Autoindustrie und Autorennsport in der NS-Zeit I
Autoindustrie und Autorennsport in der NS-Zeit (Teil I von zwei Teilen)
Einführung
Vorbemerkungen
Der Beitrag über die Kommunikation in bzw. von Automobilindustrie und Autorennsport unter den Bedingungen der NS-Diktatur 1933-1945 besteht aufgrund der Materialfülle und Bedeutung für die PR-Geschichte aus zwei Teilen (Teil I und Teil II). Hier beginnt der erste Teil.
Der erste Teil behandelt vor allem die sozio- bzw. wirtschaftshistorischen, politisch-ideologischen und kulturell-medialen Rahmenbedingungen und stellt die Branche sowie ihre Hauptakteure vor.
Im zweiten Teil wird sich auf die konkrete Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Organisation, Instrumente …), vor allem die rennsportbezogene PR, von zwei Autokonzernen, einem Rennveranstalter und einem prominenten Rennfahrer konzentriert. Allerdings treffen wir zur PR von Automobil-Akteuren ohne Rennsport-Bezug auch schon im ersten Teil konkrete Aussagen.
Zur hier behandelten Zeit bzw. Thematik befinden sich an anderer Stelle im PR-Museum weitere Beiträge. Beachten Sie insbesondere unseren Beitrag zur Epoche der NS-Diktatur.
Ausgewählte Unternehmen: Mercedes-Benz, Auto Union, Volkswagen
Unsere Darstellung beruht wesentlich auf einer Dissertation von Uwe Day aus dem Jahre 2004, die ein Jahr später auch als Buch (Day 2005) erschien. Sie beschäftigt sich mit dem Automobilrennsport in der NS-Zeit unter wesentlicher Berücksichtigung kommunikativer Aspekte und konzentriert sich auf die Autokonzerne Mercedes-Benz und Auto Union. Wir haben die Abhandlung hier im PR-Museum um weitere Literatur ergänzt, z.B. eine sehr quellennahe DDR-Publikation von Kirchberg 1984, die allerdings keinen kommunikativ-medialen Schwerpunkt besaß. Day hat auch Kirchberg zitiert und viele dort dokumentierte und weitere Originalquellen der Auto Union ausgewertet.
Als drittes Unternehmen der Autoindustrie nehmen wir die Anfänge von Volkswagen vor 1945 in den Blick. Die Geschichte des Volkswagens bzw. des Volkswagenwerkes in der NS-Zeit ist eng mit Ferdinand Porsche1 und seinem Aufstieg verknüpft. „Im Bündnis mit dem NS-Staat war aus seinem Konstruktionsbüro2 die Brutstätte eines Großunternehmens geworden.“ (Osteroth 2004, S. 214) Deshalb nutzen wir hier als Quelle vor allem Osteroth 2004.
Wir stützen uns ausschließlich auf Sekundärliteratur (ggf. einschließlich darin zitierter Primärquellen). Zu erweiterten und neuen Erkenntnissen anhand von Primärquellen dürfte ein Dissertationsprojekt von Marius Lange an der Freien Universität Berlin führen: „Public Relations in der Weimarer Republik und NS-Diktatur am Beispiel der Automobilindustrie“.3
Die konkrete (vor allem rennsportbezogene) Öffentlichkeitsarbeit der zwei Konzerne Mercedes-Benz und Auto Union behandeln wir im Teil II. Details der Kommunikation von Volkswagen-Anfängen behandeln wir – da der Rennsport darin so gut wie keine Rolle spielt – bereits in Teil I.
Würdigung unserer Hauptquelle und zentraler Befund: Unternehmen betrieben in der NS-Zeit Öffentlichkeitsarbeit
Die Promotionsschrift von Day stellt eine (kultur- und modernisierungs-) theoretisch anregende und faktisch-konkret recherchierte Arbeit dar, die für die Geschichte von Medialisierung bzw. Mediengesellschaft allgemein und speziell von persuasiver Kommunikation einen hohen Erkenntniswert besitzt. Für unsere Zwecke im PR-Museum ist vor allem bedeutsam, dass sich in Diktaturen persuasive Kommunikation nicht in staatlicher und uniformer Propaganda erschöpft. Vielmehr belegt die Dissertationsschrift, dass Unternehmen und Organisationen in der NS-Zeit sehr wohl als identifizierbare Kommunikatoren mit auch eigenen Interessen auftraten – also Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie kommerzielle Werbung betrieben.
Die Arbeit von Day (2004) enthält auch für das Anliegen des PR-Museums relevante Aussagen zur Automobil- und Rennsport-Kommunikation seit dem ersten Autorennen 1894 sowie in der Weimarer Republik (Rennsport und Massenkultur vor 1933, S. 63-84). Daraus bleibt u.a. festzuhalten, dass die Verknüpfung von Sport und Nationalismus sowie die politische Instrumentalisierung des Sportes „als Ort emotional aufgepeitschter Zuschauermassen“ (S. 78) keine Erfindungen des Nationalsozialismus darstellten und seinerzeit auch nicht diktatur-spezifisch waren.
Days Promotion geht auch auf die Zeit nach 1945 ein (bis etwa Ende 1950er-Jahre in der alten BRD; S. 300-311 und S. 316-318, einschließlich DDR S. 311-315) sowie kurz auf die 1960er- bis 1990er-Jahre (S. 318-320). Wir konzentrieren uns – wie Day selber auch – auf die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945, was einige wenige Rückblicke nicht ausschließt. Genauer gesagt, handelt es sich vor allem um die Zeit bis zum Rennschluss bzw. Kriegsbeginn 1939 (vgl. aber S. 212-215). Für die Rennabteilung der Auto Union gilt: „(Z)u Beginn des Jahres 1941 ist jegliche Entwicklungsarbeit eingestellt worden.“ (Kirchberg 1984, S. 165)
Anmerkungen
1 Der heutige Porsche-Mythos beruht auf den Porsche-Sportwagen, die auf eine Rennsportversion des Volkswagens von 1939 zurückgehen. Der so genannte Typ 64 war für ein Rennen von Berlin nach Rom – eine politische Propagandaaktion – entwickelt worden, das aber nie stattfand. Vgl. Osteroth 2004, S. 215, und Vensky 2010.
2 Porsche war ehemaliger Daimler-Konstrukteur, der sich 1930 selbstständig gemacht hatte. Vgl. generell zu Porsche Osteroth 2004.
3 Vgl. https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/institut/arbeitsbereiche/puschner/promotion/doktoranden/Marius_Lange.html (Abruf am 27. November 2018)
Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Bearbeitete Abb.: Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz 1937 (Masarykův okruh). Fotograf: unbekannt. Aus: Magazine Pestrý týden, Vol. 12 (1937), No. 40 (2.10.1937), S. 10. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei)