PR in Bezug zur Werbung (= erster Entwicklungsstrang): Institutionelle Werbung

„Institutionelle Werbung“ als Öffentlichkeitsarbeit für die hinter dem Produkt stehende Unternehmung

Abb.: Viktor Mataja (1857–1934). Quelle: Österreichische Nationalbibliothek, Inventarnummer Pf 945:B (1), bildarchivaustria.at / Wikimedia Commons (Public Domain).

Der Österreicher Mataja in der dritten Auflage seines Standardwerkes zur Reklame 1920 erläuterte – am Beispiel des wirtschafts- und werbegeschichtlichen Innovationscharakters des Gutes „Buch“ –, dass historisch bereits frühzeitig neben die reine Produkt-Werbung auch „institutionelle Reklame“ trat. Denn das Buch sei „so sehr auf öffentliche Wertschätzung“ angewiesen. Mataja erkannte als Konsequenz, „dass nicht allein Gewinnabsichten, sondern auch Wünsche nach Ansehen und Ruhm zur Ergatterung allgemeiner Beachtung drängen. Außer der Werbung für ein bestimmtes Buch kommt deshalb daneben auch eine Art institutioneller Reklame (! – T. L.) hinzu, die nicht einzelnen Werken, sondern der Person des Schriftstellers überhaupt gilt.“ (Mataja 1920, S. 296f.)

Mataja verwies bezüglich der „institutionellen Reklame“ ausdrücklich auch auf den Teil seines Werbefachbuches, wo er faktisch Öffentlichkeitsarbeit beschrieb. Dort heißt es: Es hebe sich eine „Reklame heraus, die nicht auf Anempfehlung oder Verkauf bestimmter Waren gerichtet ist, sondern nur im Allgemeinen die Leistungen, Bedeutung, Größe eines Unternehmens vor Augen führen“ wolle. Und weiter:

Im klassischen Lande der Reklame, in Nordamerika, wird mehrfach dieser Seite des Gegenstandes als sog. institutional advertising, das zur Pflege der Stimmung, zur Erhebung des Verständnisses und als Stütze des Ansehens bei der Bevölkerung für eine Einrichtung wirkt, auf vielen Seiten großer und in Zukunft wachsende Bedeutung beigemessen, wenngleich es auch dort noch als etwas Neues gilt. Man nennt daher auch das Ankündigungswesen den Pressedienst der Geschäftsunternehmungen, schreibt ihm die Aufgabe und die Fähigkeit zu, der Bevölkerung das Wesen der Industrie und die Beschaffenheit der Einrichtung zu verdeutlichen, die hinter den dargebotenen Gütern steht.

(Mataja 1920, S. 64f.)1

„Institutionelle Werbung“ (und Pressearbeit) als Öffentlichkeitsarbeit für organisierte Interessen auf allen Tätigkeitsfeldern

Höherer Organisationsgrad – mehr Organisationskommunikation

Institutionelle Werbung – oder modern formuliert: Organisationskommunikation – musste in der Zwischenkriegszeit auch und gerade in Deutschland und Europa an Bedeutung zunehmen, weil die moderne, auf Industrialisierung und Technisierung beruhende Massengesellschaft einen neuen, höheren Organisationsgrad erreichte. Als Katalysator dafür hatte der Erste Weltkrieg gewirkt.

Die kriegsbedingte Durchorganisierung und Verbürokratisierung der Gesellschaft verlieh der bereits im deutschen Kaiserreich vorangeschrittenen Organisiertheit der Interessen einen kräftigen Schub, der sich nun auch begünstigt durch die freieren, demokratischen Verhältnisse der Weimarer Republik in allen menschlichen Tätigkeitsbereichen auswirken konnte. „Deutschland ist seit Kriegsbeginn das Land der Organisationen geworden“, schrieb ein niedersächsischer Journalist 1921. Und weiter, dabei eine Potenzierung von organisationeller Pressearbeit feststellend:

Seitdem nun die berühmten Kriegsorganisationen langsam nacheinander ins Grab sinken, entstehen zahlreiche neue Organisationen privater Natur, die sich allmählich schon bis zu den Organisationen der Organisationen durchorganisiert haben.“ Mit den kommunikativen Folgen: „Jede dieser Organisationen hat naturgemäß ihren Zweck, und damit jeder erfährt, welchen Zweck jede Organisation hat, werden nicht nur Berge von bald gedruckten, bald mit der Schreibmaschine vervielfältigten, mehr oder minder langen Notizen in die Zeitungen zum gefälligen Abdruck gesandt (…).

(T. 1921, Bl. 3)

Noch ätzender formulierte Kurt Tucholsky 1920:

Diese Pressestellen haben sich nach dem Krieg karnickelhaft vermehrt und eine Armee von kriegs- und lebensuntauglichen Schreibern, von Brillenmenschen, von Registratoren, von Schmöcken und Bureaubeamten ergoss sich stellenlos über Deutschland, hatte keine Arbeit und machte sich welche (…) Jedes Theater, jedes Amt und jedes Bataillon uniformierter Nichtstuer hat eine Pressestelle. Die Pressestelle wird entweder von einem Journalisten oder einem ansonsten arbeitslosen Offizier kommandiert. Sie besteht aus je zwei Schreibmaschinen, acht Tippfräuleins, zwei Journalisten, einem Registrator – und sie gründet sich auf die Angst vor der Presse.

(Tucholsky 1920/1990, S. 211. Zit. nach Bentele/Liebert 2005, S. 226)

Vom Produkt zur Organisation

Innerhalb der Ziel- und Aufgabenvielfalt von Kommunikation kommerzieller oder organisationeller Akteure verschoben sich die Gewichte von der traditionell und nach wie vor wichtigen (eher kurzfristigen) Unterstützung von Produktabsatz bzw. Leistungserfüllung in Richtung einer (eher längerfristigen) Legitimierung und Positionierung des Unternehmens bzw. der Organisation an sich.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 In seinem Buch unterschied Mataja auch zwischen den Berufsrollen des „Preßleiters“ (bzw. „Preßagenten“) und des „Werbeleiters“. „Der Preßagent (…) ist ein Reklameleiter eigener Art, er soll die Presse mit Nachrichten bedienen, deren Verbreitung im Vorteil der Unternehmung oder des Auftraggebers gelegen ist, für den er wirkt; je mehr zeitungsmäßigen Wert die Nachrichten haben, umso leichter sind sie anzubringen, umso weniger bedarf es sonstiger Nachhilfe.“ (S. 199)