Biografie (II): Jahre 1965-1978 als Kommunikationsmanager in Unternehmen
Wechsel zur PR
Zur PR kam Piwinger über Umwege. Zunächst wollte er von der Lokal- in die Wirtschaftsredaktion wechseln. Da er keine entsprechende Ausbildung vorweisen konnte, entschloss er sich, eine Weile in der Wirtschaft zu arbeiten, um das nötige Wissen zu sammeln. Letztendlich wechselte er nicht zurück in den Journalismus, sondern blieb für den Rest seiner Laufbahn in PR-Abteilungen von Wirtschaftsunternehmen (Piwinger 2017c, 00:00:55).
Wie Manfred Piwinger grundsätzlich über das Verhältnis von PR und Journalismus denkt, erläuterte er im Mai 2017 in einem Interview Studierenden der Leipziger Universität (Studiengang Communication Management). Hier der themenrelevante Ausschnitt aus: Piwinger 2017c, 00:06-00:50.
Die Zeit bei Demag (1965-1972)
Erste Erfahrungen als PR-Praktiker sammelte Piwinger von 1965 bis 1972 in der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Demag (Deutsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft) AG in Duisburg. Die Demag war ein exportorientiertes Industrieunternehmen, das weltweit Stahl- und Hüttenwerke sowie Maschinenfabriken errichtete, Walzwerke und Hochöfen in die ganze Welt lieferte, u. a. nach Indien1, Japan, Mexiko, Brasilien oder Südafrika. 1973 wurde es vom Mannesmann-Konzern übernommen.2
Manfred Piwinger heute über seinen Einstieg in den PR-Beruf:
Demag war mein erster Augenaufschlag in Industrie und Wirtschaft. Alle, die damals wie ich diesen Schritt gegangen sind, waren genauso ahnungslos wie ich.
(Piwinger 2020)
Demag-Pressechef war seinerzeit Friedrich von Friedeburg, der ein militärisch-strategisches Verständnis pflegte und in seinem Zimmer einen „Sandkasten“ mit „einige(n) Positionsmarkierungen“ aufgebaut hatte (Gebel 2011). Während seiner Zeit bei der Demag AG führte Manfred Piwinger als „(z)weiter Mann“ der Stabsstelle einen Fachpressedienst ein und war verantwortlich für die international verbreitete Unternehmenszeitschrift „Demag-Kurier“. Er arbeitete am Geschäftsbericht mit, betrieb Pressearbeit und war an der Vorbereitung von Presseveranstaltungen und Messeauftritten beteiligt. (Piwinger o. J.)
1970 ermöglichte ihm sein Arbeitgeber ein sechswöchiges Auslandspraktikum in den Vereinigten Staaten von Amerika, bei der Agentur für Finanz-Kommunikation Reuter & Bragdon Inc. in Pittsburg/Pennsylvania. Dort eruierte und rezipierte er den State-of-the-Art der US-amerikanischen PR, indem er „Interviews und Gespräche mit 20 PR-Managern (u. a. Gulf Oil, H. J. Heinz, Koppers, Firestone, Pittsburgh National Bank)“ führte, „50 amerikanische Geschäftsberichte“ für seine Firma analysierte und „10 Fachbücher (Standardwerke) amerikanischer Autoren“ studierte. (Piwinger o. J.)
Die Zeit beim Büromöbelhersteller VOKO (1972-1978)
Am 1. Oktober 1972 wechselte Piwinger zur VOKO Franz Vogt & Co., einem Büromöbelhersteller in Pohlheim bei Gießen.3 Dort hatte Piwinger bis 1978 die Leitung der Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit inne.4 In den letzten beiden Jahren war er zusätzlich „interimistisch Leiter der Hauptabteilung Marketingservice mit den Teilbereichen Werbung, Verkaufsförderung und Schulung“. (Piwinger o. J.) Dies schärfte seinen Blick für ganzheitliche, integrierte Unternehmenskommunikation.
1972 bis 1975 führte Manfred Piwinger Geschäfts- und Halbjahresberichte ein, die auch branchenweit Aufmerksamkeit fanden.5 Während seiner PR-Tätigkeit im Unternehmen machte er sich besonders um die Unternehmenskultur und das Betriebsklima verdient. Er führte zahlreiche Projekte und Aktionen zur Wertschätzung der Mitarbeiter durch – wie zum Beispiel einen Lottotipp mit den Geburtsdaten der Mitarbeiter zu Silvester oder das Verschenken von Veilchen zum Frühlingsanfang. Hier stellte er seine Originalität und Kreativität in der praktischen PR unter Beweis, was auch später noch sein Markenzeichen sein sollte.
Mit „Voko aktuell“ startete Piwinger einen Mitarbeiter-Newsletter, er organisierte die interne Kommunikation, schrieb Reden für die Geschäftsleitung, initiierte Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen und sicherte die Fachdokumentation.
Interesse für Unternehmenskultur in Familienunternehmen
In den beiden beruflichen Stationen – VOKO und seinem nächsten Arbeitgeber – zeige sich Piwingers „Vorliebe für die Arbeit in Familienunternehmen mit den dort erheblich größeren Freiheitsgraden als in Kapitalgesellschaften“, so Christoffel (2016).
Dies korrespondiert mit seinem Grundverständnis, „Public Relations als integrale(n) Bestandteil der Unternehmenskultur“ aufzufassen, wie ein Praxisbericht über seine Tätigkeit bei Vorwerk, seiner nächsten professionellen Herausforderung, überschrieben ist (Reineke/Eisele 1991, S. 132ff.; ebenso in der nächsten Auflage 1994, S. 169ff.).
Anmerkungen
1 Die Demag war auch an dem deutschen Industriekonsortium beteiligt, das Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre das Stahlwerk „Rourkela“ sozusagen mitten in den indischen Dschungel baute. Die deutschen Industrieunternehmen, die daran beteiligt waren, schufen aufgrund der Krise, in der Rourkela steckte, u. a. auch den „Arbeitskreis Indien“ (AKI), ein interessantes PR-Gemeinschaftsprojekt, zu dem auch ein Beitrag im pr-museum.de In Vorbereitung ist. (G.BE.)
2 Vgl. auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Demag (Abruf am 8. Mai 2020).
3 „1957 präsentierte VOKO auf der Hannover-Messe das weltweit erste Funktionsmöbelsystem. 1976 wurde mit dem Modularen Element-Programm/Raum (MEPIR) erstmals die Einheit von Arbeitsplatz und Büroumfeld definiert. Wenige Grundelemente ermöglichten damals bereits eine Vielzahl raumökonomischer Konfigurationen.“ (Meldung von 1999/2000 auf https://www.unternehmermagazin.de/firmen/voko-franz-vogt-co-kg/neue-produktlinien/ ) Franz Vogt, Sohn des Firmengründers, war u.a. Präsident der IHK Gießen. Seine gemeinnützige Franz-Vogt-Stiftung förderte die Forschung an der Universität Gießen. Vgl. auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Vogt_(Unternehmer) (Abruf am 8. Mai 2020).
4 Diese und andere biografischen Angaben in diesem Kapitel beruhen, wenn nicht anders angegeben, auf Piwinger (o. J.).
5 Die Berichte wurden von der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer (ASU) mit einer Plakette in Silber und Bronze ausgezeichnet.