Interne PR von den Anfängen bis zu den 1920er-/30er-Jahren

Interne PR der Siemens AG

Das Zeitalter der Industriellen Revolution führte nicht nur zu erfolgreichen Erfindungen und technischen Erneuerungen, sondern auch zur Herausbildung der so genannten „sozialen Frage“. Mit der Entstehung der Arbeiterbewegung und dem Aufkommen von Gewerkschaften suchten Konzerne wie Siemens nach Mitteln, um der Unzufriedenheit sowie den Aufständen innerhalb der Arbeiterschaft Herr werden zu können. Darüber hinaus musste die Belegschaft als ständig wachsende Teilöffentlichkeit über Ziele und Entwicklungen im Unternehmen unterrichtet werden. Es war die Geburtsstunde typischer Instrumente interner Public Relations.

Werner von Siemens erkannte bereits früh die Bedeutung interner PR-Maßnahmen, um bei seiner Belegschaft ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, einen „Korpsgeist“, entstehen zu lassen. Dieser sollte sich in steter Loyalität seiner Arbeiter zum Unternehmen und somit der Abwendung von Streiks auszahlen. Dieser Unternehmensstil des „liberalen Patriarchalismus“ basierte einerseits auf Fürsorge und persönlicher Präsenz in den Betrieben, andererseits auf Wahrung der Unternehmerautorität (vgl. Zipfel 1997a, S. 251).

Bedingt durch die Firmenexpansion rückte die persönliche Beziehungspflege mit den Mitarbeitern allmählich in den Hintergrund. Die Streikbewegung 1904-1906 führte schließlich zu einer Umorientierung, in der Wilhelm von Siemens die Arbeitnehmer durch eine intensivierte, auf die privaten Lebensverhältnisse bezogene antigewerkschaftliche Sozialpolitik zu binden versuchte. Erste speziell für die betriebliche Sozial- bzw. Wohlfahrtspolitik zuständige Gremien entstanden.

In einer dritten Phase setzte Carl Friedrich von Siemens nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, auch im Hinblick auf veränderte wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bedingungen, auf eine Integration der Arbeiter durch bewusste Sozialpartnerschaft und Kooperation (vgl. Zipfel 1997b, S. 119ff.).

Interne PR der Siemens AG: Instrumente

Abb.: Kabelwerk Westend, erste Fabrik auf dem Gelände der späteren Siemensstadt in Berlin, um 1900. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Zu den typischen Instrumenten interner Public Relations bei Siemens zählten die Mitarbeiterzeitung (damals Werkszeitung, vgl. Zipfel 1997a, S. 251f.) sowie Einrichtungen, die auf Gesundheit, Altersfürsorge sowie Aus- und Weiterbildung bezogen waren. Dazu gehörten u.a. Kantinen, Arztpraxen und Kliniken, Arbeiterwohnungen, Säuglingskrippen und Kindergärten oder Werksschulen. Freizeit- und Kulturangebote, wie die Einrichtung von Lesezimmern, sowie organisierter Betriebssport oder Betriebsausflüge, wurden ins Leben gerufen (vgl. Zipfel 1997b, S. 128ff.; Kunczik 1997, S. 236). 1906 erfolgte die Gründung eines „Unterstützungsvereins“, der sich zum größten „gelben“ oder „wirtschaftsfriedlichen“ Werkverein Deutschlands entwickelte und als Integrationsinstrument die Gefahr von Streiks und Aufruhr im Siemens-Konzern eindämmen sollte.1

Des Weiteren suchte der Konzern durch gezielte Gewinnbeteiligung und ein ausgefeiltes Prämienwesen seine Mitarbeiter zu binden. 1852 wurde eine firmeninterne Krankenversicherung eingeführt. Bereits 1872, 17 Jahre vor der Verabschiedung staatlicher Sozialversicherungsgesetze, gewährte Siemens Pensions-, Witwen- und Waisenrenten (vgl. auch Vogt 2005, S. 17; Kunczik 1997, S. 236). Seit 1908 existierte eine Siemens-Betriebskrankenkasse, die ab 1922 auch Familienangehörigen offenstand. All diese Institutionen waren Vorläufer moderner sozialer Absicherungssysteme und hatten einen wichtigen Anteil bei der Verbesserung der Gesundheits- und Familienfürsorge innerhalb der Siemens-Belegschaft.

Autor(en): J.H.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu auch Bieler 2010, S. 220. Die Farbe „gelb“ soll wohl auf französische Wurzeln zurückgehen, vermutlich im Sinne einer Abgrenzung gegenüber den „roten“ Gewerkschaften. (T.L.)