Im Literarischen Stab auf dem Wiener Kongress II

Tätigkeiten als Pressearbeiter

Varnhagen nahm im Literarischen Stab von Hardenberg Tätigkeiten wahr, die sich nur wenig von denen eines modernen Pressereferenten unterschieden: Er erstellte kommentierte Pressespiegel, pflegte Kontakt mit Journalisten und lieferte (allerdings teilweise verdeckt) bei anderen Publizisten bestellte Beiträge an die Redaktionen weiter.1 Außerdem schrieb er eigene Artikel für den Deutschen Beobachter, die Allgemeine Zeitung, den Preußischen Correspondenten und andere liberale Blätter.

Hardenberg machte seinen angestellten Schriftstellern im Vorfeld nur wenige eingrenzende Vorgaben zum Inhalt und Umfang ihrer Beiträge. Er erhoffte sich auf diese Weise, dass die Erzeugnisse in ihrer Argumentation besonders originell und glaubwürdig erscheinen würden. Nichtsdestotrotz verlangte der Staatskanzler von den Berliner Zeitungen (und somit auch von deren Zulieferern) eine Orientierung am Österreichischen Beobachter, um – je nach politischer Notwendigkeit – Kooperation oder Auseinandersetzung mit Österreich auch auf pressepolitischer Ebene stattfinden zu lassen.

Kontaktmanagement in Salons und auf Bällen

Abb.: Fürst Klemens Wenzel von Metternich (1773-1859), einer der Protagonisten des Wiener Kongresses. Gemälde: Thomas Lawrence (1769-1830), 1815. Quelle: http://www.royalcollection.org/uk/collection/404948/… / Wikimedia Commons, Public Domain.

Neben seiner Erfahrung und seinem Ruf als einem in der Öffentlichkeit wirksamen Publizisten brachte Varnhagen sein persönliches Beziehungsnetz in die Stabsarbeit mit ein und konnte es zugleich weiter ausbauen. Dabei kam ihm auch das Vertrautsein mit der Salonkultur zugute, denn die „Neuordnung Europas (wurde) nicht nur an den Konferenztischen, sondern auch in den Ballsälen und in den Salons einflussreicher Frauen besprochen“. Die preußischen Kongressdelegierten in Wien waren „besonders häufig bei der Baronin Fanny von Arnstein“ anzutreffen, die enge Bindungen in die Berliner Szene hatte und das – wie man heute sagen würde – Kontaktmanagement der Preußen beim Kongress unterstützte. „In vielen Briefen berichteten die Mitarbeiter Hardenbergs, so vor allem Staegemann und Varnhagen, über das elegante Leben in der Kongressstadt.“ (Wilhelmy-Dollinger 2000, S. 120)2

Staegemann spielt später noch einmal eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der preußischen Staatszeitung.

Hardenberg beauftragte Varnhagen außerdem schon im Dezember 1814 mit der Abfassung einer Geschichte des Wiener Kongresses, um die preußische Version noch vor der französischen Darstellung veröffentlichen zu können. Weiter reiste er mit dem Staatskanzler auch nach Paris und wurde vorübergehend preußischer Diplomat. Obwohl er sich als Schriftsteller und Publizist zwischenzeitlich profiliert hatte, war er immer noch nicht fest angestellt.

Autor(en): P.ST.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Hofmeister-Hunger 1994, S. 281ff.; Kunczik 1997, S. 78.

2 Was zunächst wie eine Nebenbemerkung klingt, nämlich dass Staatskanzler Hardenberg schwerhörig und also in der Salonkommunikation gehandicapt war (Wilhelmy-Dollinger 2000, S. 125), machte die Präsenz seiner Mitarbeiter in den Salons umso wichtiger. Eine weitere Interessantheit am Rande stellt auch dar, dass nicht nur Varnhagens Frau, sondern ebenso die Geheime Staatsrätin Elisabeth von Staegemann (1761-1835) in Berlin einen Salon unterhielt (S. 128). Zu Friedrich August von Staegemann, der an den Stein-Hardenbergschen Reformen mitgewirkt hatte, siehe u. a. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Staegemann