Ausbau und Konsolidierung in der Weimarer Republik
Umorganisation und Ausbau 1919 bis 1921
Kurz nachdem die Heimatdienst-Zentrale einen Platz im neuen Regierungssystem gefunden hatte, lebte die bekannte Auseinandersetzung über eine „zweckmäßige Gestaltung des gesamten Propagandawesens der Reichsregierung“ (Richter 1963, S. 37) wieder auf.1 Von den verschiedenen, im Rahmen dieser Diskussion besprochenen Plänen wurde letztendlich der vom Leiter der Behörde, Dr. Strahl, entworfene Vorschlag angenommen, welcher eine Eingliederung der Reste der militärischen Propagandastellen in die Zentrale für Heimatdienst vorsah.
Mit der Übernahme von großen Beständen an Bild- und Lichtmaterialien sowie der graphischen Abteilung der Militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes in die Reichszentrale wurde die Herausgabe von eigenen Propagandamaterialien für die RfH technisch überhaupt erst ermöglicht. Die Übernahme der Aufklärungsabteilungen des Demobilisationsamtes brachte zudem 60 Außenstellen im Reich dazu, welche den Grundstock für die späteren Landesabteilungen bildeten.2
Die Umorganisation war bis April 1919 im Wesentlichen abgeschlossen und die ZfH hatte ihre bleibende Struktur erhalten. Den formalen Abschluss fand die Umgestaltung erst während der Tagung der Nationalversammlung in Weimar am 16. August 1919. Unter Leitung des Reichskanzlers fand eine Sitzung statt, in welcher die Umorganisation der Reichszentrale von der Regierung anerkannt und sanktioniert wurde.3 Als Mittelbehörde war die Zentrale dem Pressechef als Beamten der Reichskanzlei unterstellt und erhielt ihre finanziellen Mittel aus dem Etat des Auswärtigen Amtes.4
Die Reichszentrale erreichte in der Zeit von 1921 bis 1929 nicht nur ihren personellen Höchststand von 300 Mitarbeitern, sondern hatte durch eine Reihe von Aktionen für die Reichsregierung, v. a. in der Ausführung der Bestimmungen des Versailler Vertrages, so z. B. der Entwaffnung, auch einen hohen Einfluss. Die enge Bindung an die Reichsregierung führte aber zunächst dazu, dass die RfH weniger überparteiliche politische Bildung betrieb, als vielmehr als Propagandastelle der Reichsregierung fungierte.
Erst die Krise der RfH infolge des Kapp-Putsches, als die Zentrale zögerlich reagierte5, brachte eine Umkehrung dieser Verhältnisse. Im Sommer 1921 wurde durch einen Reichstagsbeschluss die inhaltliche Arbeit der RfH umrissen und durch die Einrichtung eines parlamentarischen Beirats eine Kontrollinstanz geschaffen. Am 5. Juli 1921 formulierte der Reichstag in seiner Entschließung:
Die Reichszentrale für Heimatdienst dient der sachlichen Aufklärung über außenpolitische, wirtschaftspolitische, soziale und kulturelle Fragen, und zwar nicht im Geiste einzelner Parteien, sondern vom Standpunkte des Staatsganzen.
(Zit. nach Wippermann 1976, S. 236 und 475)
Von dieser Zeit an konzentrierte sich die Arbeit in der Reichszentrale auf die sachliche und methodische Entwicklung der politischen Bildung.6 Allerdings hat sie das nicht davor bewahrt, hin und wieder auch in den Folgenjahren der Einseitigkeit im Sinne der jeweils herrschenden Regierung bezichtigt zu werden.7
Die Zeit der Konsolidierung 1921-1929
Mit dem Reichstagsbeschluss vom Sommer 1921 war die Reichszentrale zwar in ihrem Fortbestehen gesichert und die Krise überwunden. Gleichzeitig zeigte sich aber, dass die RfH den Höhepunkt ihres Einflusses überschritten hatte und in der Folge in Stagnation verfiel.
Erst Mitte des Jahres 1922 wurden wieder konkrete Arbeitspläne mit den thematischen Schwerpunkten Aufklärung über den Versailler Vertrag, Einführung in die Reichsverfassung oder Überblick über die wirtschaftliche Lage aufgestellt. Der Einmarsch der Franzosen und Belgier in das Ruhrgebiet bescherte der Reichszentrale eine neue große Aufgabe und abermals Propagandaaufträge für die Reichsregierung.8 Die von der RfH organisierte Versammlung am 14. Januar 1923 vor dem Reichstag lockte etwa 200.000 Teilnehmer an und war laut Dr. Strahl die erste politische Massenversammlung in Deutschland überhaupt.9
In den folgenden Jahren wandelte sich die methodische Arbeit der RfH weg von spektakulären Aktionen hin zu einer systematischen, vielfältigen Kleinarbeit. So weist der Tätigkeitsbericht für das Etatjahr 1924 unter anderem 252 Wochenend-Tagungen, 16.500 Einzelvorträge und eine durchschnittliche Auflage der eigenen Publikationen von 30.000 Exemplaren auf.10
Am 1. April 1927 wurde die Reichszentrale für Heimatdienst der Reichskanzlei angegliedert. Ein Jahr später, im März 1928, feierte die RfH ihr 10-jähriges Bestehen. Die Glückwunschnoten aus dem ganzen Reich – u. a. von Reichspräsident Hindenburg – belegen, dass die Reichszentrale sich allgemeiner Anerkennung und Wertschätzung erfreute.
Nachdem die drohende Auflösung Anfang der 1920er überwunden worden war, gelang es der Reichszentrale, sich in den Jahren 1921 bis 1929 als anerkannte Reichsbehörde zu etablieren. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Arbeit mehr und mehr den Charakter überparteilicher Bildung bekam und die verschiedenen Aufgabenbereiche aufeinander abgestimmt wurden.
Anmerkungen
1 Die Gründe für das Aufflammen der Diskussion waren unterschiedlich: Zum einen stellte sich die Frage, wie mit den Propagandastellen der Kriegszeit bzw. den Nachfolgeorganisationen verfahren werden sollte. Zum anderen erforderte die Papierknappheit, alle Reichsausgaben für Propaganda auf Wirtschaftlichkeit zu prüfen. (R.H.)
3 Es kann vermutet werden, dass in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung der Behörde von Zentralstelle in Reichszentrale geändert wurde. Richter 1963 schreibt für die Zeit nach 1919 alternierend von ZfH oder RfH. Laut Wippermann (1976, S. 28) erfolgte die Umbenennung nach der Etablierung der republikanischen Reichsregierung, um die Behörde als Reichsbehörde zu kennzeichnen. (R.H.)
5 Ausführlich dazu: Richter 1963, S. 43, und Wippermann 1976, S. 142ff.
7 Vgl. z. B. Wippermann 1976, S. 310-314. Auch Kunczik 1997, S. 170.
8 Ausführlich dazu: Wippermann 1976, S. 210ff. Wippermann kennzeichnet den Ruhrkampf als die „eigentliche Bewährungsprobe“ der RfH.
9 Nach Richter 1963, S. 50. Gemeint ist wohl die erste politische Massenversammlung, die von einer staatlichen Behörde organisiert wurde und nicht Repräsentations- oder Huldigungszwecke erfüllte. Letztere Veranstaltungen gab es selbstverständlich auch schon früher. (T.L.)