Der Wiener Kongress, die Karlsbader Beschlüsse und die Freiheit

(Der Wiener Kongress: kommunikationspolitische Dimensionen und Folgen I)

Zwischen Restauration und Hoffnung auf Freiheiten

Abb.: Titelblatt der historischen Längsschnittuntersuchung von Publizistik- und Zeitungswissenschaftler Erich Everth 1931, Professor und Institutsleiter in Leipzig.

Der Wiener Kongress-Leiter Metternich kann auch als eine Art „Chef-Kommunikationspolitiker“ der Ära nach Napoleon bezeichnet werden. Metternich ahmte Napoleon viel nach, gerade was die negativ-repressiven Formen der Öffentlichkeitsbeeinflussung und -kontrolle betrifft. Allerdings ist auf die unterschiedlichen Verhältnisse aufmerksam zu machen, um die Angemessenheit des jeweiligen Vorgehens zu bewerten:

Jedenfalls waren auch die negativen Methoden bei (Napoleon – T.L.) zum guten Teil aus der Schwierigkeit und Unsicherheit seiner Lage zu verstehen und unter solchen Umständen immerhin weniger peinlich als etwa bei Metternich, der ihm diese Künste später nachmachte, dessen Staat aber keine Revolution gehabt hatte und dessen Angst vor Gefährdung der Dynastie durch Ansteckung von Frankreich her so wenig begründet war. Gegen den ‚guten‘ Kaiser Franz wurden keine Attentate unternommen, Napoleon dagegen hatte ernsten Anlass, um sein Leben besorgt zu sein (…). Die amtliche Stellung Metternichs aber hing, ebenso wie die Bismarcks, lediglich von seinem Fürsten, gar nicht von dem Urteil der Bevölkerung ab, sie beide konnten leicht gegen persönliches Lob der Presse gleichgültig sein und waren doch beide gegen ihren Tadel sehr empfindlich.

(Everth 1931, S. 418)

Abb.: Erste Seite der deutschen Bundesakte von 1815. Quelle: Bertelsmann Lexikon Verlag Gütersloh / Wikimedia Commons, Public Domain.

Die Deutsche Bundesakte – am 8. Juni 1815 während des Wiener Kongresses verabschiedet – versprach allen Einzelstaaten mit Artikel 13 vergleichsweise unverbindlich landesständische Verfassungen, Artikel 18 kündigte Verfügungen über Pressefreiheit an.

Publizistische Initiativen und Zensoren

Abb.: Ernst Moritz Arndt, mit Unterschrift. Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Doch Zeitung machen blieb ein schwieriges Geschäft und hing dabei auch von den jeweils handelnden (und insbesondere zensierenden) Personen ab. Selbst ein liberaler Staatskanzler kam dabei nicht immer gegen übereifrige Zensoren an. Dies musste auch Ernst Moritz Arndt erfahren, der gemeinsam mit Friedrich Lange ab Januar 1815 das Tageblatt der Geschichte als Fortsetzung des Preußischen Correspondenten herausgab.

Auf Bitten Langes hatte damals Staatskanzler Hardenberg sogar den besonders ängstlichen, kleinlichen und reaktionären Zensor Renfner angewiesen, ‚die bestehenden Z(C)ensurgesetze auf das Tagesblatt der Geschichte mit so vieler Liberalität als möglich anzuwenden (…)‘. Doch der beklagte sich wieder beim Kanzler: ‚Aber Hr. Lange und seine Mitarbeiter (…) überschreiten öfters alle Grenzen der Mäßigung und der Bedachtsamkeit (…)‘. Renfner lehnt verschiedene Schriften Arndts für die Zeitschrift ab oder beurteilt sie abfällig, damit sie nicht ‚in die Hände ungelehrter oder gar unbefugter Leser fallen und ohnfehlbar zu Missverständnissen und Missdeutungen Anlass (…)‘ geben.
Am 30. Dezember 1815 erschien die letzte Nummer, wie Czygan vermutet, wahrscheinlich durch Renfner veranlasst, der durch den neuen Leiter der Zensurbehörde, Polizeiminister Wittgenstein, ‚dem ihm unbequemen Blatte ein schnelles Ende bereiten‘ konnte.

(Bialowons 1976, S. 174f, der dabei Czygan, II, S. 153f. und 145, zitiert)

Heilige Allianz gegen den Fortschritt

Nach dem Wiener Kongress fanden sich Preußen, Österreich und Russland mit der Heiligen Allianz allerdings zu einem antirevolutionären und christlich-patriarchalischen Bündnis zusammen, das Reformbemühungen bald abebben ließ und schließlich zu einer konservativ-restaurativen Phase nach dem Wiener Kongress führte.1

Die Wiedereinführung der Zensur ging auf die Karlsbader Beschlüsse von 1819 zurück. Diese waren das Ergebnis der Karlsbader Ministerialkonferenzen im August 1819. Dabei hatten die einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund über Maßnahmen zur Beobachtung und Bekämpfung liberaler und den Einzelstaaten zuwiderlaufenden nationalen Neigungen beraten. Die Zensur der Presse und die Überwachung der Universitäten zählten zu den Hauptbeschlüssen.2

Autor(en): T.L.P.ST.

Anmerkungen

1 Vgl. Bundeszentrale 1992, S. 294; Hofmeister-Hunger 1994, S. 330.
2 Vgl. Bundeszentrale 1992, S. 295; Lönnecker 2011, Abs. 1-3.