PR im Verhältnis zum Journalismus (= zweiter Entwicklungsstrang): Verschränkung öffentlicher und privater Interessen

Aus (seriöser) „Reklame im redaktionellen Teil“ entwickelte sich auch (seriöse) Pressearbeit von Unternehmen

Die andere Seite der Medaille, und damit der dritte Begleitprozess, besteht darin, dass sich der einst einfache, bipolare Gegensatz von öffentlichen und privaten Interessen im Laufe der Herausbildung einer industrialisierten Massen- und zugleich Wettbewerbsgesellschaft zu einer komplexeren Verschränkung mannigfaltiger Interessen weiterentwickelt.

Aus diesen realen Interessensverflechtungen erwuchsen auch Impulse für eine seriöse bzw. legitime Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit von Unternehmen – vgl. dazu auch den Beitrag zur Geschichte des Instruments „Pressemitteilung“ im PR-Museum).

Wirtschaft und Unternehmen wurden zur öffentlichen Angelegenheit

Abb.: Erich Everth im mittlerem Alter. Aus: Universitätsarchiv Leipzig, N00695. Quelle: Wikimedia Commons (Public Domain).

Eine solche Verschränkung von öffentlich-gesellschaftlichen und privat-partialen Interessen war im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem Deutschlands in der Zeit der Weimarer Republik zweifellos gegeben.

Zeitungs- und Publizistikwissenschaftler Erich Everth reflektierte, dass sich die „Grenzen zwischen privater und öffentlicher Sphäre“ historisch verändert hatten und heute „gleitend“ seien.

Dass die Wirtschaft versuche, …

(…) private Interessen für allgemeine und öffentliche auszugeben“, geschehe „nicht immer zu Unrecht“. „So kann ein privatwirtschaftlicher Betrieb oder Konzern mit zunehmendem Umfang auch an relativer Öffentlichkeit gewinnen und schließlich so groß werden, dass er beinahe überwiegend zur öffentlichen Angelegenheit wird, indem seine Wirkungen auf andre, Angestellte und Arbeiter, Lieferanten und Kunden, so umfassend, vielfältig und bedeutend werden, dass der Charakter des Privatbesitzes dahinter fast zurücktritt. In solchen Fällen hat die Presse sorgfältig abzuwägen und nach bester Überzeugung den weiteren Interessen mehr Raum und Recht zu geben als den Sonderwünschen, bei gleicher Wichtigkeit des Inhalts natürlich, denn es kann auch ein ernstes und dringliches Anliegen eines engen Kreises einem nebensächlichen oder gleichgültigen Interesse vieler anderer gegenüberstehen.

(Everth 1928, S. 7 und 9)

Autor(en): T.L.