PR in Bezug zur Werbung (= erster Entwicklungsstrang): Ausweitung von Gegenstand und Methode

Organisations-Kommunikation verlangte Ausweitung der kommunikativen Gegenstände und Methoden

Fortschrittliche Werbefachleute bzw. -autoren erkannten, dass „neben der reinen Produktwerbung“ nunmehr „Ruf und Ansehen des Unternehmens“, „Ausstattung der Werksanlagen (Architektur, Lage, Inneneinrichtung)“, „Arbeitsatmosphäre und Arbeitsbedingungen“, „das Auftreten der Firma in der Öffentlichkeit“ sowie die „innerbetriebliche Organisation“ zu kommunikativen Gegenständen und Wirkungsdimensionen wurden (Lange 2010, S. 21). Dies führte zu einer Ausweitung des Verständnisses, was Werbung zu leisten habe: „Werbung im umfassendsten Sinne ist jede Betriebshandlung, die geeignet ist, das Vorhandensein des Betriebes als der Gesellschaft nützlich darzutun“, formulierte Bruno Fischer 1929 (S. 34) und damit implizit eine zentrale PR-Funktion von heute.

Allerdings konnten sich die zeitgenössischen Autoren nicht der faktischen Kraft und Tradition von (direkter, unmittelbarer) Produkt-Werbung und dem Oberbegriff Werbung entziehen. Deshalb versahen sie die als neu erkannten kommunikativen Gegenstände und Wirkungsdimensionen mit Charakterisierungen wie „passive“ und „unbewusste“ Werbung bzw. sie verlagerten (und entwerteten damit) die innovativen Aspekte auf die bloße Methodenebene, indem sie beispielsweise von „sekundären Werbemitteln“ sprachen.1

Sich veränderndes Mediensystem wirkte sich auch auf die PR aus

Abb.: Hörfunk wird zum neuen Massenmedium. Grundsteinlegung für das neue Funkhaus in Berlin durch den Reichsfunkkommissar Dr. von Bredow im Mai 1929. Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-07834, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Hingegen mussten die zunehmende Rolle und Differenzierung des Mediensystems (und damit auch des Journalismus) eine Emanzipation der Öffentlichkeitsarbeit von der Werbung befördern. Presse- und Medienarbeit als Arbeitsfeld, das Einstellen auf die journalistisch-mediale Logik wurden deutlich wichtiger. Mit der Einführung des Rundfunks ab 1923 begann eine mediale Revolution, auch der Film nahm weiter an Bedeutung zu.

Zwar schienen die Herausforderungen für eine „Hörfunk-PR“, also eine Ausweitung der Pressearbeit auf das neue Medium, eher begrenzt. Für kommerzielle und organisationelle Akteure auf vielen Handlungsfelder war der Funk kein Äquivalent für die Presse. „Von Anfang an trug der Rundfunk – über dem leichten Kleid der Unterhaltung – den Pelz der ‚Kulturverbreitung‘ und Belehrung.“ Ü-Wagen gab es erst ab 1928 und schnellere Nachrichten ersetzten die Zeitung nicht, das Radio blieb weitgehend unpolitisch. (Reus 2000, S. 30)

Wichtiger sind wohl allgemeine mediale Stilveränderungen, die das Radio (und der Film) auch in den Printmedien befördert haben. Diese boten für Presse- und Medienarbeit wie für die gesamte Unternehmens- und Organisationskommunikation neue Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten – die an heutige Diskussionen über Storytelling und Multimedialität erinnern:

Die Zeitungswissenschaftler Ernst Meunier und Hans Jessen sprachen 1931 von einem ‚seelischen Wandel‘ der Presse im ‚Wettbewerb‘ mit ‚neuen Zivilisationserscheinungen‘ wie Film und Funk. Sie erkannten einen neuen ‚Plauderton‘, ein Bemühen um Anschaulichkeit und Erzählung in allen Ressorts. Im Zentrum dieser ‚Feuilletonisierung‘ sahen sie die Reportage. Mit der Funkkritik vergrößerte die Presse zugleich das thematische Spektrum; sie zeigte sich empfänglich und zuständig für massenkulturelle Erscheinungsformen.

(Reus 2000, S. 32)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Lange 2010, S. 20-23, der auf werbefachliche bzw. betriebswirtschaftliche Arbeiten von Richard Kropeit (1926), Georg Scheller (1928) und Bruno Fischer (1929) zurückgreift.