Als Philanthrop und Mäzen

Lingner als Philanthrop und Mäzen

Gesellschaftlicher Aufstieg und gemeinnütziges Wirken

Das ökonomische Wachstum ermöglichte Lingner das Leben und die Statussymbole eines erfolgreichen und vermögenden Unternehmers. Dies rief Bewunderung und Missgunst hervor.1 Diese Ambivalenz kam auch in den volkstümlichen Bezeichnungen als „Odolkönig“ oder „Reklamekönig“ zum Ausdruck.

Für seinen gesellschaftlichen Aufstieg war aber vor allem sein Mäzenatentum förderlich. Gemeinnützig betätigte er sich auf den Feldern Hygiene und Gesundheitswesen. Vom sächsischen König Albert erhielt er 1900 den Titel eines „Kommerzienrates“, vier Jahre später noch mit dem Zusatz „Geheimer“.2 1912 folgten die Ehrendoktorwürde und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Dresden.3

In der Tat hat mindestens Dresden ihm viel zu verdanken. Dresden als seine Wirkungsstadt bekam 1897/98 Säuglingsheim und -klinik, 1900-1902 Einrichtungen für Zahnhygiene und Desinfektion.4

Hygiene-Weltausstellung und Hygiene-Museum in Dresden

Abb.: Von Franz von Stuck gestaltetes Plakat zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Sein größtes Projekt startete Lingner 1906, aufbauend auf einer bereits erfolgreich gelaufenen Ausstellung über Volkskrankheiten 1903, die er organisiert und aufgebaut hatte.5 Das Jahr 1911 wurde zum Höhepunkt in seinem Leben und Wirken. Lingner nutzte das sich gerade erst etablierende moderne Ausstellungswesen, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Ein Netzwerk von Kontakten mit Wissenschaftlern, Politikern, Unternehmern und Künstlern ermöglichte es ihm, den Aufbau der ersten Internationalen Hygieneausstellung (IHA) in Dresden zu organisieren und zu realisieren.

Abb.: Jugendstunde im Deutschen Hygiene-Museum Dresden 1958. Foto: Löwe. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-52887-0005, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Die I. IHA wurde zum Welterfolg und zählte fünf Millionen Besucher, sie trug faktisch den Charakter einer Weltausstellung für Gesundheit.6 Einerseits war dies einer Ausstellungsmethodik zu verdanken, die als „dreidimensionales Lehrbuch“ zum Selbstunterricht für die Besucher umgesetzt wurde. Sie legte ihren Schwerpunkt auf eine plastische, anschauliche Darbietung und eine sprachliche Aufbereitung und Vermittlung von Fachwissen an eine breite (unwissende) Bevölkerung.7 Diese Methode empfahl Lingner später (1912) auch in einer Denkschrift zur Errichtung eines nationalen Hygiene-Museums. Andererseits gelang der medizinischen Wissenschaft mit ihren Fachleuten über viele Begleitmaßnahmen der Zugang zur Öffentlichkeit.

Für die I. IHA war eigens ein Plakat entworfen worden, den Auftrag hatte der Künstler Franz von Stuck erhalten. Das berühmte „Hygiene-Auge“ wurde als Logo wegweisend für die IHA und später im Deutschen Hygiene-Museum weiterverwendet. Das Auge erschien auf Postkarten, Zeitungsseiten, Litfasssäulen, Katalogen, Briefbögen usw.8

Das von Lingner 1912 initiierte Deutsche Hygiene-Museum in Dresden konnte anlässlich der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930 das Gebäude beziehen, in dem es noch heute seinen Sitz hat.9

Autor(en): K.H.T.L.

Anmerkungen

1 U. a. http://www.lingnerschloss.de/de/schlosserbe/geschichte/karl-august-lingner.html

2 Büchi 2006, S. 98 und 116f. Diese Ehrungen lösten auch Neid aus, da eine solche „Krönung“ vor allem in den Augen des alten, adligen Establishments als unstandesgemäß galt.

3 Büchi 2006, S. 207ff.; Funke 2001, S. 74ff.

4 Lingner beschäftigte sich eingehend mit sozialhygienischer Literatur. Vgl. ausführlicher Funke 2001, S. 26ff.; Büchi 2006, S. 56f., 113f. In Sachsens Landeshauptstadt erreichte Lingner beispielsweise durch seine Kontakte einen Einfluss auf die sächsische Gesetzgebung über Wohlfahrtspflege. Vgl. Funke 2001, S. 52. Auch http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_August_Lingner

5 Starke 1993, S. 27f.

6 http://www.lingnerschloss.de/de/schlosserbe/geschichte/karl-august-lingner.html

7 Büchi 2006, S. 207ff., 211. Funke 2001, S. 74ff., 68f.

8 Über die Entstehungsgeschichte des Auges existieren unterschiedliche Erklärungen. So „soll Lingner in nächtlicher Vision ein wachendes Auge am Firmament erschienen sein. Nach anderer Überlieferung ist er beiläufig auf das Motiv gestoßen und hat es weitergesponnen.“ (Büchi 2006, S. 217)

9 http://www.dhmd.de/index.php?id=999