PR-Praxis und -Berufsstand: Entwicklungsphasen (IV) – speziell Dienstleister
Phasenmodell zur Entwicklung der PR-Dienstleisterbranche
Bezogen auf die PR-Berater– und –Agentur-Branche in der Bundesrepublik differenziert Tebrake (2019) in die „Formierungsphase 1945-1957“ (insbesondere S. 126ff., PR-Agenturgründungen ab 1950/51, „PR-Spezialisierungen“ in Werbeagenturen, „Marktbeziehungen zu amerikanischen PR-Agenturen“) und die „Institutionalisierungsphase“ ab 1957 (insbesondere S. 169ff.) bis zur Rezession 1966/67.
Als vermutlich erste PR-Agentur der Bundesrepublik gilt die „Contactdienst GmbH“, auf die bereits der weiter hinten, im zweiten Teil, noch zu behandelnde Gewerkschaftsredakteur Pahl 1951 (S. 190) hinwies (vgl. auch Tebrake 2019, S. 128f., und Nöthe 1994, S. 108f.).
Auf und Ab in der Werbebranche bezogen auf PR
„Public Relations“ als neues Angebotsetikett der Werbebranche
Mindestens bis etwa 1957 sahen sich auch die Werbefachleute – und übrigens auch Journalisten/Publizisten – ganz generell als zuständig für PR-Dienstleistungen an. Dies ist den folgenden Zitaten zu entnehmen, die die Entwicklung bis 1955/56 zeitlich differenziert darstellen und dabei auch die Perspektiven der Dienstleister und Unternehmer unterscheiden:
Als (…) Schlagwort erschienen kurz nach der Währungsreform die ‚Public Relations‘. Obgleich die Übersetzung des angelsächsischen Ausdrucks vielen Werbefachleuten bedeutende Schwierigkeiten bereitete und ihr tiefster Sinn nicht allgemein verstanden wurde, sind die Public Relations (…) sehr bald zum modischen Schlagwort geworden. Sie lösten sogar einen gelinden Taumel aus, als die Werbefachleute, dynamisch bewegt durch die Anzeichen einer Konjunktur, in ihnen ein zusätzliches Geschäft witterten. (…)
Die Unternehmer, noch in starker Verwirrung über die stürmische Wirtschaftsentwicklung und die Fülle der Aufgaben, die ihnen aus der Liquidation der Nachkriegszeit erwuchsen, standen mit ganz wenigen Ausnahmen der Erscheinung der Public Relations ratlos gegenüber.
(Kropff 1956-I, S. 10)
Gerade diese Situation habe Anfang der 1950er-Jahre zu begrifflichen und inhaltlichen Klärungsversuchen der neuen Dienstleistung PR in Form mehrerer Fachpublikationen geführt.
Die deutschen Veröffentlichungen der Jahre 1950/52 (gemeint sind Hundhausen, Gross, Vogel, Domizlaff – T.L.) waren notwendig geworden, weil sehr bald nach der Währungsreform eine starke Verwirrung der Werbefachleute und Journalisten darüber zu bemerken war, wer von ihnen Public Relations bearbeiten solle und mit welchen Methoden. Ich glaube mich der Zustimmung aller damals an der Aufklärung Beteiligten sicher, wenn ich sage, dass wir froh waren, als die schimmerlose Diskussion über diese wichtige, verantwortungsvolle Arbeit ein Ende fand.
(Kropff 1956-I, S. 10)
Zeitweise Zurückhaltung der potenziellen Auftraggeber gegenüber der PR-Dienstleistung
Doch die Dienstleister hatten die Rechnung ohne den Wirt – sprich: ihre potenziellen Auftraggeber, die Unternehmer – gemacht:
Die Entwicklung der Hochkonjunktur im Zusammenhang mit dem Wahlsieg von 1953 ließ die Unternehmer die ewige Aktualität der Pflege der öffentlichen Beziehungen vergessen, wenn auch die Mahnungen vorausschauender Sozialpolitiker und Wirtschaftswissenschaftler immer wieder darauf hinweisen.
(Kropff 1956-I, S. 11f.)
Schließlich wendete sich für die Dienstleister das Blatt wieder. Über die Situation 1955 schrieb der Autor:
Schon glaubte man annehmen zu dürfen, die Werbefachleute seien von ihrem Wahn geheilt, die Public Relations eines Unternehmens von außen her beraten zu können. (… Doch:) Die Public Relations stehen wieder auf den Briefbogen, Geschäftskarten und Zirkularen der Werbeberater, auf den Drucksachen und Angeboten mancher Agenturen. Die Gespräche, die sich darüber mit Unternehmern der verschiedenen Branchen entwickelten, zeigten im Lichte der inzwischen fortgeschrittenen Erkenntnisse der Betriebspsychologie und Soziologie das Fortbestehen oder Wiederaufleben der alten Irrtümer. Solche Unterhaltungen erhellen wie ein Blitz das begriffliche Vakuum über Wesen und Ziele der Public Relations in weiten Kreisen der werblichen Marktexperten.
(Kropff 1956-I, S. 12)
Situation Anfang der 1960er-Jahre
Anfang der 1960er-Jahre soll es in der Bundesrepublik insgesamt mindestens ca. 1.000 PR-Fachleute (einschließlich in Festanstellung) gegeben haben (Tebrake 2019, S. 169). 1961 fand in Düsseldorf der erste von Dienstleistern initiierte PR-Fachkongress statt (S. 197ff.).
Über die Geschichte beispielsweise der Agentur Schulze van Loon hält das PR-Museum an anderer Stelle einen Beitrag vor.