptpreis Volkswagen (Foto-Herausgabedatum 28.1.1939). Rechts Schauspieler Heinrich George, neben ihm der schwedische Vogelforscher Bengt Berg, weiter links der Konstrukteur des VW Ferdinand Porsche mit Frau Elsa Ellinghausen, der Gewinnerin. Quelle: ADN-Zentralbild, jetzt Bundesarchiv Bild 183-E01426 / Wikimedia Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license (CC-BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Ende 1938 ist der von Porsche entwickelte Wagen „mit dem Prototyp VW38 praktisch serienreif“, die Fertigungshallen sind zu Kriegsbeginn 1939 rohbaufertig (Vensky 2010). „Auf dem Berliner Presseball 1939 war der ‚KdF-Wagen‘ der Hauptpreis der Tombola“ (Osteroth 2004, S. 214). Mit Druckwerken wurde für das Auto geworben.3 Für Finanzierung und Vertrieb des Autos hatte man sich ein Sparsystem und eine Werbekampagne dafür einfallen lassen:

‘5 Mark die Woche musst Du sparen, willst Du im eignen Wagen fahren!‘ In einer Rede vor der Belegschaft der 1G Farben pries Ley das Sparsystem als leuchtendes Beispiel des ‚deutschen Sozialismus‘ und das Volkswagenwerk als ‚Olymp der Arbeit‘, den er erneut mit der imaginären Produktionsziffer von 1,5 Millionen Autos pro Jahr schmückte. Das System mit den Sparmarken war rigide geregelt, ein Rücktritt vom Kauf kaum möglich, versprochen wurde lediglich ein ‚voraussichtliches Lieferjahr‘. Die Vorfinanzierung erbrachte einen Zinsgewinn von immerhin 130 RM je Käufer zugunsten der DAF. Ein ‚raffiniertes innenpolitisches Ablenkungsmanöver größten Stils‘, notierten die Deutschlandberichte der SoPaDe, der Exil-SPD – in Deutschland sei eine ‚Autopsychose‘ ausgebrochen.

Bis Ende 1939 wurden rund 270.000 Sparverträge abgeschlossen, auch durch sanften und unsanften Druck in den Betrieben.

(Osteroth 2004, S. 212)

Abb.: Familie mit KdF-Wagen (später VW-Käfer; Autokennzeichen IIIA-43023 = Neckarkreis) und tragbarem Röhren-Radio am Fluss, ca. 1939. Fotograf unbekannt. Quelle: Bundesarchiv Bild 146II-732 / Wikimedia Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license (CC-BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Auf und mit eigenen Events wurde Publicity für das Auto geschaffen. Harmonische Bildmotive sprachen die Sehnsüchte der Menschen an:

Die ehemaligen Testfahrer der SS fuhren weiter durchs Land, als Werbekolonne. Sie steuerten Feiern, Feste und Flugtage an. Auch Porsche selbst bewies werbeträchtig die Leistungsfähigkeit seines Autos. Mit seinem Sohn eröffnete er den Großen Bergpreis von Deutschland, der auf der Hochalpenstraße am Großglockner ausgetragen wurde. (…) Der Käfer inmitten der Bergwelt, das wurde zum beliebten Werbemotiv, das die Kletterstärke des Autos mit den Urlaubsträumen der Sparer verband. Nicht drei Soldaten mit einem Maschinengewehr stiegen in diesen Bilderwelten aus dem Auto, sondern ein Mann und zwei Frauen mit einem Picknickkorb.

(Osteroth 2004, S. 213)

Der Krieg ging vor – Schrecken der Diktatur statt Erfüllung von Konsumträumen

Abb.: Volkswagen Beetle Type 82, Allrad-Wehrmachtsversion, im Technik-Museum Sinsheim. Foto: Christoph Grimlowski (User Grimmi59_rade). Quelle: Wikimedia Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

„(K)ein einziger Privatkunde“ erhielt bis Kriegsende sein angespartes Auto (Vensky 2010). „Aus dem ‚KdF-Wagen‘ wurde nach Kriegsbeginn der Kübelwagen, die militärische Variante des Volksautos.“ Die generelle Einbeziehung des Werkes in die Rüstungswirtschaft geriet allerdings auch widersprüchlich. (Osteroth 2004, S. 236 bzw. 227ff.)

Bald wurden im Werk Zwangsarbeiter eingesetzt, „1944 stellen sie zwei Drittel der VW-Belegschaft“ (Vensky 2010). Auch KZ-Häftlinge mussten ab 1942 schuften.4 „Porsche sitzt nach Kriegsende 22 Monate in französischer Haft, wird aber nie rechtskräftig verurteilt. Das Ende des Krieges 1945 ist der Anfang der Erfolgsgeschichte des Volkswagens.“ (Vensky 2010)

 

Bitte lesen Sie auch Teil II des Beitrags über Autoindustrie und Autorennsport in der NS-Zeit.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu Beier 1997, S. 11f., 23, 27f., 37ff., 51ff., 65ff., 75ff. und 99ff.

2 Vgl. Osteroth 2004, S. 197-202.

3 Vgl. auch: https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/der-kdf-wagen-um-1936.html oder https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/werbeprospekt-fuer-den-kdf-wagen-1938.html

4 „Im Zuge des Projekts Leichtmetallgießerei entstand das erste Konzentrationslager auf einem Werksgelände“. Das Lager nannte man „Arbeitsdorf“. (Osteroth 2004, S. 241). „Porsche selbst war seit Mitte 1941 seltener im Werk zu sehen.“ Porsche wurde zu Hitlers Hoffnung als Planer und Vervollkommner der Panzerwaffe. (Osteroth 2004, S. 243ff.)