Externe PR einschl. Pressearbeit im Wandel der Zeiten

Externe Öffentlichkeitsarbeit von Siemens generell im 19. Jahrhundert

Abb.: Siemens Zeigertelegraf aus dem 19 Jhdt. Foto: Denis Apel. Quelle: Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

Zeitlebens schenkte Werner von Siemens dem positiven Image seines Unternehmens große Aufmerksamkeit. In erster Linie sah er sich aber als Erfinder, der es ablehnte, seine Produkte mittels „reclame“ medienwirksam darzustellen. Er war der Meinung, dass „die wirklich nützlichen Dinge ihren Weg und ihre Anerkennung ohnehin finden“. Seine Produkte sollten sich durch Leistung und Erleichterung des Alltags auszeichnen. Dennoch verstand es Werner von Siemens, die Leistungen und Produkte seiner Firma stets ins rechte Licht zu setzen, solange die dafür verwendbaren Maßnahmen seiner Vorstellung von seriösem, öffentlichkeitswirksamem Auftreten entsprachen (vgl. Zipfel 1997b, S. 34f.; Kunczik 1997, S. 232).

Bereits in diesen frühen Jahren der Entwicklung von Public Relations, die zu diesem Zeitpunkt noch Reklame bzw. Propaganda genannt wurde, nutzte Werner von Siemens eine Reihe von Mitteln, um jede Gesellschaftsschicht von seinen Produkten zu begeistern und Finanziers zu gewinnen. Zum festen PR-Repertoire des Unternehmens gehörte es, den Effekt der Vorführung mit dem der Beziehungspflege zu verbinden. Dies setzte das Haus Siemens um, indem es zur Vorstellung neuer Produkte wichtige Vertreter aus Politik und Wirtschaft einlud.

Durch seine Laufbahn als Offizier war es Werner von Siemens zudem möglich, gute Kontakte zum kaiserlichen Hof aufzubauen. Diese Beziehungen sollten das Prestige der Firma erhöhen und zugleich empfahl sich Siemens als kompetenter Ansprechpartner auf dem Gebiet der elektrotechnischen Energie. So stattete er zum Beispiel den kaiserlichen Hof zu Festbällen mit elektrischer Beleuchtung aus (vgl. Zipfel 1997a, S. 245ff.). Ferner bat ihn die Kaiserin regelmäßig, zu ihren Wohltätigkeitsveranstaltungen, technische Neuheiten vorzuführen. Überdies fanden im eigenen Haus Veranstaltungen statt, bei denen u. a. technische Neuerungen im Bereich der Medizin vorgestellt und vorgeführt wurden. Dazu lud Siemens Ärzte und weiteres Fachpublikum ein.

Um die breite Öffentlichkeit von der Notwendigkeit seiner technischen Leistungen und Erfindungen zu überzeugen, installierte der Firmengründer 1880 in mehreren Straßen von Berlin die erste elektrische Straßenbeleuchtung. Werner von Siemens bekam damit große öffentliche Aufmerksamkeit und betrieb gleichzeitig Produktwerbung. Er bezeichnete diese Art von Kommunikation als „Effekt und gleichzeitige Reklame“ (Zipfel 1997b, S. 43).

Als bevorzugtes Instrument dienten Welt- und Fachausstellungen. Diese wurden vom Haus Siemens stets gewissenhaft geplant und vorbereitet. In diesem Rahmen ließen sich fortwährend publikumswirksame Ausstellungsstücke präsentieren. So beförderte der erste elektrische Fahrstuhl auf der 1880 in Mannheim stattfindenden Industrieausstellung 8.000 Besucher auf eine Aussichtsplattform (vgl. Kunczik 1997, S. 235).

Pressearbeit der Siemens AG von den 1880er-Jahren bis zum Ersten Weltkrieg

Abb.: Elektrisch betriebene Zugmaschine im Berliner Technikmuseum. Foto: LoKiLech. Quelle: Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de

Werner von Siemens behielt zeitlebens eine kritische Einstellung zur Presse. Aktivitäten von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren dennoch recht früh zu beobachten: Bereits 1888 entstand ein kleiner PR-Stab um den Physiker Willi Howe. Dieser sammelte Informationen zu technischen und kommerziellen Fragen, Kataloge und Publikationen und erstellte Anregungen für Vorträge, die vom Haus Siemens am Hof und in den eigenen Räumen gehalten wurden. Im Jahr 1899 beschloss der Vorstand, die Pressearbeit zu intensivieren und stellte einen eigenen Pressereferenten ein. Ein „literarisches Büro“ entstand, dessen Leitung am 1. Oktober 1900 dem Schriftsteller Hans Dominik übertragen wurde. Dominik arbeitete seit dem 1. April 1900 für Siemens, verließ das Unternehmen aber schon im Frühsommer 1901 wieder (vgl. Kunczik 1997, S. 232 und S. 242ff.; Bentele/Liebert 2005, S. 234).1

Abb.: Erste Seite eines Rundschreibens vom 8.2.1902. Quelle: Siemens. Aus dem Bestand von G.BE.

1902 wurde eine „Centralstelle“ zur „Konzentration des gesamten Zeitungs-, Annoncen- und Nachrichtenwesens“ – als ein einheitliches, zentrales literarisches Büro unter besonderer Berücksichtigung der Pressearbeit2 – eingerichtet. Am 8. Februar 1902 verkündete ein Siemens-Rundschreiben:

In der Sitzung des Vorstandes vom 31. Januar 1902 ist beschlossen worden, für unser gesamtes deutsches Haus eine einheitliche Centralstelle für das Pressewesen einzurichten und dieses Bureau der Central-Abteilung zu unterstellen.

(zit. nach Dittler o.J., im Orig. „Centralstelle für das Presswesen“)

Eine solche Abteilung, die die Organisationskommunikation des Unternehmen zu bündeln hatte, schien in dieser Zeit aus Siemens-Vorstandssicht angebracht und notwendig zu sein. Zwischen der neuen „Centralstelle“, geleitet von E. Neisser, und dem bereits zwei Jahre früher geschaffenen und weiter bestehenden „literarischen Büro“ ergab sich eine Arbeitsteilung, die Letzterem eine spezifische und nachgeordnete Funktion zuwies:

(…) das Sammeln, Aufbereiten und Weiterleiten von produktbezogenen Informationen und sonstigen technischen Leistungen an die technisch-wissenschaftlichen Fachmedien.

(Dittler o.J.)

Im Lauf der Zeit intensivierten sich die Beziehungen zum Pressewesen – eine notwendige Maßnahme, auch um dem wachsenden Konkurrenzdruck standzuhalten. Nach den Umstrukturierungen von 1903 richtete die Firma Siemens & Halske ein Propagandabüro (eine damals übliche Begrifflichkeit) ein, welches später in Literarisches Büro und vor dem Ersten Weltkrieg in Literarische Abteilung umbenannt wurde (vgl. auch Kunczik 1997, S. 234).3

Externe Presse-Kommunikation im Wandel der Anforderungen des 20. Jahrhunderts

Die externe Presse-Kommunikation veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte sowohl organisatorisch, wie auch inhaltlich stark. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Trennung zwischen zentraler Pressearbeit auf der einen Seite, absatzorientierter Pressearbeit auf der anderen Seite noch selbstverständlich war (vgl. Dittler o.J.), beginnt sich schon in den 1920er-Jahren die Einsicht in die Notwendigkeit durchzusetzen, dass die Außendarstellung des Unternehmens konsistent sein muss und „der gesamte Verkehr mit Redaktionen […] ausschliesslich durch das Pressebureau […] erfolgen muss“ (Bekanntmachung der Unternehmensleitung, zit. nach Dittler o.J.).

Noch stärker wird diese Notwendigkeit nach der Wiederaufbauphase der Bundesrepublik Deutschland gesehen, also in den sechziger Jahren, als Verkäufermärkte sich zu Käufermärkten entwickelten. Gerd Tacke, von 1968 bis 1971 Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, wird von Dittler, d.h. vom jetzigen „Historical Institute“ des Unternehmens, mit der Erkenntnis zitiert, „daß (sic) die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens eines Tages aus einem Guß (sic) werde sein müssen“ (zit. nach Dittler o.J.). Die Gründung einer „Zentralstelle für Information“ (ZI) gab die organisatorische Antwort auf diese Einsicht. Mit der ZI wird erstmals eine „zentrale Anlauf- und Auskunftsstelle etabliert, die Medienvertreter und Interessenten aus dem Kreis der allgemeinen Öffentlichkeit mit produktbezogenen, technischen und wirtschaftlichen Informationen über das Gesamtunternehmen versorgt“ (Dittler o.J.).

Ausblick auf kommunikative Veränderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Die Digitalisierung der gesellschaftlichen Kommunikation und die damit einhergehenden Veränderungen in der Struktur und Herstellung von Öffentlichkeit haben seit den 2000er-Jahren dazu geführt, dass auch größere Veränderungen in der Unternehmenskommunikation zu beobachten waren und sind. Dazu gehört im Zuge einer Fokussierung und stärkeren Integration der Unternehmenskommunikation auch die organisatorische Aufhebung von externer und interner Kommunikation (vgl. Santen 2015) und die Entwicklung von Newsrooms seit etwa 2015.

Bei Siemens gingen eine Fokussierung, eine Individualisierung und eine Erhöhung der Geschwindigkeit der Unternehmenskommunikation, gleichzeitig eine größere Flexibilisierung (die agile Kommunikationsabteilung in einem agileren Unternehmen) mit dieser Entwicklung einher. Clarissa Haller, die gegenwärtige Leiterin der Siemens-Kommunikation, stellt 2019 als stärkste Veränderungen des Siemens-Newsrooms während der letzten Jahre eine größere Vielfalt und eine höhere Internationalisierung der Siemens-Unternehmenskommunikation heraus. Gleichzeitig führt die Entwicklung der Instrumente (z.B. „Trello“ als Tool) zum besseren und flexibleren Einsatz solcher Instrumente bei der strategischen Planung, aber auch beim Controlling. „Echtzeit-Controlling“ könnte das Stichwort dafür sein. Vgl. Haller 2019.

 

Autor(en): J.H.G.BE.T.L.

Anmerkungen

1 Hans Dominik (1872-1945) vereinte Fachkenntnisse der Elektrotechnik (er hatte diese und Maschinenbau studiert) und als Schriftsteller die Fähigkeit, technische Sachverhalte verständlich und populär, eben „literarisch“, auszudrücken. Dominik war im Laufe seines Lebens für mehrere Elektrofirmen tätig, ab 1. April 1900 für Siemens & Halske. Dominik zog bald aber die Freiberuflichkeit als Schriftsteller technischer und utopischer Romane vor, aus der heraus er aber weiterhin Auftragsarbeiten für Elektrounternehmen ausführte (Kunczik 1997, S. 243f.; Bieler 2010, S. 215). Eine Kurzbiografie von Hans Dominik u. a. bei: http://www.mdr.de/geschichte-mitteldeutschlands/reise/personen/artikel12284.html

2 Zu dieser Organisationslösung siehe auch Bieler 2010, S. 215f. und 219f. Dort wird aus Vorstandsprotokollen zitiert. Vgl. auch Dittler o.J.

3 Bezüglich der Pressearbeit sind im Laufe der Zeit bei Siemens durchaus unterschiedliche Organisationslösungen zu verzeichnen, wie z. B. das Jahr 1913 zeigt (vgl. Bieler 2010, S. 217f. und 221).