PR im Verhältnis zum Journalismus (= zweiter Entwicklungsstrang): PR als öffentliche Kommunikation von Organisationen

Pressearbeit liefert öffentlich Bedeutsames und damit journalistisch Relevantes aus Unternehmen und Organisationen

Zwar reichen Traditionen wirtschaftlicher Pressearbeit weit zurück, aber spätestens in der Weimarer Republik wurde sie nicht mehr primär als verurteilungswürdiges Unterlaufen der Trennung von redaktionellem und Anzeigen-Teil angesehen. Auch Unternehmen, Verbände etc. generieren Informationen, die durchaus journalistisch relevant sein können und also in den redaktionellen Teil gehören. Dass diese Konstellation nicht nur Erkenntnis trocken-akademischer Analyse darstellt, sondern auch von damaligen Zeitgenossen realiter-praktisch erfahren wurde, zeigt folgende plastische Schilderung aus dem Jahr 1928:

Abb.: Warenhaus Althoff Leipzig, mittlerer Lichthof (1914). Aus: Heinz Hermann: Warenhaus Theodor Althoff Leipzig. Oscar Brandstetter, Leipzig [1914], S. [5] (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek, Sign.: I L 623a). Urheber unbekannt. Quelle: Wikimedia Commons, Attribution-Share Alike 4.0 International license https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Die Zeitung habe – so argumentierte ein Dr. C. – mit dem redaktionellen Teil gewisse Aufgaben übernommen, …

(…) darunter auch die, ihrem Leserkreis interessante, aktuelle Neuigkeiten mitzuteilen. Das große Warenhaus mit seinen Hunderten von Angestellten und Zehntausenden von Kunden, die große Unternehmung mit ihren Tausenden von Männern und Frauen, die bei ihr Arbeit und Brot finden, sie sind heute keine private Sache mehr. Was bei ihnen vorgeht, beschäftigt auch eine breite Öffentlichkeit. Der neue Leseraum im Warenhaus, der Kinoumbau durch einen ersten Architekten, das neue Verfahren der chemischen Fabrik, die Wohlfahrtseinrichtung der Maschinenfabrik sind für den Leser der Zeitung mindestens so interessant wie das erste Schneeglöckchen im Stadtgarten oder der letzte Wochenbericht der Kriminalpolizei.

Von Nachrichten dieser Art werden die Redaktionen des Feuilletons, des lokalen, wirtschaftlichen, technischen Teils gern Gebrauch machen, nach eigenem freien Ermessen, ohne jede Beeinflussung durch den Anzeigenteil. Sie befriedigen damit das Neuigkeitsbedürfnis ihrer Leser. Und der Werbefachmann wird bei dieser indirekten Werbung auch nicht schlecht fahren. Trägt sie doch dazu bei, Neues von dem Unternehmen, dass aus dem Anzeigenteil genügend bekannt ist, zu vermitteln.

(ZW 1928/4, S. 60, zit. nach Liebert 2003, S. 97)

Journalismus entwickelte auch Bedürfnis nach PR

Damit ist faktisch die Medienresonanz unternehmerischer („Warenhaus“ etc.) und behördlicher („Stadtgarten“ etc.) Pressearbeit beschrieben, wenn auch hier kategorial-systematisch als Ergebnis „indirekter Werbung“.

Solcherart Informationen mit öffentlicher Relevanz werden aber von Journalisten auch bewusst nachgefragt, so dass die Einrichtung und Arbeit von Pressestellen als Service, als technische Hilfe für Journalisten bzw. als „Kompliment an die Presse“ verstanden werden müsse. Allerdings sei die Entscheidung wirtschaftlicher Akteure, mit einer Pressestelle „den Nachrichtenhunger der Zeitungen zu befriedigen, (…) nur dadurch ausgelöst, dass diese Befriedigung nicht zu seinem Nachteil erfolgt“ (Müller-Jabusch 1930, Bl. 1).

Autor(en): T.L.