In den Befreiungskriegen gegen Napoleon

In österreichischen Diensten als Kämpfer gegen die Fremdherrschaft Napoleons

Abb.: Einzug Napoleons an der Spitze seiner Truppen durch das Brandenburger Tor zu Berlin am 27. Oktober 1806, nach der für ihn siegreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt. Gemälde: Charles Meynier, 1810 (1768-1832). Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Die Siege Napoleons über Preußen und das noch zersplitterte Deutschland zeitigten ambivalente Wirkungen: Einerseits erkannten die bisher Mächtigen, dass die Abschüttelung der Fremdherrschaft nach der Niederlage von 1806 und die Wiedererlangung der Souveränität nur über Reformen und eine stärkere Mobilisierung des Volkes möglich sein würde. Dies musste tendenziell Liberalismus und Demokratie begünstigen. Andererseits wuchsen aber auch Militanz und Intoleranz.

Die Fremdherrschaft reißt die Intellektuellen in Deutschland aus ihrer politischen Gleichgültigkeit. Heinrich von Kleist fordert seine Landsleute auf, die Franzosen totzuschlagen. Das aufkeimende Nationalbewusstsein verdrängt den Kosmopolitismus der Berliner Salons, und der aufflammende Hurrapatriotismus richtet sich nicht nur gegen die Franzosen, sondern auch gegen die Juden. Rahels Gäste bleiben nach und nach aus.

(Wunderlich 2001)

Auch Varnhagen entschloss sich, am Krieg gegen Napoleon aktiv teilzunehmen. Nach dem Sieg von Erzherzog Karl über die Franzosen trat er in österreichische Dienste und schloss sich Oberst Fürst Bentheim-Steinfurth an. Dabei wurde er schwer verwundet.

Erfahrungen mit Personen und Plätzen europäischer Politik

Nach seiner Genesung hielt sich Varnhagen u. a. in Wien auf. Hier widmete er sich neuen literarischen und philosophischen Studien, auch verkehrte er in den Salons von Eskeles und von Arnstein. Nach dem Friedensschluss zwischen Österreich und Frankreich ging er 1810 nach Prag, von dort reiste er mit Bentheim – der Varnhagen zu seinem „Adjutanten und Begleiter“ erwählt hatte (Wurzbach 1884, S. 282) – über Wien nach Paris. Hier begegnete er Napoleon und nahm an den Frühstücken bei Metternich teil.

Abb.: Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, 1821. Zeichnung: Woldemar Friedrich von Olivier (1791-1859). Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Im Jahr 1811 lernte er Stein kennen, der ihm Hoffnungen auf eine Anstellung im preußischen Staatsdienst machte. Reichsfreiherr vom Stein, der 1808 sein preußisches Ministeramt aufgeben musste und in Prag Exil vor den Franzosen gefunden hatte, gilt neben von Hardenberg als preußischer Hauptreformer. Er gab Varnhagen ein „Privatissimum über Gegenstände der Staatswirtschaft“ (Varnhagen 1971, Bd. 1, S. 406, auch 408). „Man wird mir zugeben, dass ich durch die Gesprächsbegleitung des Steinschen Studiums einen Kursus über die neuere Zeitgeschichte gemacht, wie er nicht leicht wieder vorkommt!“ (S. 411) Allerdings „bei Erwähnung mancher politischen Bezüge, in dem Urteil über Personen und Schriften, taten sich merkliche Verschiedenheiten der Ansichten“ zwischen beiden Männern hervor.

Mehr als mit meinen mündlichen Äußerungen war Stein mit meinen schriftlichen Aufsätzen zufrieden, in denen ich einen Teil meiner Reisewahrnehmungen niedergelegt hatte. Er trieb mich unaufhörlich zum Schreiben an, zum Schreiben im deutschen Sinn, zum Schreiben gegen die Franzosen. Es könne nicht genug in dieser Art geleistet werden, und der Augenblick, meinte er, wo dergleichen gedruckt werden könne, werde schon kommen.

(Varnhagen 1971, Bd. 1, S. 411-413)

Hoffnungen auf eine Anstellung beim preußischen Staat

Im selben Jahr, 1811, unterzeichnete er seine Beiträge im Morgenblatt für die gebildeten Stände erstmals mit dem Zusatz „von Ense“. Dies tat er – bis zur formellen Verleihung des Titels im Jahr 1826 – ohne offizielle Erlaubnis. Zwar besaß Varnhagen adelige Vorfahren aus dem 12. Jahrhundert, diese hatten jedoch aufgrund ihrer Verbundenheit mit dem Bürgertum keinen Wert mehr auf die Fortführung der Adelsbezeichnung gelegt. Sein Bemühen, den Adelstitel führen zu dürfen, war wirtschaftlich-existenziell bedingt: Wer im Staatsdienst Preußens etwas werden wollte, dem half die Zugehörigkeit zur Adelskaste. Dies galt erst recht im Zuge der Refeudalisierung, der Restaurationsphase nach dem Ende der Befreiungskriege.

Doch zunächst reiste Varnhagen mit Rahel nach Teplitz und Prag in Böhmen und begann mit Goethe zu korrespondieren; die Begeisterung für den Dichter hielt auch in den Folgejahren an. 1812 beurlaubten ihn seine österreichischen Dienstherren und Varnhagen wartete im preußischen Berlin auf eine Anstellung. In dieser Zeit schrieb er an eigenen Werken, arbeitete an Foqués Zeitschrift Die Musen mit und publizierte im Morgenblatt.

Im Dienste der Russen als Kriegspublizist gegen Napoleon

1813 erlebte er den Einmarsch des russischen Vortrupps, der die besiegten Truppen Napoleons verfolgte. Er trat unter Tettenborn als dessen Adjutant in russische Dienste und setzte sich für die Befreiung Hamburgs ein. Auch hier nahm Varnhagen Einfluss auf das Pressewesen und erwarb wichtige Erfahrungen für seinen späteren Einsatz unter Hardenberg: Er gründete und editierte die Zeitungen Aus dem Feldlager sowie Der deutsche Beobachter und veröffentlichte die Geschichte der hamburgischen Begebenheiten während des Frühjahrs 1813.

Tettenborn beteiligte Varnhagen am beschlagnahmten Geld aus dem Überfall auf Bremen, sodass er Rahel heiraten konnte. Die Eheschließung erfolgte im September 1814. Um die Heirat zu ermöglichen, trat Rahel zum Christentum über.1

Über die Kriegs- und Befreiungspublizistik im Verlauf des erzwungenen Rückzuges von Napoleon aus Russland – teilweise gefördert von russischen Befehlshabern, teilweise koordiniert vom preußischen Reformer Stein aus dem russischen Exil – und schließlich während der Befreiungskriege in Deutschland beim preußischen Hauptquartier befindet sich im PR-Museum ein weiterer Beitrag.

Autor(en): P.ST.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Rosenstrauch 2003, S. 9, 20, 47f.; Greiling 1993, S. 31ff., Kuhn 1994, S. 54ff., Wunderlich 2001.