Fazit: Grundsätzliches Gesellschafts- und PR-Verständnis
Kommunikation hält die moderne, auf Technik beruhende Produktions- und Lebensweise in Schwung
Mörtzschs Wertschätzung und Begeisterung für Technik – auch im Zusammenhang mit PR – lässt sich nicht nur aus seiner beruflichen Herkunft als Techniker erklären, sondern auch aus dem Zeitgeist der 1950er-Jahre: Atomenergie, Luftverkehr, beginnende Raumfahrt etc., auch das Fernsehen – und in Westdeutschland das „Wirtschaftswunder“. Alles schien möglich, alles machbar. Technik erhielt von Mörtzsch (1959, S. 24) eine philosophisch-anthropologische Weihe: „Nur derjenige vermag sich heute im Existenzkampf durchzusetzen, der sich aller modernen technischen Hilfsmittel souverän zu bedienen weiß, und das kann wiederum nur der, der diese technischen Hilfsmittel genau kennt.“ Besonders faszinierte Mörtzsch (1956) an den USA, wie sich Technik im Alltag normaler Menschen (wohl solche der Mittelklasse) etablierte hatte, so in Form von pro Haushalt mehreren hochmodernen Haushalts- und Küchengeräten.
Die auf Technik beruhende und sich – so der Glaube – ständig verbessernde Lebensweise bedürfe aber kommunikativer Antriebe und Vermittlung. Mörtzsch (1956, S. 14) zitierte einen US-Regierungsvertreter zur Rolle der Werbung beim „Geheimnis des steigenden Lebensstandards und der hierauf beruhenden Productivity“, ergänzte danach originär zur PR:
‘Je stärker und zwingender die von der Werbung erweckten Kaufwünsche sind, um so härter wird der Konsument arbeiten, um diese Wünsche befriedigen zu können; um so mehr wird er also kaufen; um so größer werden die Aufträge sein, die der Handel an die Industrie gibt; um so mehr Arbeiter wird die Industrie beschäftigen und umso mehr Löhne zahlen.‘
Dazwischen aber liegen wichtige Aufgaben der Public Relations. Denn nur bei einem festen gegenseitigen Vertrauen lassen sich diese lapidaren, allerdings stark vereinfachenden Leitsätze zu einem praktischen Erfolg führen.
Die Wirtschaft ist davon überzeugt, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Produktionssteigerung und damit indirekt für die Hebung des Lebensstandards darin besteht, weiteste Kreise mit technischen und wirtschaftlichen Problemen vertraut zu machen.(Mörtzsch 1956, S. 14)
Der Film war in den Augen von Mörtzsch das moderne Kommunikationsmittel, das besonders geeignet war, diese Aufgaben zu lösen. Mörtzsch begeisterte, wie die US-amerikanischen Bürger bei dieser konsum- und technikorientierten Daseinsweise „mitspielen“. „In keinem Land der Erde begegnen schriftliche, persönliche oder telefonische Befragungen so viel verblüffender Gutwilligkeit. Sie gehört gewissermaßen zum amerikanischen Way of Life.“ (Mörtzsch 1956, S. 99)
Stiften von Gemeinschaft
Im Unterschied beispielsweise zu Herbert Gross argumentierte Friedrich Mörtzsch nicht explizit politisch, nicht „ideologisch“ im Sinne einer bestimmten Wirtschaftsordnung, der (sozialen) Marktwirtschaft. Die diesbezüglich deutlichste Stelle findet sich im Buch von 1956 auf Seite 152, wo Mörtzsch den „Good Reading Rack Service“, also ein kostenloses Broschürenangebot, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben beschreibt: „Alle diese Bücher verfolgen – da sie verschenkt werden, ist es gar nicht anders zu erwarten – einen bestimmten Zweck: Sie sollen den Arbeiter mit dem System des freien Unternehmertums vertraut machen, ihm seine Vorteile zeigen und gegen dieses System gerichtete Angriffe abwehren, indem sie ehrlich und umfassend das Für und Wider zeigen.“
Betrieblichen Medien schrieb er eine Aufgabe „im Bereich der betrieblichen Sozialpolitik“ zu und zitierte dabei den Sozialpolitiker Ludwig Heyde1: „Der moderne Betrieb (…)“ sei „nicht von Haus aus das, was die Soziologie als Gemeinschaft bezeichnet. ‚Betriebsgemeinschaft‘ ist nicht eine soziale Wirklichkeit, die im Begriff des Betriebes schon mitgegeben wäre, sondern sie ist sozialethische und sozialpolitische Aufgabe, und zwar eine schwierige und vielgestaltige Aufgabe von hohem Rang.“ Durch Human Relations und insbesondere auch den Film müsse „gemeinschaftsbildend“ gewirkt werden (Mörtzsch 1959, S. 25).
Sozialpartnerschaft trotz Meinungsverschiedenheiten
Mörtzschs Sympathie galt dem ‚neuen amerikanischen Managertum‘, das sich um „Gesundheit und Sicherheit ihrer Arbeiter“ kümmere und ihnen „die denkbar höchsten Löhne“ zahle (Mörtzsch 1956, S. 22). In einer solchen, auf „Goodwill“ beruhenden, harmonischen Gesellschaft sollten Auseinandersetzungen möglichst konfliktfrei ausgetragen werden: Verhandeln ist besser als streiken, zitierte er amerikanische Unternehmensstimmen und -publikationen. „Strikes are never in the public interest. Workers lose. Stockholders lose. Consumers lose.“ (Zit. nach: Mörtzsch 1956, S. 16/18 und 22)
Mörtzsch sah generell in einem partnerschaftlichen Verhältnis aller Akteure das Ideal:
Wer die Vereinigten Staaten bereist oder gar in der amerikanischen Industrie gearbeitet hat, wird den Gedanken der ‚partnership‘ im weitesten Sinne des Wortes als stärksten Eindruck mitnehmen; ‚partnership‘ nicht nur auf den Betrieb allein bezogen, sondern genauso auf die Gemeinde, die Staaten wie die USA schlechthin, An der Verbreitung des Leitmotivs: ‚Wir sitzen alle in einem Boot!‘ haben Fach- und Tagespresse, Rundfunk und Fernsehen einen ausschlaggebenden Anteil. Es hat sich zum beherrschenden Gedanken des amerikanischen Wirtschaftssystems entwickelt.
(Mörtzsch 1956, S. 25)
Diese „Partnerschaft“ schließe Meinungsverschiedenheiten und die Darstellung von Positionen, die nicht denen der Unternehmer entsprechen, im betrieblichen Raum ein, wie Mörtzsch mit dem Zitat eines „bekannten Gewerkschaftsführers“ belegen wollte. Zugleich wird dabei die Rolle von Corporate Publishing deutlich:
Es gibt etwa 50 Werkszeitschriften der Elektroindustrie, die durch zahlreiche verschiedene Ortsausgaben eine erhebliche Verstärkung erfahren. Wir begrüßen jeden Schritt, den die Industrie tut, um ihre Betriebsangehörigen zu informieren. Unsere Mitglieder sollen wissen, was die Unternehmensführungen wollen. Je besser sie über die Erfolge und die Schwierigkeiten des Unternehmens unterrichtet sind, desto objektiver können sie sich ihre Meinung bilden. Denn, vergessen Sie nicht, neben den Industriezeitschriften erscheinen auch viele Hunderte von Gewerkschaftsorganen. Und in denen halten wir mit unserer Meinung keineswegs hinter dem Berg. Wenn uns in einer der Werkszeitschriften etwas nicht gefällt, dann werden wir es in unserer eigenen Zeitung kritisieren. Dieser frischfröhliche Meinungsaustausch ist dem Verständnis unserer Mitglieder für alle Fragen der Wirtschaft und nicht zuletzt für die ihres eigenen Lebens nur förderlich.
(Mörtzsch 1956, S. 142)
Anmerkungen
1 Sozialwissenschaftler Heyde (1888-1961), wie Mörtzsch in Dresden geboren, stand dem sozialreformerischen Flügel der Gewerkschaftsbewegung nahe und unterstützte nach 1933 auch wichtige sozialpolitische Ziele der Nationalsozialisten und ihr Prinzip von Führertum und Gefolgschaft (Universität Kiel 1995/2014). Sein einflussreiches Werk „Abriss der Sozialpolitik“ (erstmals 1920) wurde bis in die 1960er-Jahre neu verlegt. Vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Heyde