Die 1980er-Jahre – Zeit des Übergangs II

GPRA und DPRG

GPRA-Vorsitzender

Abb.: Dr. Reiner Schulze van Loon. Foto: IP Informationen / Public Relations 1989. Quelle: Interne Materialien der Agentur.

Bis 1987 amtierte der IP-Gründer Dr. Reiner Schulze van Loon als Präsident des Agenturverbandes Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA). Dabei setzte er sich u.a. für „eine Profilierung und staatliche Anerkennung des Berufsbildes des PR-Beraters“ (PR-Magazin 1981/5, S. 15-17) und auch – vor allem gegen Ende seiner Amtszeit – für eine engere Zusammenarbeit von GPRA und Berufsverband DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) ein.

Anfang der 1980er-Jahre hatte er die Fachpresse noch demonstrativ seinen Austritt aus der DPRG erklären lassen: Wie das PR-Magazin (1981, S. 46) schrieb, war der Anlass die alte Geschäftsführung der DPRG, die den Verband bis an den Rand des Konkurses geführt habe (Affäre Külbs). (Dieser Anlass bewog durchaus auch andere Mitglieder, aus der DPRG auszutreten.) Grund sei aber „die mangelnde Aktivität der DPRG, PR für PR zu betreiben“.1

Schiedsstelle und DRPR

1985 trat er für eine Schiedsstelle als Ansprechpartner „für Agenturen, Klienten und Journalisten“ ein. Dieses Sachverständigengremium, vor allem aus Vertretern von GPRA und DPRG, solle Streitigkeiten zwischen Dienstleistern und Auftraggebern oder Verdachtsfälle von „missbräuchliche(r) Öffentlichkeitsarbeit klären helfen. Wichtiges Anliegen von Schulze van Loon war es wiederum, die Branche vor „Abstaubern, Winkeladvokaten und Kurpfuschern“ zu schützen. (PR-Magazin 1985/9. Vgl. auch 1985/6, S. 7) 1986 nahm dieses Projekt konkretere Formen an, Vorsitzender der Schiedsstelle wurde „Manfred Engelschall, Richter am Oberlandesgericht Hamburg.“ (Handelsblatt 13.5.1986, S. 5).

„Der von der DPRG initiierte PR-Rat für Deutschland wird ebenfalls paritätisch besetzt.“ Dr. Reiner Schulze van Loon ging – so hieß es jedenfalls im Frühjahr 1986 – in diesen Rat interessanterweise für die DPRG, die GPRA vertrat Dr. Gerd Hennenhofer (Handelsblatt 13.5.1986, S. 5).

Die Wahlvorschläge der nunmehr sieben Ratsmitglieder mit Stand 1. Dezember 1986 sahen dann aber anders aus. Nach wie vor war Dr. Reiner Schulze van Loon verzeichnet, aber in seiner Rolle als GPRA-Präsident. Ratsvorsitzender wurde Friedrich von Friedeburg. Die offizielle Gründung des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) fand 1987 statt. Die Ratsperiode von 1987 bis 1992 gilt als Phase der „leise(n) Führung“ (Avenarius/Bentele 2009, S. 90f. Vgl. auch S. 58, 142f. und 268). Über diese Jahre existieren keine genaueren Unterlagen (Protokolle, Fallbeschreibungen etc.) mehr. Vom seinerzeitigen Ratsvorsitzenden von Friedeburg wurde auch bewusst keine Öffentlichkeit hergestellt (vgl. Bentele 1992, S. 152).

1987 endete GPRA-Präsidentschaft aus Altersgründen

Abb.: Schulze van Loons (links) Nachfolger als GPRA-Präsident Günter Thiele (rechts) gratuliert zum Geburtstag von Dr. Reiner SvL. Foto: privat. Quelle: Christa Schulze van Loon (CSvL) Privatarchiv. Eine Veröffentlichungsgenehmigung wurde nur für das PR-Museum erteilt, Weiternutzungen sind ohne Zustimmung der Familie Schulze van Loon nicht erlaubt.

Schulze van Loons Nachfolger an der GPRA-Spitze Günter F. Thiele – seinerzeit Geschäftsführer der ABC-Presse-Information in Düsseldorf – erinnert sich an 1987:

Nach acht zeitraubenden Jahren2 an der Spitze der GPRA sagte er eines Tages zu mir: ‚Das alles wird mir jetzt zu viel. Mach Du weiter.‘ (…) Dr. Reiner Schulze van Loon blieb der GPRA als Ehrenmitglied natürlich mit seinem Rat und auch seiner Mitarbeit weiter verbunden.

(Thiele 2006)

Mitte 1987 übernahm Thiele die Präsidentschaft und die GPRA-Geschäftsstelle zog aus Hamburg nach Bonn, in das Haus, in dem sich bereits die DPRG befand.3

Vater und Sohn

Fließender Übergang

Abb.: Ein Gag zum 60. Geburtstag von Dr. Reiner Schulze van Loon (Mitte, daneben seine Frau Christa): der SvL-Platz. Rechts neben dem Jubilar sein Sohn Dietrich, ganz rechts außen Alfred M. Dörfler vom ADAC, der das „Straßenschild“ schenkte. Links außen TV-Legende Jürgen Roland (1925-2007; Fernsehregisseur und Schauspieler, z.B. Krimiserie „Stahlnetz“ oder Krimi-Rate-Serie „Dem Täter auf der Spur“). Foto: IP Informationen / Public Relations 1982. Quelle: Interne Materialien der Agentur Orca van Loon.

1982 feierte der Agenturgründer Dr. Reiner Schulze van Loon seinen 60. Geburtstag.4

1986 bescheinigte ihm ein würdigender Fachartikel „vielseitige(s) Engagement auf der PR-Bühne“, „einen hohen Bekanntheitsgrad in der Branche“ und „ständige(n) Expansion“. O-Ton SvL in diesem Beitrag:

IP kann es sich leisten, bestimmte Kunden zurückzuweisen, wenn es nicht voll hinter dem Produkt, dem Unternehmen oder der Institution steht (…). Seit Gründung von IP haben wir aufgrund unserer Reputation 95 Prozent und via eigener Akquise fünf Prozent unserer Klientel gewonnen (…)

(PR-Magazin 1986/2, S. 22).

Auf den Fotos zu diesem Agenturporträt sind nicht nur auf einem Bild deutlich zu sehen: „Reiner Schulze van Loon und Sohn Dietrich“. Im Text heißt es u.a.:

Sohn Dietrich, 32, steht bereits seit einigen Jahren und seit 1985 als Geschäftsführer mitten im Agenturgeschehen und betreut wichtige Kunden und soll mit der Zeit das Agenturruder übernehmen. Er führt beispielsweise auch die Gespräche mit den Spitzen der Ramada-Renaissance-Hotelkette, die zu den SvL-Klienten gehört.

(PR-Magazin 1986/2, S. 22).

Genauer gesagt: Dietrich war bereits 1979 in die Agentur eingetreten, 1984 wurde er Prokurist und Geschäftsführer der Firmen seines Vaters und 1989 übernahm er sie.5 Dieses Jahrzehnt des gleitenden Übergangs war von weiterem wirtschaftlichen Erfolg, aber auch vom gegenseitigen Anpassen durchaus unterschiedlicher Auffassungen von Vater und Sohn geprägt. Dietrich brachte mehr kaufmännisches Know-how, modernere Management- und Führungsdoktrin6 und eine globalere, eher anglophile Denke7 ein. Allerdings war sich der Seniorchef über die Art und Weise der Übertragung an den Sohn in den letzten Jahren nicht ganz schlüssig, so dass der Filius die Initiative übernehmen musste.8

Lebens- und Berufsweg von Dietrich Schulze van Loon bis zum Eintritt in die Agentur 1979

Der Sohn von Reiner und Christa Schulze van Loon wurde am 16. Juni 1953 als Einzelkind geboren. Er erlebte „bereits in der Kindheit das PR-Business seines Vaters hautnah“ (Horizont 21.6.1996, S. 14). In den Ferien übte Dietrich Hilfstätigkeiten in den Firmen des Seniors aus. Zur Schule ging er in Buxtehude. Einer seiner Mitschüler war Holger Jung, der spätere Mitbegründer der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt und von 2002 bis 2008 Präsident des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA).9

Dietrich studierte ab 1974 Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsenglisch und internationales Steuerrecht an der Universität Hamburg und schloss erfolgreich als Diplom-Kaufmann ab.10

Nach dem Studium arbeitete er kurzzeitig als Assistent der Geschäftsführung eines freien Wohnungsbauunternehmens. Am 1. April 1979 trat er in die väterlichen Firmen ein. „Er lernt das PR-Handwerk von der Pike auf.“ (Horizont 21.6.1996 S. 14. Vgl. auch DSvL Interview)

Übernahme der Gesamtverantwortung 1989 durch Dietrich Schulze van Loon

Abb.: Dietrich Schulze van Loon. Foto: IP Informationen / Public Relations 1989. Quelle: Interne Materialien der Agentur.

Auf einem Pressegespräch am 7. November 1989 ab 17 Uhr im Marriott-Hotel Hamburg11 traten Dietrich Schulze van Loon „und sein Stellvertreter in der IP-Geschäftsführung, Günther Moritz“ auf.

Sie gaben bekannt, dass sich der „67-jährige Seniorchef und Inhaber der Einzelfirma“ aus „der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen“ und „seinem Sohn Dietrich, 36, der bereits seit zehn Jahren in der Agentur tätig ist, die Gesamtleitung übertragen“ hat.12

Das Handelsblatt am Folgetag titelte: „Jetzt übernimmt die zweite Generation die Führung“. Diese verkündete zugleich ehrgeizige Ziele:

(…) setzt die Agentur (…) auf stetige Expansion. Als Zielmarke für die nächsten fünf Jahre werden rund 12 Mill. DM Umsatzvolumen bei einer von derzeit 24 auf etwa 50 erhöhten Mitarbeiterzahl angepeilt. Auf dem Weg dahin schließt die Geschäftsführung auch einen ‚zielgerichteten Erwerb geeigneter Agenturen‘ innerhalb der Bundesrepublik nicht aus. (…)

(Zudem) hat sich IP weiter international ausgerichtet und ist Mitglied im weltweiten Agenturverbund Public Relations Exchange International mit Sitz in Pittsburg (USA) geworden, in dem zurzeit 35 Agenturen zusammengefasst sind. Diese neue Partnerschaft wird auch dokumentiert durch eine Namensänderung der Agentur, die ab 1. Januar 1990 IP International Public Relations heißen wird.

(Handelsblatt 8.11.1989, S. 18)

„Der alte Herr“, die erste Generation, brachte künftig seine Erfahrungen als Vorsitzender eines Beirates ein.13

 

Bitte beachten Sie auch Teil II unserer Darstellung zur Agenturgeschichte von Schulze van Loon.

Autor(en): T.L.G.BE.

Anmerkungen

1 Falls er tatsächlich aus der DPRG ausgetreten war, dürfte er später wieder eingetreten sein – sonst hätte er wohl nicht 1986 für die DPRG in den DRPR gehen können (siehe weiter unten).

2 Der Arbeitsaufwand für die Vorstandstätigkeit wurde noch dadurch erhöht, dass die GPRA 1985 bereits zwei Jahre lang vergeblich nach einem Geschäftsführer suchte. Vgl. PR-Magazin 1985/6, S. 7.

3 Vgl. PR-Magazin 1986/11.

4 Vgl. u.a. Hamburger Abendblatt, 13.9.1982.

5 Vgl. DSvL Interview. Die Fortführung des väterlichen Betriebes durch den Sohn bietet für beide Seiten Vorteile, ist aber auch nicht problemlos zu haben. „Ich wollte in den Beruf, wollte aber nicht bei meinem Alten anfangen.“ (DSvL Intervie) „Sich von seinem Übervater zu emanzipieren, war für Dietrich Schulze van Loon ein steiniger Weg. Ihm half dabei, dass er für die PR (…) anders als der Alte (…) kaufmännische Expertise und Managementwissen mitbrachte. ‚Für mich sind moderne Public Relations nichts anderes als das Management von Meinungsbildungsprozessen über alle Kommunikationsinstrumente und -kanäle hinweg‘, erklärt Dietrich. Mit seinem Wirken wolle er einen messbaren Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leisten, sehe sich mehr als Berater denn als PR-Mann.“ (PR-Report 8.12.2014)

6 „Mein alter Herr und ich haben uns privat immer gut verstanden. Wir haben uns privat wenig, aber beruflich schon gefetzt. Weil ich ein paar andere Ideen hatte. Mein Vater hatte einen Management-Stil, den er selber beschrieb mit den drei ‚K‘ der Schweizer Armee: Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren. Im Ursprung mag das richtig sein, aber es kommt drauf an, wie man das lebt, wie das ausgeprägt ist. Darüber hatten wir uns häufig in der Wolle. (…) Wir hatten uns nachher aber sehr gut verstanden. Wir hatten auch ein gemeinsames Büro. (…) Meine Mutter meinte, ich sei der einzige gewesen, auf den mein Alter gehört hat.“ (DSvL Interview) Oder: „Leicht soll es für den Sohn nicht gewesen sein, sich gegen den PR-Grandseigneur zu behaupten, wollen Insider wissen. Dieter Schulze van Loon räumt ein, dass er zu kämpfen gelernt und in vielen Dingen eine andere Sicht der Dinge gehabt habe als sein Vater, zum Beispiel beim Thema Führungsstil.“ (Horizont 21.6.1996, S. 14)

7 „Am Anfang war ich derjenige, der ihm zur Seite gestanden hat. Mein Vater hat mit dem Chef geredet, ich habe mit dem Werbeleiter bzw. Kommunikationsdirektor gesprochen. Nachher etwas anders: Ich habe das Feld Internationale Kunden betreut. (…) Insofern gab es eine klare Teilung. Bei internationalen Kunden kommst du ohne Englisch nicht weiter. Ich habe in New York für einen Kunden drei Monate gearbeitet. Ich habe in London für Kunden in unterschiedlichen Sequenzen ein halbes Jahr gearbeitet und habe deren Kommunikation europaweit gesteuert.“ (DSvL Interview)

8 1988 gab es eine „Initialzündung für mich, mit meinem Vater zuhause am Kamin unter Männern noch einmal hinzusetzen und ihn zu fragen, wie er sich das langfristig denn vorstellt. Da fiel ihm nicht so richtig was ein. (…) Da habe ich ihm mehrere Möglichkeiten vorgeschlagen: Die eine war, dass ich abmustere. Dass ich mich selbstständig mache, meine Kunden weiter betreue oder wie auch immer. Und er macht seinen Kram weiter. Die andere Version ist, dass er aus dem Unternehmen ausscheidet und ich seine Kunden übernehme und ich ihm dann das auch abkaufe. Darauf er: Das schaffst du nie. Ich: Das wollen wir doch mal sehen.“ (DSvL Interview)

9 „Die beiden sind – was nur wenige wissen – sogar Schulfreunde: Sie besuchten einst gemeinsam das Halepaghen-Gymnasium in Buxtehude, spielten als Teenager in der Rockband The End, und für Dieter Schulze van Loon hat Holger Jung seine erste Werbekampagne entworfen. ‚Ich sollte Schulsprecher werden‘, erinnert sich van Loon. ‚Für den Wahlkampf hat Holger Plakate gemalt mit dem Slogan: ,SvL for Speaker‘. Wegen einer Neuorganisation an der Schule ist die Wahl am Ende ausgefallen.“ (Welt 10.10.2005, Nr. 236, S. 36)

10 Titel der BWL-Diplomarbeit: Zur Anwendbarkeit von Entscheidungsmodellen für die betriebliche Steuerfinanzpolitik. Vgl. DSvL Interview.

11 Vgl. Gästebuch (Fotoalbum) von 1989.

12 Dazu ist wichtig zu wissen: „(es) kauft der Junior dem Senior dann sein Lebenswerk (…) ab. Dass er es damals als Last empfunden hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und IPR&O zu führen, weist er klar von sich. ‚Ich war immer bereit, Verantwortung zu übernehmen.‘ Deshalb habe er angeboten, die Agentur zu kaufen – ein Punkt, der Dieter Schulze van Loon besonders wichtig ist. ‚Ich habe die Agentur nicht von warmer Hand geerbt, sondern einen Marktwert in siebenstelliger Höhe dafür gezahlt.‘“ (Horizont 21.6.1996 S. 14. Vgl. auch DSvL Interview)

13 „Kam aller 14 Tage in die Firma. Mal den einen oder anderen Termin. Bester Dinge, fand er gut.“ (DSvL Interview)