Bedürfnisse wecken

Bedürfnisse wecken und öffentliche Demonstrations-Projekte schaffen

Bedürfnisse erkennen und Bedürfnisse schaffen, ist das Geheimnis alles ökonomischen Handelns

(Walther Rathenau)1

Abb.: Werbung der Deutschen Edison Gesellschaft 1884. Quelle: Wikimedia Commons (vermutlich gemeinfrei).

Die Geschichte der AEG und ihrer Kommunikationsarbeit ist untrennbar mit Emil Rathenau (1838-1915) verbunden. Der spätere Firmengründer erarbeitete sich schon 1880 erste PR-Lorbeeren, als er der schleppenden Einführung des Telefons in Berlin einen Schub versetzte: „Es gelang ihm, zehn Teilnehmer zu gewinnen, so dass 1881 das erste Berliner Fernsprechamt seinen Dienst aufnehmen konnte, obwohl das Publikum dem amerikanischen Schwindel ablehnend gegenüberstand.“ (Kunczik 1997, S. 237)

Diese Erfahrungen halfen ihm bei der Bedarfserweckung für die Segnungen des elektrischen Lichts. Rathenau ging hier aktiver und öffentlichkeitsbewusster vor als Werner Siemens mit Siemens & Halske.2 So gründete Rathenau 1882 eine „Studiengesellschaft“, um zunächst einmal den geistigen Boden für die neue Beleuchtungstechnologie zu schaffen und Werbung für sie zu betreiben. Finanziell ging er bewusst Risiken ein, um auch (zunächst) ohne zahlende Auftraggeber Demonstrationsprojekte vorfinanzieren zu können – was auch Kritik auf sich zog.

Denn schon vor der Firmengründung entwickelte Rathenau innovative Projekte, um öffentliche Wahrnehmung zu erlangen: Die eigenen Produkte und Anlagen sollten als Demonstrationsobjekte sowohl für den technologischen Fortschritt als auch für die bald gegründete Firma sprechen.

Abb.: Turbinen in einem Wasserkraftwerk, um 1911. Foto: Hallvard Straume. Quelle: Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Die Kommunikationssituation der AEG hatte einerseits viele Gemeinsamkeiten mit der von Siemens: beide gehörten der jungen, innovativen Elektrobranche an. Andererseits trat die AEG später als Siemens in Markt und Öffentlichkeit ein. Verkörperte Siemens & Halske seit 1847 den grundsätzlichen technologischen Wandel (Elektrizität) und hatte zunächst eine monopolartige Stellung, so stand die AEG ab den 1880ern für den „Wandel im Wandel“ und die größere Alltagsrelevanz: War Siemens mit der zunächst dominierenden Schwachstromtechnik („Telegraphie, Eisenbahnsicherungswesen, elektrische Messgeräte usw.“) groß geworden, so baute AEG auf die Starkstromtechnik („z. B. Beleuchtungsinstallationen, Krafterzeugungs- und Kraftübertragungsanlagen sowie Elektromotoren“). Rathenaus AEG musste also gewissermaßen an zwei Fronten kämpfen: Wie für Siemens galt es immer noch, über die Basistechnologie aufzuklären und grundsätzlichen Vorbehalten entgegenzutreten (elektrisches versus Gas-Licht usw.). Zugleich musste gegen Siemens (und die von Siemens bereits überzeugten – insbesondere staatlich-behördlichen – Institutionen, wie Post oder Eisenbahn) die Überlegenheit und Breitenrelevanz der Starkstromtechnologie kommuniziert werden.3

Autor(en): A.RI.T.L.

Anmerkungen

1 Zitat von Walther Rathenau, dem Sohn des Firmengründers. Zit. nach Zipfel 1997, S. 143, Fußnote 9.

2 Zu den unterschiedlichen Persönlichkeiten Siemens und Rathenau: Zipfel, Astrid (1997) in Szyszka, Peter (Hrsg.) (1997): Auf der Suche nach Identität. PR-Geschichte als Theoriebaustein. Berlin: Vistas. S. 243.

3 Zipfel in Szyszka 1997, S. 244.