Entwurf für eine Staatszeitung II
Präzisierung des Vorschlags für ein Ministerialblatt
Unmittelbar danach (siehe vorherige Seite), noch „im Frühjahr 1815“, legte Varnhagen mit einer zweiten Fassung, einer Denkschrift „zur Herausgabe eines preußischen Ministerialblattes“ nach. Klar wird darin, dass ihm a) ein oder mehrere Organe vorschwebten, die nur „im Geiste“, aber nicht formell-institutionell Regierungsblätter sein sollten, die b) von der Regierung umfassend und auch mit vertraulichen Informationen beliefert werden sollten und c), dass es sowohl um äußere, außenpolitische als auch innere, innenpolitische Angelegenheiten gehen müsse.
Diese könne die Regierung
nicht dem zufälligen Entstehen überlassen, sie müssen von ihr ausgeh(e)n, Kunde, Verständnis und Übersicht von ihr erhalten. Eine offizielle Zeitung wäre damit zu verbinden, hat aber im Wesen nichts damit gemein. Jene sagt bloß, was die Regierung sagen will, die Ministerialzeitung sagt, was die Regierung gesagt wünscht und selbst ausdrücklich zu sagen doch nicht schicklich findet. Oft ist es g(e)rade an fremden Gegenständen, wo sie mittelbar auf die inner(e)n Angelegenheiten am entschiedensten einwirkt. (…)“ Es müsse „die allgemein bewilligte Preß(sse)freiheit auch selbst einer Ministerialzeitung so weit zustatten kommen (…), dass dieser eine möglichst große Bewegungsfreiheit übrigbleibe und sie als der Freund der Regierung, nicht als deren bloßer Knecht, wodurch ihre Wirkung von selbst aufhören würde, erscheine.
(Varnhagen 1815)
Varnhagen sah ein solches Projekt im Kontext von Medienfreiheit und Parlamentarismus, die auch mannigfaltige „Oppositionsblätter“ zulassen und hervorbringen. „Die Oppositionsblätter sind zum Teil schon jetzt vorhanden, sie entsteh(e)n von selbst, und am wenigsten wird es an ihnen fehlen, wenn erst eine beratschlagende Versammlung von Volksvertretern ihnen Reiz und Bedeutung gibt.“ (Varnhagen 1815)
Zu einer Umsetzung seines Entwurfs kam es jedoch nicht, jedenfalls nicht sofort und nicht direkt. Dass sein Vorschlag nicht unmittelbar umgesetzt wurde, habe Varnhagen sehr enttäuscht, ist bei Kunczik (1993, S. 83) unter Berufung auf einen anderen Autoren zu lesen. Wir folgen hier aber eher Dittmer (1992, S. 72), der die Gründung der Allgemeinen Preußischen Staatszeitung Anfang 1819 als „Realisierung der Varnhagenschen Pläne“ darstellt. Siehe dazu auch an anderer Stelle im PR-Museum.
Varnhagen entfernte sich von der Pressearbeit: seine Tätigkeit als Diplomat währte aber nur kurz
Varnhagen war zwischenzeitlich auf ein anderes berufliches „Gleis“ geraten. Als preußischer Geschäftsträger am badischen Hof in Karlsruhe erhielt er seine erste solide Anstellung. Noch vor den Karlsbader Beschlüssen im August 1819 wurde er jedoch im Juli auf Drängen Metternichs – angesichts ‚pflichtwidriger Verbindungen‘ bzw. im Klartext wegen des Verdachts „demokratischer Neigungen“ (Brockhaus 1994, S. 67) – wieder entlassen.
Er verließ Karlsruhe und kehrte mit Rahel noch 1819 nach Berlin zurück. Im Zuge seiner Ankunft lehnte er das Angebot ab, in Vertretung der Interessen Metternichs wieder in den Staatsdienst einzutreten.1