Weimarer Republik II

Weimarer Republik (Teil II von zwei Teilen)

Einführung zum Teil II

Theoriegeschichtliche Vertiefung

Anknüpfung an den ersten Teil der Abhandlung

Wie im Teil I dargestellt, hatte sich im Deutschland der Weimarer Republik eine umfangreiche und mannigfaltige PR-Praxis herausgebildet. Im Teil II wollen wir hier nun die Befundlage des ersten Teils theoretisch-systematisch bzw. reflexionsgeschichtlich vertiefen.

Abb.: Revolution vom November 1918, hier kurz vor der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann in einem Fenster der Reichskanzlei. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-P011502, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Das nachfolgende Lang-Zitat macht zunächst Breite und Tiefe der Herausforderungen deutlich, vor denen nach dem Ersten Weltkrieg Menschen und Organisationen, Wirtschaft und Unternehmen, Staat und Behörden, Parteien und Interessenvereinigungen – sowie ihre jeweilige Kommunikationsarbeit – standen:

Durch den Ersten Weltkrieg verschärften sich Probleme, die schon seit der Französischen und der industriellen Revolution bestanden, sich nun aber umso dringlicher zeigten. Sie betrafen das wirtschaftliche System, die politische Regierungsform und das Bild von Mensch und Gesellschaft – kurzum das gesamte europäische Erbe. Zunächst zur Wirtschaft: Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Organisationsgrad in der Gesellschaft zugenommen. Großunternehmer experimentierten mit neuen Formen des Managements, eine breite Arbeiterbewegung entstand, Wähler wurden in Parteien organisiert und der Staat versuchte mit Hilfe von Gesetzen, die sozialen Beziehungen ansatzweise zu strukturieren. Die Weltkriege verstärkten diese Tendenz, weil sie den darin involvierten Ländern das Äußerste abverlangten. Das Prinzip des freien Marktes wurde in Kriegszeiten völlig aufgehoben, der Staat regulierte die Produktion und Distribution von Waren, um den Krieg durchstehen und die Ernährung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Nach dem Ersten Weltkrieg gaben die meisten Regierungen der Privatinitiative wieder mehr Raum, aber diese Form des Wirtschaftens war nicht mehr so selbstverständlich wie vorher. Das galt auch für die demokratische Regierungsform.

(Altena/van Lente 2009, S. 279)

Vorschau auf die Haupt-Gliederung des zweiten Teils

Abb.: Wahlzettel aus der Weimarer Republik (Reichstagswahl 1928). Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Das damalige Wissen um und die Verständnisse von Öffentlichkeitsarbeit/PR – so der Vorgriff auf unsere nachfolgende Analyse und Rekonstruktion – lässt sich anhand von drei Entwicklungssträngen systematisieren und darstellen: Ein erster Strang ergibt sich aus der Diskussion von Öffentlichkeitsarbeit/PR als „besondere“ Form von Werbung, ein zweiter aus ihrer In-Beziehung-Setzung zum Journalismus und ein dritter aus dem Bewusstsein, sie – begrifflich als „Nachrichtenpolitik“ und „Propaganda“ gefasst – strategischer und systematischer zu gestalten als bisher. Aus Gründen der inhaltlichen Portionierung gibt es zu jedem Entwicklungsstrang drei Kapitel.

In einem abschließenden Kapitel wird sich aus heutiger Sicht unseriösen Praktiken zugewandt, die in der Weimarer Zeit noch eine durchaus nicht unwichtige Rolle gespielt haben.

Genereller Aufschwung kommerzieller und werblich-persuasiver Kommunikation

In den 1920er-Jahren erreichten kommerzielle Werbung und Medienkommunikation eine neue Stufe:

a) Die Anwendung wahrnehmungspsychologischer Methoden und der Markentechnik ging einher damit, „Emotionen und gesellschaftlich-kulturelle Ware als Zusatznutzen anzubieten“ (Day 2004, S. 49). „Verkaufe nicht tragbare Öfen, sondern Bequemlichkeit und Behaglichkeit! (…) Verkaufe nicht Seife, sondern die Schönheit dauernder Jugend.“ (Schöning 1975, S. 158. Zit. nach Day 2004, S. 49)

b) Nach der Etablierung von Massenproduktion und Massenmedien (zunächst als Literatur/Presse, Film …) geriet auch Massenkonsum ins Zentrum alles Sinnens und Trachtens: Der Aufschwung der Werbung war geprägt „von der fordistischen Konsumeuphorie und de(m) Glauben an die planbare Welt des Konsums“. (Day 2004, S. 49, unter Rückgriff auf Westphal 1989)

 

Autor(en): T.L.