Unternehmenskultur und Kommunikationsstil

„Understatement“ als Kommunikationsphilosophie

Piwingers PR-Arbeit verkörpert einen erkennbaren Kommunikationsstil, der auch als Ableitung aus einer bestimmten Unternehmenskultur verstanden werden kann. Insbesondere bei Vorwerk verfolgte er den „Anspruch, das Understatement zu pflegen“. Oder, wie es an anderer Stelle in der gleichen Quelle heißt:

Bei Vorwerk findet ‚Pressearbeit so gut wie nicht statt‘, was aber nicht heißt, dass man Informationen zurückhält. Es entspricht dem Selbstverständnis des Unternehmens, nach außen in der Selbstdarstellung eher zurückhaltend zu sein. ‚Mehr sein als scheinen‘ heißt das Credo, dem sich Vorwerk verpflichtet fühlt. Man liebt und lebt das Understatement.

(Reineke/Eisele 1991, S. 135f.)1

Einerseits entspricht diese PR-Philosophie sympathischen Persönlichkeitsmerkmalen von Manfred Piwinger, offen und kein „Lautsprecher“ der Branche zu sein (Christoffel 2016, Griepentrog 2016; Gebel 2011). Andererseits wurde diese durch spezifische Verhältnisse in und Bedürfnisse von Familienunternehmen – vor Vorwerk auch schon in Piwingers vorheriger Arbeitsstätte VOKO – begünstigt.

„Sophisticated“ Kommunikation

Abb.: Die meisten Deutschen verbinden mit der Firma Vorwerk wohl Staubsauger. Hier ein Gerät vom Typ Kobold aus den 1950er-Jahren, fotografiert 2009. Foto: Helfmann at de.wikipedia (https://de.wikipedia.org). Quelle: Wikimedia Commons, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Abgesehen von möglichen, hier nicht weiter zu diskutierenden Spezifika familiengeführter Unternehmen kontrastiert diese „Philosophie“ der Zurückhaltung und Bescheidenheit doch recht deutlich das heute eher geläufige Paradigma des „Je mehr und schnellere Kommunikation, desto besser“ (bzw. des im Sport üblichen „Höher, schneller, weiter“).2

Bei Reineke/Eisele (1991, S. 136) heißt es dann weiter: „Deutlichstes Beispiel hierfür“ sei der Geschäftsbericht, „der am ehesten mit den Worten ‚unspektakulär, aber sophisticated‘ zu beschreiben“ sei. Nun, aus professionaler Medien- und PR-Sicht – aber eben einer „Vermittler-Perspektive“ – waren die Vorwerk-Geschäftsberichte das ganze Gegenteil von „unspektakulär“. Darüber haben wir weiter vorn berichtet. Aber man versteht schon, was gemeint ist: Unternehmen, die sich stetig und stabil entwickeln, also „normal“ erfolgreich und dabei nicht – wie es heute so heißt – besonders „sexy“ sind, haben es eher schwer, über ihre eigentlichen Themen und Anlässe seriöse bzw. intellektuelle Beachtung zu finden und müssen sich also etwas einfallen lassen.

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Weiter heißt es in der Quelle: „Die Fachpressearbeit liegt in den Händen der einzelnen Tochtergesellschaften und wird in der Regel vom Marketing übernommen. Eingegriffen wird nur, wenn gravierende Widersprüche zu dem im Hause festgelegten Stil auftreten.“ (S. 135) Organisatorisch hat dies mit der Holdingstruktur entscheidend zu tun. „Understatement“ bedeutet also offensichtlich auch den Verzicht auf „Überintegration“ bzw. Monopolisierung aller Kommunikation in der PR-Stabsstelle.

2 Vgl. dazu auch seine Einschätzung der Diskussion um das „Web 2.0“ in Gebel 2011.