PR als strategische Kommunikation (= dritter Entwicklungsstrang): Propaganda als Management
„Propaganda“ als strategisches Kommunikationsmanagement
Johann Plenge beschrieb Propaganda als – in heutiger Begrifflichkeit reformuliert – persuasiven Typ sozialer Kommunikation, die ein System bildet, das der Herstellung von Öffentlichkeit dient.
Aus der Perspektive der ‚Ausstreuer geistiger Antriebe’ gesehen, begründete Plenge – in heutigen Begriffen gesprochen – die Notwendigkeit eines strategischen Kommunikationsmanagements.1 In das soziale Kräftesystem müsse man „planvoll hineinwirken, die Gegenaktion berücksichtigen, sie wenn möglich in kluger Durchkreuzung dem eigenen Willen dienstbar machen und so einen ganzen Propagandafeldzug mit seinen Wechselfällen und Zwischenspielen durchhalten und gewinnen“. (Plenge 1922, S. 37)
Propaganda im Lebenszyklus einer Organisation
Plenge-Schüler2 griffen den strategisch-systematischen Charakter von Propaganda auf und wandten ihn auf Politik (Holzapfel 1926) und Wirtschaft (Rauthe 1922) an.
Friedrich Holzapfel thematisierte beispielsweise (vgl. S. 3-6) die (unterschiedliche) Rolle von Propaganda innerhalb des Lebenszyklus einer Organisation bzw. im Prozess ihrer Tätigkeit. Damit waren wesentliche Organisations- und zugleich auch Kommunikationsprobleme formuliert, die in heutigen Corporate-Identity- oder Change-Management-Konzepten sowie in der PR-Konzeptionslehre und im Krisenmanagement – wenn auch teilweise in anderen Begriffen und Bezügen – aufgegriffen werden.
Markt- und Organisations-Propaganda von Unternehmen
Bruno Rauthes Ansatz (z.B. S. 26 und 57) ist in Breite und Teilen der inneren Struktur mit heutigen einschlägigen Auffassungen zur integrierten Gesamtkommunikation, die Marktkommunikation (insbesondere Werbung) (= „Marktpropaganda“) sowie Unternehmens- bzw. Organisationskommunikation (externe und interne PR) (= „Organisationspropaganda“) umfasst, durchaus vergleichbar.
Teilfazit zum Propaganda-Verständnis
Ohne sich allzu sehr festzulegen und dem damaligen Begriffsgebrauch mehr Konsequenz zu unterstellen als tatsächlich vorhanden war bzw. ohne Plenges Propagandalehre in ihrer Wirkung zu überschätzen, kann man sagen:
Propaganda bezeichnete in den 1920er-Jahren – neutral bis positiv konnotiert3 – die systematische und strukturierte, konsequente und planmäßige Darstellung von Vorzügen einer Sache oder Idee, war auch im geschäftlichen Bereich üblich, und ein Begriff für eine höhere und komplexere Stufe strategischer werblich-persuasiver Kommunikation auch wirtschaftlicher Aktivitäten bzw. Organisationen, also vor allem von Unternehmen.
Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer neuen Qualitätsstufe schloss in der Regel auch die Überzeugung ein, dass die Kommunikation einer Unternehmung in und mit der Öffentlichkeit im Vergleich zu der ihrer Produkte bzw. Waren eine größere Rolle als früher zu spielen habe (vgl. „institutionelle Werbung“) oder gar gegenüber Öffentlichkeit, der Gesellschaft ihren Schwerpunkt haben zu müssen.
Allerdings waren in der Weimarer Zeit auch andere Begriffsdeutungen und -differenzierungen zu bemerken, die einer späteren Verengung oder Negativ-Stigmatisierung des Propagandaverständnisses Vorschub leisteten.4
Anmerkungen
1 Die Detailliertheit von Plenges Auffassungen, die aus heutiger Sicht oft ungewohnte Begrifflichkeit und das historische Wissen um die spätere Instrumentalisierung dieser Wissensbestände für praktische Propagandazwecke sollten heute nicht davon abhalten, nach wesentlichen Entwicklungslinien zu suchen, die zu heutigen Auffassungen über Öffentlichkeitsarbeit und andere Teilbereiche öffentlicher Kommunikation führen. Vgl. ausführlicher dazu Liebert 2003, S. 106ff.
2 Vgl. Liebert 2003, S. 108ff.
3 Die negative Konnotation, die dem Propaganda-Begriff heute anhaftet, ist vor allem eine Folge der exzessiven und exklusiv-monopolisierten Indienstnahme meinungsbeeinflussender Kommunikation – also der vormaligen, allgemein-pluralistisch gebrauchten Propaganda – durch die NS-Diktatur.