Literarisches Büro II (polizeiliche Überwachung)

Wandel zum Überwachungsorgan – Büroleiter Cölln

In den Folgejahren entwickelte sich das Büro wohl primär zum Organ der polizeilichen Überwachung, so dass es Serviceaufgaben für Staatskanzleramt und Polizeiministerium erfüllte.1

Büroleiter Cölln

Abb.: Titelseiten von pressegeschichtlichen Lehrbriefen aus der DDR (insbesondere Bialowons 1976), die die preußische Kommunikationspolitik behandeln.

Bürochef Friedrich von Cölln war gewiss kein Unbekannter, im Gegenteil: Vor allem zwischen 1806 und 1809 galt er als einer der bekanntesten deutschen Publizisten, seine Schriften fanden weite Verbreitung. Der ehrgeizige2 Cölln (1766-1820) arbeitete zunächst als preußischer Beamter, der aber seine Reformvorschläge zur Verwaltung öffentlich diskutieren wollte – übrigens schon vor dem Zusammenbruch Preußens 1806. Dazu gab er sogar eine eigene Zeitung heraus, den Preußischen Staatsanzeiger. Nach 1806 intensivierte er seine medialen Bemühungen, die zunehmend auch einen patriotischen Anstrich bekamen. Mehrere publizistische Projekte, schließlich konspirativer Art, aber auch Verhaftungen durch die Franzosen, Verurteilung zu drei Jahren Festungshaft, Amtsenthebung und Flucht folgten.3

1811 wurde er „auf Veranlassung von Hardenberg rehabilitiert, dem er dafür Spitzeldienste leistete“, heißt es in einer DDR-Darstellung (Bialowons 1976, S. 180). Letzteres dürfte so falsch nicht sein, wenn man die spätere Entwicklung des Literarischen Büros zu einem auch oder vorrangig pressepolizeilichen Organ berücksichtigt. Bevor er allerdings in das Büro eintrat, gab von Cölln ab 1813 die Neuen Fakkeln heraus, in denen er die Gewalttaten der französischen Armee schilderte und das napoleonische System diskreditierte.4

Autor(en): T.L.P.ST.

Anmerkungen

1 Vgl. Hofmeister-Hunger 1994, S. 372f.; Obenaus 1995, S. 517; Kunczik 2002, S. 104.
2 Cölln wird in Bialowons 1976, S. 179, unter Verweis auf spezielle Studien über ihn, auch als „geltungsbedürftig“ bezeichnet. Als heutiger Betrachter fragt man sich aber unwillkürlich, ob ein bundesdeutscher Beamter diese publizistischen Freiheiten eingeräumt bekäme, die sich Cölln im damaligen Preußen nahm. Allerdings ging seine spätere (zeitweilige) Ausschaltung als Beamter nicht nur auf die Franzosen zurück, sondern auch auf die preußischen Behörden.
3 Vgl. die ausführliche Darstellung über Cölln in Bialowons 1976, S. 151f. und 178-191 sowie 211-218.
4 Vgl. Bialowons 1976, S. 213-218.