Der grandiose Aufstieg: Odol in aller Munde

Symbiose von Aufklärung und Markenaufbau

Abb.: Odol-Flaschen, links historisch, rechts modern. Foto: N-Lange.de Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Odol-Flaschen.jpg&filetimestamp=20110102161058 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Odol-Mundwasser ist ein Markenprodukt, das durch seinen Schöpfer in Funktionalität und Design eingehend geprägt wurde. Der Reklamefeldzug für dieses Produkt war für die damalige Zeit fortschrittlich und ein Wegbereiter für spätere Kommunikationskampagnen.

Seine Geburtstunde hatte das Odol im Jahre 1892/93 durch den Chemiker Seifert, den Erfinder der Odolformel1, und das Vermarktungsgenie Lingner, den Begründer der Marke. Damit sich Odol als Markenartikel etablieren konnte, kommunizierte Lingner ein Qualitätsversprechen, achtete er auf einheitliche Produktcharakterisierung und distanzierte sich von Plagiaten bzw. Konkurrenten.2 Er wird zu den Begründern der Markenartikelindustrie bzw. Markenkommunikation gezählt und Odol kam viel rasanter als zum Beispiel die Coca-Cola-Marke zu einem „global brand“.3

Schon der Marken-Name ist eine kreativ-kommunikative Spitzenleistung: Er ist kurz und merkfähig, inhaltlich-semantisch passend und klingt in allen Sprachen gleich.4

Die charakteristische Flaschenform des Mundwassers, die Seitenhalsflasche, der Schriftzug (im Original: quer und mit schattierten Buchstaben) und die milchige Farbgebung (Farbspiel aus Blau-Weiß-Schwarz) bildeten das Design, welches später noch durch Patente abgesichert wurde.5 Dabei gehen Funktionalität und Ästhetik ineinander über, die Flasche stieg sogar zum Kultobjekt auf.6

Die Kommunikationsstrategie für das Produkt ordnete Lingner einem übergeordneten, allgemeingesellschaftlichen, hehren Ziel unter: der Bekämpfung von Bazillen, der Förderung von Hygiene und damit der „Volksgesundheit“. Damit entstand eine Symbiose aus Gesundheitserziehung, Aufklärung und Produkt-Werbung. Um sich von der Masse der Reklametätigkeiten, die zunehmend den Ruf des marktschreierischen Auftretens erlangte, abzuheben, verfolgte Lingner das Motto: „Überzeugen, nicht überreden!“.7

Kommunikationsstil und -mittel

Abb.: Altes Emaille-Schild von Odol. Foto: KevinKwxwx. Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Emaille-Schild_Odol.JPG&filetimestamp=20100405101219 http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/de/legalcode

Lingner achtete darauf, nicht „(…) das Schöne zum Nützlichen herabzudrücken, sondern das Nützliche zum Schönen zu erheben (…)“ (Stresemann, zitiert in Wollf 1930, S. 59). Wie früher schon als Korrespondent bei der Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann und als Firmengründer von Lingner & Kraft kam Lingner dabei seine poetisch-künstlerische Ader zugute.

Als Kommunikationsmittel dienten zunächst vor allem Anzeigen, aber auch Postkarten, Plakate oder Schaufensterdekorationen kamen zum Einsatz.8 Der Lingnersche Kommunikationsstil war durch Einheitlichkeit und damit verbundene Unverwechselbarkeit geprägt.9 Von anderen unterschied er sich auch durch seinen prozessual-strategischen Ansatz, um bestimmte Effekte und eine sich steigernde Wirkung zu erreichen. So verkündeten die ersten Anzeigen lediglich den Produktnamen („Odol“), kurz darauf setzten Zusatzinformationen bzw. Zuschreibungen über das Produkt ein (z. B. „Odol, absolut bestes Mundwasser der Welt“) und schlussendlich wurde das Erscheinungsbild – die Flasche – hinzugefügt.10

Der aufklärende, produktübergreifende Charakter der Odol-Kommunikation brachte diese zwangsläufig in Berührung zum redaktionellen Teil der Presse. Immer besser durchdachte Anzeigenserien wurden in den redaktionellen Teil hineinplatziert und zugleich ließen textlich-aufklärerische „Reklamegeschichten“ die Grenze zwischen Anzeige und redaktionellem Teil schwinden. So wurden nicht nur die Benutzung der Flaschenöffnung erklärt, sondern auch die Bakterienentstehung und die vorbeugende Wirkung durch das antiseptische Mundwasser dargestellt.11

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der wachsenden Rolle von Visualität Rechnung entsprochen: Man setzte auf suggestive „Reklamebilder“, welche durch verschiedene Künstler gestaltet wurden.12

Odol behauptete sich auch in der Folgezeit und bis heute als starke Marke.13

Autor(en): K.H.T.L.

Anmerkungen

1 Die „wissenschaftlich begründete Rezeptur“ besteht aus „wertvollen ätherischen Ölen, wie Pfefferminzöl, Nelkenöl, Sternanisöl, Lavendelöl u. a. und einer mild antiseptisch wirkenden Substanz“. (http://love-odol.de/historie.html)

2 Büchi 2006, S. 70. 1907 schalteten die Lingner-Werke eine „Werbeannonce, auf der 33 (…) Konkurrenzprodukte abgebildet waren.“ (König 1993, S. 142)

3 Büchi 2006, S. 69f.

4 „Der Name Odol entstand aus dem griechischen ODOUS = Zahn und dem lateinischen OLEUM = Öl.“ (http://love-odol.de/historie.html)

5 Beim Reichspatentamt wurden der quergestellte Schriftzug mit den schattierten Buchstaben am 6. Mai 1906 und die Flasche in ihrer endgültigen Form (verbesserter Flaschenverschluss) am 3. Juli 1906 hinterlegt. (Büchi 2006, S. 49; Funke 2001, S. 17) Die Flaschenform wurde bis heute nur geringfügig verändert. Vgl. Väth-Hinz 1985, S. 12. Auf den ersten Etiketten der Odolflaschen wurde eine Fabrikmarke hinzugefügt, um eine Zuordnung des Produktes, im Sinne einer Identifikation mit der Herstellerfirma, zu schaffen. Dieses Logo wird nicht mehr verwendet. Auf den Briefbögen fand sich nicht dieses Logo, sondern das Fabrikgebäude wurde abgebildet. (Funke 2001, S. 17 und 26)

6 „Ein Verschluss, der die Flüssigkeit tropfenweise abgab, war noch nicht erfunden. Deshalb entwickelte man den zur Seite geneigten Flaschenhals, der den Lauf der Flüssigkeit vor ihrem Austritt bremste und somit tropfenweise freigab.“ (http://love-odol.de/historie.html) Väth-Hinz 1985, S. 11f.; Walther 1993, S. 181ff.

7 Funke 2001, S. 21; Schöning 1975, S. 32; Schmidtt 1931, S. 47f.

8 Wollf 1930, S. 55. Väth-Hinz 1985, S. 20. Lill 1990, S. 269f.

9 Väth-Hinz 1985, S. 19.

10 Väth-Hinz 1985, S. 11; Lamberty 2000, S. 119.

11 Zum Beispiel: Die Woche, 28/102. Nach Väth-Hinz 1985, S. 13. Oder: Hamburger Fremdenblatt, 301/1900. Nach: Väth-Hinz 1985, S. 46.

12 Väth-Hinz 1985, S. 38ff. Büchi 2006, S. 72ff.

13 http://love-odol.de/historie.html