Kommunikative Mechanismen: Marken, Mythen, Medien
Markentechnik
Eine Rolle für die kommunikative Bedeutsamkeit von Automobilindustrie und Rennsport spielte auch, dass hier bereits zu Zeiten der Weimarer Republik und dann in der NS-Zeit Methoden der Markentechnik angewandt wurden. Dies wirkte sich nicht nur auf die Produkte (also das Fahrgerät) und ihre Präsentation aus, sondern auch auf die Rennfahrer. Die Piloten „sollten vor allen Dingen die Markenimages ihrer Arbeitgeber verkörpern, um die Liebhaber des automobilen Lebensstils an ihre Marke zu binden. Die Konzerne versuchten, die Bildung werkstreuer Images“ durch öffentliche Aussagen der Fahrer zu „steuern.“ (Day 2004, S. 218)
Mythifizierung durch massenmediale Techniken
Techniken der Entwirklichung
Marken können auch zum Mythos werden. Die Glorifizierung der Rennsportler zu Ausnahmemenschen, zum Mythos war seinerzeit aber nicht primär auf strategisches, von Unternehmen ausgehendem Brand Management zurückzuführen, sondern vor allem Ergebnis (damals neuartiger) massenmedialer Techniken der Entwirklichung. Diese Inszenierungsmöglichkeiten erreichten „vor allem durch die technologische Entwicklung von Foto- und Filmkameras eine neue Dimension“. Sie verkoppelten sich aber mit traditionell wirkenden mythischen Konstellationen wie den Sieger-Verlierer-Figuren. (Day 2004, S. 25. Vgl. auch S. 158-160)
Allerdings fanden die neuen Möglichkeiten visueller Kommunikation auch Anwendung in der Unternehmens- und Organisationskommunikation. Rennsportfilme, finanziert von NS-Verbänden und Autoindustrie, kombinierten Dokumentarität eines dynamischen Geschehens mit dramaturgischen Effekten, die man aus Spielfilmen kennt, und wirkten damit als „emotionales Kraftwerk“ (Day 2004, S. 29. Vgl. auch S. 33).
Kreation und Distribution von Begriffen und Schlagworten
Begriffe und Schlagworte dienen ebenfalls der kommerziellen Markenbildung, politischen Beeinflussung und Mobilisierung sowie der Mythenbildung. Goebbels werden solche Schlagworte und Losungen wie „Kraftfahrt ist Leben“, „Kraft durch Freude – Freude durch Kraftfahrt“, „Kraft und Kraftfahrt: Zeichen des Deutschen Reiches, Wille des Führers und Tat des deutschen Menschen“ zugeschrieben (Kirchberg 1984, S. 12).
Die wirkungsmächtigsten Begriffe für den Rennsport und ihre Geräte wurden aber gerade nicht von den „damaligen Experten in den PR-Abteilungen von Mercedes und Auto Union (…) erfunden“, auch nicht von den „NS-Autoverbände(n)“ oder dem „Propagandaministerium“. Vielmehr spielten markante Züge im Aussehen der Fahrzeuge und zufällige Anstöße, die teilweise durch die Beteiligten in Schöpfungsmythen publizistisch kanonisiert wurden, sowie die Phantasie von Journalisten – speziell von Radioreportern, die Visuelles in Hörbares umsetzen mussten – und des Volksmundes die entscheidende Rolle. Dadurch entstanden im Laufe der Zeit überaus bekannte Begriffe und Konstrukte (Day 2004, S. 7-9), die freilich „intermedial“ – also in Verflechtung gedruckter und filmischer Kommunikations- und Werbeformen sowie unter gegenseitiger inhaltlicher und ästhetischer Bezugnahme bzw. Nachahmung – potenziert wurden.1
Spätestens 1937 hatten sich die „Silberpfeile“ als „verbale Beschreibung einer geschossartigen Beschleunigungsästhetik“ medial etabliert. Trotz dieses populären Gattungsbegriffes gab es auch Versuche einzelner Akteure, verbal mehr Alleinstellung zu erzielen: Auto-Union-Fahrer Stuck „versuchte sogar, den von ihm pilotierten Wagen als ‚silbernen Hans‘ begrifflich zu requirieren“. (Day 2004, S. 7-9)
Mythifizierung durch medial vermittelte tragische Ereignisse
Tragische Ereignisse – als Unfälle im Rennsport wahrscheinlicher als in anderen Tätigkeitsbereichen – können die Mythifizierung befördern. Als der Publikumsliebling Bernd Rosemeyer am 28. Januar 1938 bei einem Rekordversuch auf der Reichsautobahn „von einer Seitenbö erfasst wurde und umkam“, löste das eine „Schockwelle in der Öffentlichkeit“ und „Massentrauer“ aus“. „Der Tod Rosemeyers war eine Attraktion, die von der NS-Kulturindustrie konsequent ausgewertet wurde.“ Dabei ähnelten die „Rituale“ um den toten Rennfahrer der „posthumen Verkultung von Prinzessin Diana 1997“. (Day 2004, S. 243-245. Vgl. auch Kirchberg 1984, S. 120-128)Eine Mythifizierung von Person (bereits zu Lebzeiten begonnen) und Anlass (Deutung des Unglücks als „Eigenmächtigkeit des Schicksals im Fortschrittskrieg gegen die Natur“, S. 245) zahlt aber nicht zwangsläufig auf Unternehmens- und Produktmarke ein – zunächst eher im Gegenteil. Vor allem eine filmisch-inszenierte, stürmisch-theatralische Version des Vorfalls in der Ufa-Wochenschau vom 2. Februar 1938 brachte dem Autokonzern „massive(n) Vorwürfe(n) des Publikums“ ein. Entgegen der Absichten der Filmemacher nährte die künstlerisch-mediale Darstellung den Verdacht, das Unternehmen habe den „Tod fahrlässig verschuldet“.
Für die Auto Union, die ihr Markenzeichen so eng mit Rosemeyers Image verschmolzen hatte, stand das öffentliche Ansehen auf dem Spiel.
(Day 2004, S. 246-250)
Durch richtigstellende und erklärende Kommunikationsarbeit des Unternehmens – vor allem über das Händlernetz gegenüber den Kunden –, regulierende Eingriffe des Propagandaministerium und die gesamtnationale, mediale „Trauerarbeit“ konnten negative Auswirkungen begrenzt werden. Der Publikums-Hoffnung auf einen „neuen Rosemeyer“ kam die Auto Union entgegen, indem sie einen Nachwuchsfahrer aufbaute. (Day 2004, S. 246-250)