Einführender Überblick (Fortsetzung)
Wappentier Adler – starke Persönlichkeiten beim Branchenaufbau in einer sich erfolgreich entwickelnden und stabil strukturierenden Gesellschaft und Medienordnung
Mit Weitblick und Kraft eines Adlers: PR-Pionier aus Hamburg
Ein stilisierter Adler in Seitenansicht zierte spätestens seit den 1960er- und bis zu den 1980er-Jahren Briefköpfe und Anzeigen1 der Hamburger Agentur „IP Informationen/Public Relations“.
Anlässlich seines 60. Geburtstages 1982 erklärte Dr. phil. Reiner Schulze van Loon in liebenswürdig-selbstironischer Manier:
Viele aus der Kommunikationsbranche im weitesten Sinne haben mir gesagt: ‚Sie haben einen Vogel‘. Tatsache ist allerdings: Das Emblem meiner Agentur ist ein Adler. Und von ihm sagt ein spanisches Sprichwort: Los gorriones se juntan en bandadas, en tanto que las águilas van solas. Was auf gut Deutsch besagt: Die Spatzen scharen sich in Banden, unterdessen – die Adler gehen allein. Und so sind wir wieder beim Besonderen. (…)
(RSvL 26.8.1982. Vgl. auch: Wernicke, Jutta im Hamburger Abendblatt. 13.9.1982)
Weniger launig, aber um so klarer heißt es in der Fachpresse:
An der ständigen Expansion der IP(-Agentur) konnten auch die Kritiker nichts ändern, die Schulze van Loon elitäres Denken und Handeln vorwerfen und wegen seiner hohen Ansprüche an die PR-Profis die Nase rümpfen. Doch SvL bleibt hart: ‚Zuviel Wildwuchs, zu viele unseriöse PR-Berater haben in den vergangenen Jahren dem Ruf der Branche geschadet. Es ist höchste Zeit, damit aufzuräumen. Die Anforderungen an die PR-Experten sind gestiegen und erfordern ein hohes Maß an Qualifikation.‘
(PR-Magazin 1986/2, S. 1986)
Diese Zitate sagen einiges über die Biografie des Agenturgründers aus.
Er hatte 1955 über ein literaturwissenschaftlich-hispanistisches Thema promoviert und 1958 seine selbstständige Beratertätigkeit begonnen (dazu später mehr). Zeitlebens setzte er sich für eine Verbesserung der PR-Ausbildung ein.
Vor allem aber zeigen sie die große, prägende Rolle von starken Einzel-Persönlichkeiten, von bestimmten Charakteren und Begabungen für die Kommunikationspraxis der frühen Bundesrepublik. Die in der deutschen Tradition schon früher verankerte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (siehe im PR-Museum an anderer Stelle) stieg nun – begünstigt durch stabile Demokratie und erfolgreiche wie soziale Marktwirtschaft sowie US-amerikanische Erfahrungen – zu neuer Größe und Bedeutung auf.
Doyen der Agenturbranche: PR mit Intellekt und Etikette
Was Männer (es waren anfangs in der Tat fast nur Männer) wie Carl Hundhausen und Albert Oeckl (siehe die entsprechenden Beiträge im PR-Museum) für die gesamte PR-Praxis und die in den Unternehmen darstellten, verkörperte ein Dr. Reiner Schulze van Loon in besonderer Weise für die Agentur- und Dienstleisterszene. „Lotse mit eigenen Gesetzen“ (PR-Magazin 1986/2), „PR-Grandseigneur“ (Horizont 21.6.1996), „einer der Pioniere der modernen PR-Branche in Deutschland“ (Die Welt 20.11.2006) und „Doyen der deutschen PR-Branche“ (PR-Report 8.12.2014) lauten einige der ihm zugedachten Kennzeichnungen.
Als „PR-Mann mit großem Latinum“ (PR-Report 8.12.2014) verfolgte Dr. phil. Schulze van Loon einen bildungsbürgerlich-aufklärerischen bzw. intellektuell-philosophischen Anspruch an Auftragskommunikation, bei dem der korrekte Gebrauch der deutschen Sprache eine zentrale Rolle spielte.2 Das verband sich durchaus gut mit Geschäftssinn („der geschäftstüchtige Hanseat“ – PR-Magazin 1986/2, S. 23), was nicht nur die eigene erfolgreiche Agenturentwicklung zeigt. Über sein Bemühen, als GPRA-Mitgründer „dem Markt Struktur und Professionalität zu geben“, und seine GPRA-Präsidentschaft 1979-19873 heißt es:
‘Die Reihen fest geschlossen, die Preise hoch‘ lautete ein Leitspruch, mit dem es ihm gelang, die Truppen hinter sich zu sammeln und einen für jene Zeit neuen Corps-Geist auszubilden.
(PR-Report 8.12.2014)
Ohne Wappentier, aber nicht ohne Strategie(n) – in wechselnden organisatorischen Konstellationen nach ökonomischem Erfolg und Internationalität sowie nach beruflich-persönlicher Erfüllung streben
Mit dem Vorteil der späteren Geburt und kaufmännischer Pragmatik zu neuer Stärke
Die zweite Generation, seit 1989 am Ruder, kam zunächst ohne Wappentier aus. Ganz abgesehen davon, dass „Wappentiere“ oder „Embleme“ aus Reiners Zeit heute wohl eher Logos bzw. Wortmarken heißen.
Reiners Sohn Dietrich gilt als „Pragmatiker“ (Horizont 12.5.2005, S. 14). Zwar sei sein „Werdegang (…) wohl derjenige, der sich am engsten am Vorbild des Vaters orientiert‘, resümiert Carl-Eduard Meyer, Gründer von ‚news aktuell‘“. Aber es sei auch „ein steiniger Weg“ gewesen, „(s)ich von seinem Übervater zu emanzipieren“, ist weiter in einem Fachartikel zu lesen (PR-Report 8.12.2014).
Geerbt hat der Sohn wohl vom Firmengründer seine „offene und ehrliche Art“ und – auch wenn der Vater nur Wahl-Hamburger war – das „stets hanseatisch korrekt(e)“ Auftreten (Horizont 12.5.2005, S. 14. Vgl. auch CSvL Interview).
Der Generationswandel bei inhabergeführten Agenturen spiegelte einen Trend, der sich branchenweit und insbesondere auch in den PR-Abteilungen der Unternehmen bemerkbar machte: Dort (…)
(…) vollzog sich eine Entwicklung, die sich vielleicht am besten mit Begriffen wie Rationalisierung und Entzauberung beschreiben lässt. An die Stelle von PR-Chefs der Siebziger und Achtziger – meist mit journalistischem Background, gewiefte Strippenzieher und wortgewaltige Einflüsterer für ihre Vorstände – traten vielerorts Managertypen. Auch sie mit Gestaltungsanspruch, aber smarter als die barocken Urgesteine. Tools und Prozesse verdrängten dicke Telefonbücher und Rotweinsausen am Kamin. Personenkult wich einem möglichst transparenten und korrekten Auftritt. Diese Kommunikationsmanager neuen Typs wechselten häufiger den Arbeitgeber und die Branche als ihre Vorgänger. Mechaniker statt Haudegen, Kommunikations-Controller statt Bauchmenschen.
(Vesper 2014, S. 12)
Go to Europe! Synergieeffekte durch internationale Aufstellung
Als Dietrich Schulze van Loon die Agentur von seinem Vater Reiner übernahm, war dies eine Zeit, in der die Ost-West-Nachkriegsordnung zusammenbrach und neue europäische sowie globale Chancen eröffnete. Die „alte BRD“ wurde zum wiedervereinigten Deutschland. War der Vater kulturell eher abendländisch-romanistisch geprägt und brach sich – wie der Sohn scherzhaft erinnert (DSvL Interview) – beim Aussprechen des englischen Th-Lautes „die Zunge ab“, versteht sich der Diplom-Kaufmann Dieter Schulze van Loon nicht nur gut auf Zahlen und Management, sondern auch auf Wirtschaftsenglisch (dazu später mehr).
Dies drückte sich in weiterer Internationalisierung und Anpassung an globale Network-Strukturen der Agenturtätigkeit insbesondere in den 1990er-Jahren aus. Kooperationen und Fusionen wurden zu Mitteln, um neue Marktchancen zu nutzen und im härteren Wettbewerb zu bestehen. So kam Anfang der 1990er-Jahre die ehemals väterliche PR-Firma zur französischen Gruppe Euro RSCG. Schulze van Loons Betrieb wurde damit zu einer der „(d)eutschen PR-Agenturen im Netz“, das PR-Magazin 1991/5 (S. 13) verzeichnet acht solcher in Deutschland tätiger internationaler PR-Networks. Ein erneuter Wandel 1996 führte Schulze van Loon mit Kohtes & Klewes – einem einstigen Konkurrenten – zusammen (siehe auch weiter hinten).
Erfolge und Brüche in einer erwachsenen Branche
Agenturen mit dem Inhaber- bzw. Familien-Gen sehen in der Verknüpfung beruflicher und persönlicher Lebensläufe ihre Erfolgs-DNA. Diese Bande können sich nicht nur über die Generationen, sondern auch mit den jeweiligen Lebens(abschnitts)partnern ergeben. Von Ende 2002 bis 2012 betrieb Dieter Schulze van Loon seine Agentur gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin als Molthan van Loon Communications.
Die Erfahrungen der zweiten Generation bestehen aus Erfolgen und Brüchen.
Respekt wird dem Junior (Dietrich) für seine Nehmerqualitäten zuteil. ‚Nach Rückschlägen hat er es immer wieder verstanden, sich neu zu motivieren und neu auszurichten‘, sagt Ursula Reimers. Als sie damals Pressechefin der Agentur Lintas wurde, war Dietrich so etwas wie ihr Mentor. Auch PR-Berater Norbert Essing lobt: ‚Rückschläge waren für ihn Ansporn, und er ist dabei eine anerkennenswerte Persönlichkeit geblieben (…)‘
(PR-Report 8.12.2014 [= Peymani 2014, S. 35f.]).
Auch weil eine solche vielfältige, mehrdimensionale Erfahrungswelt ein Zug der Zeit war, prädestinierte ein solches Kompetenz-Set Dietrich Schulze van Loon zum Präsidenten der GPRA von 2005 bis 2009.4 „Anders als sein Vater habe Dietrich seinen Beitrag in einer ‚erwachsenen‘ Branche geleistet, in der es viel stärker um Öffnung der Disziplinen und um neue Agenturkonzepte gehe, sagt (einer seiner Präsidenten-Nachfolger – T.L.) Kohrs.“ (PR-Report 8.12.2014 [= Peymani 2014, S. 35]).
Wortmarke Orca – intelligente und flexible Teamarbeit unter sich wandelnden Rahmenbedingungen
Integrierte Kommunikation mit „Biss“
Ende 2012 stieß die Agentur von Dietrich Schulze van Loon zur Orca-Gruppe und firmiert seitdem als ORCA van Loon. Orcas – oder Schwertwale – sind als hochintelligente, anpassungsfähige und sozial-koordinierend vorgehende Meeresbewohner bekannt – und als schnelle Schwimmer. Public Relations/Öffentlichkeitsarbeit funktionieren heute erfolgreich nur als integrierte und strategische, zugleich aber flexible und multimediale Kommunikation. Und Informations- und Überzeugungsarbeit „in rauer See“ – unter sich verändernden politischen, wirtschaftlichen und medialen Bedingungen – braucht „Biss“: „Orcas sind Delfine, die Haie fressen“, heißt es auf einer aktuellen Werbe- und Visitenkarte der Kommunikationsberatung.
Zweite und dritte Generation sehen sich gut gerüstet
Reiners Enkel Hendrik zog mit seinem Vater Dietrich 2017 geschäftlich gleich, seit jenem Jahr sitzt die dritte Generation mit an den Schalthebeln. Als studierter und online-affiner Kulturwissenschaftler bringt er die Kenntnisse, Fertigkeiten und lebensweltliche Gesamtsicht mit, um den Umwälzungsprozess der Digitalisierung für die Agentur und ihre Kunden fruchtbar zu machen. Auf die Teamarbeit von klassischen Kommunikationsexperten und Digital Natives ist die Agentur stolz.
Nicht nur, weil sie Mitglieder des Hamburger „Clubs der Optimisten“5 sind, blicken Dietrich und Hendrik Schulze van Loon zuversichtlich in die Zukunft. Aufbauend auf Jahrzehnte langer Erfahrung einer Drei-Generationen-Agentur werden sie auch künftig das rechte Maß finden, Expertise und Kreativität, Managementwissen und Medienkompetenz, strategische Beratung und professionelle Umsetzung zu verbinden. Mit gegenwärtig 15 Mitarbeiter/inne/n6 sieht sich Orca van Loon – auch im Verbund der Orca-Gruppe mit insgesamt über 70 Kommunikationsspezialisten7 – gut aufgestellt.
Anmerkungen
1 Anzeigen, die für seine PR-Agentur werben, lassen sich im Hamburger Adress- bzw. Telefonbuch (mit Adler z.B. 1969 und 1970) oder im Fachorgan PR-Magazin (mit Adler z.B. 1983, 1985, 1986) finden. 2 Vgl. DSvL (Interview) und CSvL (Interview). 3 Vgl. W&V 9.7.1993, S. 60-62. 4 Vgl. z.B. Angabe auf https://www.triple-s-strategies.com/wer-wir-sind „Es muss den Senior (Reiner) stolz gemacht haben zu erleben, dass auch sein Filius (Dietrich) ab 2005 der GPRA vorstand. ‚Er war ein wichtiger Präsident‘, betont Uwe Kohrs, heute selbst Steuermann des Verbandes.“ (PR-Report 8.12.2014) 5 Der „Club der Optimisten“ vereint und zeichnet regelmäßig Persönlichkeiten aus, die „optimistisch denken und handeln“. Vgl. Alster Magazin. Local People & Lifestyle. Hamburg. 2018/6. S. 16. 6 Vgl. GPRA 2019. 7 Vgl. Orca van Loon 2019. Insbesondere https://orcavanloon.de/#karriere