Wirtschaftsakteure: der Dritte – das „Volkswagen“-Projekt I
Volkswagen: ein konsumgesellschaftlich-nationalsozialistisches Großprojekt
Wirtschaftspolitik des Regimes traf auf unterschiedliche ökonomische Interessen
In einer Rede am 7. März 1934 forderte Hitler einen „geeigneten Kraftwagen für das deutsche Volk“. Analog zur erfolgreichen Massenproduktion eines „Volksempfängers“ im Radiosektor war dies der Startschuss zum „Projekt Volkswagen“, wenngleich dieser Begriff in der Rede noch nicht fiel (Osteroth 2004, S. 142 und 144f.).
Und so wie man bei den Autobahn-Plänen auf Konzepte und Vorarbeiten der zwanziger Jahre zurückgriff, sollte nun endlich auch der lange schon postulierte, aber nie verwirklichte Wagen für jedermann gebaut werden. Kurz, die Sache lag in der Luft.
(Osteroth 2004, S. 140)
Allerdings waren die deutschen Autohersteller gar nicht darüber erfreut, „dass sie auf dem eigenen Absatzmarkt einen Volkswagen platzieren sollten. Und da war Ferdinand Porsche, der endlich seine Chance gekommen sah, ein solches Auto zu bauen, das er (…) immer wieder im Kopf hatte. Um Hitler nicht zu brüskieren, musste schließlich der RDA (= Reichsverband der Automobilindustrie – T.L.) Porsche beauftragen, der Autoindustrie ein solches Kuckucksei ins Nest zu legen. So sah die konfliktträchtige Ausgangslage aus.“ (Osteroth 2004, S. 141) Der RDA stieg schließlich aus dem Projekt aus.
Spektrum der Akteure und Interessen brachte gewisse Kommunikationsvielfalt hervor
Mit dieser Gemengelage ist auch der Nährboden für vielfältige seriöse und unseriöse Kommunikationspraktiken der wirtschaftlichen und politischen Akteure angedeutet, für fachlich-technische Argumentation, industrielle Lobbyarbeit, Verbandskommunikation, Konkurrentenbekämpfung, politische Liebedienerei und NS-Propaganda.
Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Rolle des persönlichen Netzwerkes der Hitler-Vertrauten sowie persönliche Animositäten und Intrigen. So habe laut Osteroth (2004, S. 195f.) der ‚technische Konstrukteur des Volkswagens‘ Ferdinand Porsche den ‚kommunikativen Konstrukteur‘ Jakob Werlin nicht ausstehen können. Werlin war als österreichischer Autoverkäufer und Mercedes-Händler in München ein alter Bekannter und Vertrauter Hitlers, vor allem deshalb seit 1934 im Vorstand von Daimler-Benz. Er setzte sich stark für den Volkswagen ein und fungierte ab 1938 als ehrenamtlicher Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Aufsichtsrats des Volkswagenwerkes.1
Politische Organisation als Geburtshelfer des Volkswagenwerkes
Im Mai 1937 war als Vorstufe der Volkswagenwerk GmbH eine „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ – kurz Gezuvor – gegründet worden. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) übernahm die Verantwortung.2 Als „eigentliche(r) Erfinder der DAF-Volkswagen-Idee“ gilt BMW-Chef Franz Popp. (Osteroth 2004, S. 202 und 208f.)
Nach der DAF-Organisation zur „Gleichschaltung der Freizeit, Kraft durch Freude (KdF), heißt das Projekt nun ‚KdF-Wagen‘ (…) Porsche hat sich in den USA ein Bild gemacht von zeitgemäßem Automobilbau, träumt davon, das Detroiter Ford-Werk nachzuahmen. Im Mai 1938 legt Hitler mitten im Nichts nahe Fallersleben, in einer strukturschwachen Region Niedersachsens, vor 70.000 Zuschauern und Mitgliedern der NS-Organisationen den Grundstein für das Volkswagenwerk.“ (Vensky 2010. Vgl. auch Osteroth 2004, S. 8, 172ff., und Schwanzar 2008) Ein Modell des Werkes war bereits im Februar 1938 auf der Automobilausstellung in Berlin gezeigt worden.3