PR im Verhältnis zum Journalismus (= zweiter Entwicklungsstrang): Redaktioneller vs. Anzeigen-Teil

„Reklame im redaktionellen Teil“ unterlief Trennungsgebot

Abb.: Werbeanzeige der Frankfurter Adlerwerke von 1907. Aus: Führer von Frankfurt, Hg. Verkehrsverein Frankfurt am Main; Bartetzko, Hoffmann, Junker, Schmidt-Linsenhoff: Wie Frankfurt fotografiert wurde. 1850-1914. München 1977. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Spätestens zwei bis drei Jahrzehnte vor der Weimarer Zeit war kommunikationshistorisch die strukturelle Kopplung zwischen tatsachenorientiertem, thematisch universellem, tagesaktuellem Journalismus (v.a. als redaktionelle Nachrichten und Berichte) und massenhaft medial verbreiteter Werbung (v.a. als bezahlte und als solche erkennbare Anzeigen in der Zeitung) vollzogen. Die duale Institutionalisierung einerseits von gesamtgesellschaftlichen, gemeinwohlorientierten Informations- und Kommunikationsfunktionen und andererseits von geschäfts- und warenbezogenen Persuasionsbedürfnissen wirtschaftlicher und anderer Einzelakteure in einer Organisationsform, dem modernen Massenmedium (zunächst in Gestalt der Presse), ging einher mit mindestens drei fundamentalen Begleitprozessen:

Erstens führte die organisatorische Kopplung von interessenstheoretisch als gegensätzlich betrachteten Kommunikationsbereichen, also von Journalismus (= Sachwalter öffentlicher, gesamtgesellschaftlicher Interessen) und Werbung (= Distribution privater, geschäftlich-kommerzieller Interessen), inhaltlich zum Trennungsgebot von redaktionellem und Anzeigen-Teil, von Journalismus und Werbung.1

Zweitens wurde dieses normative Axiom von Anfang an aus egoistisch-ökonomischen Gründen, zur Vorteilserlangung aus partialen Interessen heraus, unterlaufen.

„Hineinlancieren“ als fachliches Dauerthema

Dies brachte verschiedene mediale Mischformen hervor, insbesondere die „redaktionelle Reklame“ (anfangs auch als „Textreklamen“ bezeichnet, heute ist wohl „Schleichwerbung“ der gängigste Begriff). Solche Hybridformen wurden bereits von Hermann Wuttke 1866, von Karl Bücher vor dem Ersten Weltkrieg und bald auch von Otto Groth thematisiert und problematisiert. Auch in der Kommunikationsfachpresse der Weimarer Zeit war „redaktionelle Reklame“, das „Hineinlancieren“ von (tatsächlich oder vermeintlich) werblichen Mitteilungen in den redaktionellen Teil, ein Dauerthema:

Die Interessenten stehen dabei auf dem Standpunkt, dass sie den redaktionellen Teil nach Möglichkeit (unentgeltlich – T.L.) für ihre Werbezwecke verwenden möchten. Redaktion und Verlag stehen natürlich umgekehrt zu der Ansicht, dass alle Mitteilungen für Werbezwecke irgendwelcher Art grundsätzlich in den Anzeigenteil fallen.

(Grempe 1919, S. 4)

Interessant ist die Beobachtung, dass die „Teuerungen der Kriegs- und Übergangszeit“ zu Einsparzwängen (und eben sinkenden Werbeeinnahmen) führten, was die Presse zu einer Intensivierung ihres Kampfes gegen die Wirtschaftswünsche nach „redaktioneller Reklame“ zwinge (Grempe 1919, S. 4). Der Verweis auf finanzielle Einbußen der Verlage oder eine häufig ethisch-kritische Betrachtung dieser Hybridisierung (insbesondere als finanzielle Bestechung bzw. „Koppelgeschäfte“) stellen allerdings nur die eine Seite der Medaille dar.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Liebert 2013a.