Pressearbeit und Pressebüro
Die Beziehung zur Presse und das Pressebüro
„Literat“ gesucht – und gefunden
Am 27. November 1866 schrieb Alfred Krupp an Albert Pieper, einen seiner Prokuristen und forderte zu veranlassen, „dass regelmäßig wiederholt aus der Feder von Autoritäten wahrheitsgetreue Berichte über die Fabrik durch Zeitungen, welche die ganze Welt erleuchten, verbreitet werden. Wir können das Material dazu liefern und sofern wir nicht die geeigneten Autoritäten dazu bereitfinden, möchten wir uns selbst mit den respektablen Zeitungsredaktionen in Verbindung setzen.“ (Zit. nach Manchester 1968, 696)1
1870 fehlte immer noch der „Literat“, der die internationale Presse beobachten und analysieren, ebenso wie selbst Informationen für die internationalen Zeitungen produzieren sollte. Ein Berliner Journalist, Josef Grünstein von der Redaktion der „Berliner Börsenzeitung“, wurde gefunden und arbeitete wohl ab 1870 für Krupp. Unmittelbarer Ansprechpartner für Grünstein in der Firma war Prokurist Meyer.
Mit dem Engagieren Grünsteins gelang es Meyer, (…) an den Vorschlag des Firmeninhabers anknüpfend, nicht allein diesen auszuführen, sondern seine weitergehenden Pläne von aktiver Pressepolitik durchzusetzen. Diese sahen einen für die Firma operierenden Journalisten vor, der Artikel in verschiedene Zeitungen und Zeitschriften lancieren sollte. Dabei sollten weder den betreffenden Redaktionen noch dem Publikum bekannt werden, dass diese Artikel in enger Abstimmung mit der Firma oder gar in deren Auftrag entstanden waren.
(Wolbring 2000, S. 163)
Grünstein arbeitete auch nach dem Ausscheiden von Meyer im Jahre 1881 weiter für Krupp. Sogar…
(…) über den Tod von Alfred Krupp und den von Friedrich Alfred Krupp hinaus“ und unabhängig vom Nachrichtenbüro nach 1890 dauerte diese Form der Pressearbeit. „Erst Ende 1920, nach fünfzig Jahren, wurden die Zahlungen an Grünstein eingestellt.
(Wolbring 2000, S. 162 und 164)
Nachrichten- bzw. Pressebüro
1890 schließlich wurde unter Friedrich Alfred Krupp ein „Nachrichten-Bureau“2 gegründet, vor allem, um eine bessere Kommunikation mit dem Außendienst einzurichten, als eine Art Nachrichtendienst. Für Krupp tätige Vertreter sollten nicht nur Aufträge akquirieren, sondern gleichzeitig Pressebeobachtungen in ihrem Tätigkeitsland durchführen. Diese Berichte dienten einerseits der Konkurrenzbeobachtung, andererseits auch der Pflege der Beziehungen zu (potenziellen) Abnehmern der Kruppschen Erzeugnisse.
Dass sich das Arbeitsfeld des Pressebüros erweiterte, lag am gestiegenen Interesse der Öffentlichkeit an den Geschäften von Krupp und der zunehmenden Skepsis gegenüber dem ungebremsten Wachstum der Firma. Nach heutiger Quellenlage ist die Firma Krupp das erste privatwirtschaftliche Unternehmen in Deutschland, das für den Umgang mit der Öffentlichkeit eine eigene Abteilung einrichtete. 1901 erschien das Pressebüro erstmals im Organigramm des Unternehmens.3
Arbeit des Pressebüros
Das Pressebüro entwickelte sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Journalisten. Die Mitarbeiter sorgten zum Beispiel dafür, dass in der Fachpresse nichts mehr veröffentlicht wurde, was nicht mit den Unternehmensinteressen konform ging. Journalisten, die für militärische Fachzeitschriften schrieben, ließen ihre Texte über Krupp im Nachrichten-Bureau redigieren. Gleichzeitig wurden Fachautoren dafür verdingt, um an geheime Informationen über Konkurrenten und Regierungspläne zu gelangen.
… allerdings nicht ohne unethische Mittel
Um Journalisten willfährig zu machen, zahlte man auch finanzielle Zuwendungen an Journalisten und Verlage, aus heutiger Sicht ein klar unethisches Verhalten. Zur Jahrhundertwende erschien in den für Krupp relevanten Fachzeitschriften im Grunde nichts mehr, das nicht in irgendeiner Form mit der Firma abgesprochen und in ihrem Sinne war. Das Pressebüro wurde zu der Abteilung, in der die Kommunikation der Firma mit der Öffentlichkeit zusammenlief und gesteuert wurde.
Den Mitarbeitern des Nachrichtenbüros fielen unterdessen noch weitere Aufgaben zu: Sie bereiteten Präsentationen der Firma auf Ausstellungen und Messen vor und erstellten Broschüren mit statistischen Angaben zur Beschreibung der Firma.
Während bei der Einrichtung des Nachrichtenbüros im Jahr 1890 nur vier Mitarbeiter mit der Umweltkontrolle beschäftigt waren, stieg diese Zahl bis 1911 auf 45 Mitarbeiter an – ein Beleg dafür, welchen Bedeutungszuwachs die Abteilung innerhalb von 21 Jahren erfuhr. Eine Ursache für die deutlich wachsende Rolle von Kommunikation liegt auch darin begründet, dass sich nach Friedrich Alfred Krupps Tod 1902 – er hinterließ keinen Sohn – der Charakter der Firma vom personifizierbaren Familienunternehmen zur anonymeren Aktiengesellschaft wandelte (vgl. Wolbring 2000, 12).4
Anmerkungen
1 Ursprünglich: Bedrow, Wilhelm (Hrsg.): Alfred Krupps Briefe 1826-1887. Berlin, 1928. S. 225f. Vgl. auch Kunczik 1997, S. 189f.
2 Detaillierte Angaben zu diesem Pressebüro finden sich u. a. bei Wolbring 2000, S. 226ff. Vgl. auch Kunczik 1997, S. 195, der als Einrichtungsjahr allerdings erst 1893 angibt. Eine aktuelle Arbeit bestätigt das Einrichtungsjahr 1890 und beschäftigt sich vergleichend u. a. mit Krupps Pressearbeit: Bieler, Denise: Public Relations und Massenkommunikation. Einrichtung von Pressestellen um die Wende des 20. Jahrhunderts. Baden-Baden: Nomos, 2010. S. 188-206.