Rourkela der 1950er-Jahre: Punktuelle PR einzelner Akteure

Einzelunternehmerische PR mit fachlich-technischem Fokus

Anfänglich wurden besondere PR-Strukturen für das Rourkela-Projekt nicht als notwendig erachtet. Dies wurde sogar noch dadurch bestätigt, dass das Echo in der sich seinerzeit vor allem interessierenden westdeutschen Wirtschaftspresse1 noch bis 1958 hinein positiv-euphorisch war. Dass sich aber die Berichterstattung generell – in Westdeutschland wie in Indien – „von frühem Enthusiasmus über Industrieaufträge und technischen Fortschritt“ hin zur „Erörterung zeitgenössischer Probleme im Rahmen des Projekts“ (Tetzlaff 2018, S. 202f.) und zwar in der allgemeinen Publikumspresse verändern würde, war nicht vorgesehen und so nicht erwartet worden. Insgesamt zeigte sich die PR als sehr zersplittert und punktuell.

Abb.: Auszüge aus von Friedeburg 1987 und 1987a. Ungewöhnlich ist das eingelegte zusätzliche Blatt, welches auf Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beitrags-Autor von Friedeburg und den Sammelband-Herausgebern hindeutet. In: Bürger, Joachim H.; Joliet, Hans (1987) (Hg.): Die besten Kampagnen: Öffentlichkeitsarbeit. Bd. 1. Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie. S. 115-119 und gedrucktes Einlegeblatt.

Dass einzelne deutsche Firmen, die am Rourkela-Projekt beteiligt waren, das Vorhaben in ihrer Unternehmens-PR thematisiert haben, ist anzunehmen und mindestens von der Demag auch bekannt. Der damalige Pressechef der Demag, Friedrich von Friedeburg (1987, S. 116-118), nahm für sich in Anspruch, das mit einer Rourkela-„Langfristkampagne“ von 1958 bis 1961 sogar sehr systematisch getan zu haben. Dies wurde aber primär von Deutschland aus geleistet2 und hatte einen Schwerpunkt im technisch-fachlichen Bereich, so mittels „technische(r) Abhandlungen für die indische Fachpresse über Hüttenwerkskunde“. Zwar gab es über mehrere Jahre eine „Zusammenarbeit mit der indischen Fach- und (! – T.L.) Tagespresse“ sowie „Berichte an die Tagespresse über das Leben und Wirken zum praktischen Training nach Deutschland entsandter indischer Ingenieure und Techniker“3. Bezogen auf Rourkela selbst spielten sozial-kulturelle Fassetten bzw. der „menschliche Faktor“ aber eine eher geringe Rolle, wie der folgenden Themenaufzählung zu entnehmen ist:

Der Nutzen der indischen Industrialisierung, Technischer Fortschritt durch Stahl, Verwendung einheimischer Bodenschätze für die Industrialisierung, Stahlverarbeitung zu Gebrauchsgütern. Vom Stahlblock zum Qualitätsblech, Breitbandstraße: Mittelpunkt des Walzwerkes, Stahlstadt Rourkela, Tatsachen über Rourkela. Die Bedeutung von Stahl für die indische Industrie, Deutsch-Indische Zusammenarbeit.

(von Friedeburg 1987, S. 116)

Bestimmte Projekt-Akteure mit fallweiser und verteidigender PR

Auch das Rourkela-Konsortium, also die „Indien-Gemeinschaft Krupp-Demag GmbH“, hat nicht auf PR-Maßnahmen verzichtet. Sie gab eigene Stellungnahmen ab, so am 4. März 1958 ein „Memorandum über die Erstellung des Hüttenwerkes Rourkela/Indien“, in dem auch auf Anwürfe eingegangen und Schadensbegrenzung versucht wurde. So hieß es zum „Wettlauf“ mit dem sowjetischen Projekt: Rourkela und Bhilai ließen sich nicht vergleichen, „denn ein totalitärer Staat wie Russland kann nach politischen Erwägungen über Menschen und Material verfügen und braucht auf Preise und Kosten keine Rücksicht zu nehmen“ (Zitiert nach Unger 2008, S. 375).

Der Repräsentant der Indien-Gemeinschaft Krupp-Demag GmbH in Neu Delhi von 1956 bis 1961, Wolfgang Kaupisch, war als vormaliger „Wirtschaftsattaché“ (bis 1956) im diplomatischen Dienst außenpolitisch durchaus qualifiziert und zudem wohl der „Einfädler“ des gesamten Geschäftes.4 Für unser Thema vor allem relevant ist aber, dass er als früherer Rundfunkjournalist auch medienerfahren war.5 Eher für, als gegen seine medial-kommunikative Kompetenz spricht, dass er dem Spiegel (1960, S. 28) sagte: „Wir (… im Vergleich zum sowjetischen Projekt – T.L.) haben so ziemlich alle Fehler gemacht, die zu machen waren.“

Die vor Ort tätige indische Gesellschaft „Hindustan Steel Limited“ (HSL) richtete erst „nach mancherlei Ärger mit den drei großen englisch-sprachigen Zeitungen in Calcutta“ eine „Presseabteilung“ ein, „aber sie brachte leider auch nicht den erwünschten Erfolg“ (Sperling 1965, S. 212).

Die deutschen Baustellen „von sich aus“ rangen sich dazu durch, „die indischen Zeitungen mit Material zu versorgen“, aber „(e)rst als sich 1959 die vereinzelten Angriffe eines be-stimmten Teils der indischen Presse zu einer massiven Dauerkampagne auswuchsen“. „Später wurde ein indischer Journalist als Public-Relations-Berater eingestellt (…)“. (Sperling 1965, S. 213)

Auch das German Social Centre Rourkela (GSC), also die Verwaltung des deutschen Camps, trat – mehr notgedrungen aufgrund der schlechten Berichterstattung über die deutschen Monteure und ihre Gewohnheiten – als PR-Akteur, auf. „Der tatkräftige Rourkela-Sheriff Sperling bemüht sich seit einiger Zeit aus eigenem Antrieb, die indische Öffentlichkeit über die guten deutschen Leistungen in Indien zu informieren. Nach endlosem Palaver bewilligten ihm die deutschen Baufirmen, die in Rourkela einen Auftrag im Wert von einer Milliarde Rupien ausführen, dafür einen Monatsetat von 1500 Rupien.“ (Spiegel 1960, S. 33)

Kommunikative Aktivitäten von Staat und Verbänden

Staatliche Aktivitäten

Nicht unwichtig für die Beurteilung der PR-Lage des Rourkela-Vorhabens ist, dass auch staatliche Akteure der BRD und deren Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter – zwangsläufig bis proaktiv – Beiträge zur Rourkela-Kommunikation leisteten. So beispielsweise anlässlich des Treffens „zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem indischen Premierminister Jawaharlal Nehru beim indischen Staatsbesuch in Deutschland 1956“, als – auch unter Beteiligung von Wirtschaftsvertretern6 – das Rourkela-Projekt diskutiert wurde.

Verbandsaktivitäten

Weitet man den Blick vom konkreten Projekt, dem Stahlwerk Rourkela, auf die gesamte westdeutsch-indische Wirtschaftskooperation in den 1950ern aus, lassen sich sehr wohl – aber punktuell – zentral gesteuerte Aktionen erkennen, die auch PR-Maßnahmen waren.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) „entwickelte (…) ein großes Interesse an Entwicklungsländern. (…) Zunächst zeigte sich dieses gestiegene Interesse der verfassten deutschen Wirtschaft an der Goodwill-Reise einer größeren und personell hochkarätigen BDI-Delegation7 im Frühjahr 1956, die unter anderem auch nach Indien und Pakistan führte.“ (Tetzlaff 2018, S. 197)

Im Februar 1957 kam es „unter der Beteiligung des BDI und anderer Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zur Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Ihre Aufgabe war es, die Meinungsbildung innerhalb der deutschen Wirtschaft anzustoßen und als neuer Stichwortgeber für die deutsche Politik zu agieren. Dies war aber nur der Ausgangspunkt für weitere institutionelle und thematische Veränderungen innerhalb der verfassten deutschen Wirtschaft in den 1960ern und frühen 1970ern.“ (Tetzlaff 2018, S. 198. Kursiv im Original)8

 

 

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Die deutsche Wirtschaftspresse titelte z. B. wie folgt: „Hüttenwerk für Indien“, Wirtschaftsdienst 37, 4, 1957, S. 234ff. (…) Das Werk Rourkela – ein Beispiel industrieller Gemeinschaftsleistung, Blech 11, Sonderdruck, November 1958“. (Zitiert nach Tetzlaff 2018, S. 202)

2 „Das alles lief nicht über den Fernschreiber, sondern erreichte Indien per normaler Luftpost. Die indischen Redakteure, deren Deutschland-Korrespondenten wir praktisch waren, wussten den Wert der mit reichlichem Bildmaterial und Quotations der indischen Techniker angereicherten Informationen wohl zu schätzen.“ (von Friedeburg 1987, S. 116)

3 „Dabei wurden auch Detailarbeiten nicht gescheut. Bis in die Lokalzeitungen der Städte, aus denen die indischen Trainees kamen, erstreckte sich der Meldefluss.“ (von Friedeburg 1987, S. 116)

4 „Im (…) zweiten (Fünfjahresplan) gedachte (… Nehru) seinem Land als Basis für eine eigene Verarbeitungsindustrie eigene Stahlwerke zu erstellen. (BRD-) Wirtschaftsattaché Dr. Kaupisch fragte nun bei den Indern an, ob sie es aufgrund der Schwierigkeiten mit den .Japanern nicht mit einer ‚starken deutschen Gruppe‘ versuchen wollten. Zwar hatte Kaupisch für seine Initiative keinerlei Auftrag, aber die Inder zeigten Interesse.“ (Spiegel 1960, S. 28f.)

5 Dr. Wolfgang Kaupisch (vermutlich 1915-2010) hatte – sofern keine Namensgleichheit vorliegt – 1941 über „Die Anzeige in der Fachzeitschrift“ promoviert. Nach dem Krieg war er als Hörfunkjournalist bei Radio Frankfurt bzw. dem Hessischen Rundfunk tätig und dort Leiter des Wirtschaftsfunks. 1962 ging er zur International Bank for Reconstruction and Development in Washington: „Wolfgang Kaupisch, from Germany, has been with the Department of Operations-Western Hemisphere since April 11. Mr. Kaupisch was with the German Foreign Service as First Secretary to the Embassy in New Delhi from 1952-55 and from 1955-56 was Counsellor for Economic Affairs at the Embassy in The Hague. He left Government Service in 1956 and was Resident Director in New Delhi for Krupp-Demag from 1956-61 concerned principally with the Rourkela steel mill. In 1961 he became a consultant to the German Government and worked in Dar-es-Salaam as Advisor to the Tanganyika Government.” (http://documents1.worldbank.org/curated/en/273711468914481070/text/619140NEWS0Ban00BOX309621B005-01-62.txt )

6 Der Vorstandssprecher und später Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Hermann-Josef Abs, „nahm (…) an der Diskussion um das Rourkela-Projekt teil. Als Vorstandssprecher wusste Abs über den gesamten Ablauf des Rourkela-Geschäfts Bescheid und setzte sich auch für seine Umsetzung ein. (…) Abs war so detailliert über Rourkela in Kenntnis gesetzt, weil die Deutsche Bank als vermittelndes, kreditfinanzierendes Institut maßgeblich an der tatsächlichen Abwicklung des Rourkela-Geschäfts beteiligt war und auch andere Aspekte der Exportabsicherung beeinflusste. Am anderen Ende stand die Beschäftigung von Abs mit der finanz- und wirtschaftspolitischen Entwicklung Indiens und deutschen Privatinvestitionen vor Ort.“ (Tetzlaff 2018, S. 200)

7 „Neben BDI-Präsidium und -Mitarbeitern nahmen auch mehrere Unternehmensinhaber an der Reise teil, z. B. Otto Wolff von Amerongen als Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.“ (Tetzlaff 2018, S. 197 Fußnote)

8 „Aufbauend auf einer 10 Jahre währenden Diskussion über Investitionsklima und -schutz in Indien gründete der BDI Anfang der 1970er Jahre einen Ausschuss zur Förderung der indisch-deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.“ (Tetzlaff 2018, S. 198)