Ur- und Frühformen: Vom Brief zur PM

Ur- und Frühformen: Vom persönlichen Brief zur organisationellen Pressemitteilung

Pressearbeit allgemein und in der Politik

Abb.: Titel einer Monografie von Tobias Liebert zur Entstehung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Covergestaltung: Mark-Steffen Buchele.

Dass die Geschichte der Pressemitteilung unmittelbar mit der Geschichte der Presse – vor allem der Institution Zeitung – in Deutschland verbunden ist, liegt auf der Hand. Einerseits braucht Presse Informationen und diese müssen aus bestimmten Quellen kommen. Andererseits entstehen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft verschiedenste Bedürfnisse, sich als Quelle anzubieten und der Presse wirtschaftliche, politische oder sonstige Informationen zu liefern, die den eigenen Geschäften und Interessen nützen. Am Anfang mögen ambitionierte Persönlichkeiten oder Beauftragte von Amtsträgern, Unternehmern etc. gestanden haben, die gefragt und ungefragt in Briefform Informationen oder Standpunkte an eine konkrete Zeitung sandten, dann auch an mehrere. In einem weiteren Schritt wandelte sich die Form vom Brief in Richtung pressemäßig gestalteter Artikel.

Vermutlich gab es bei vielen Briefschreibern bzw. Informanten zunächst durchaus einen fließenden Mix an allgemein-publizistischer, selbstdarstellerischer oder geschäftlicher Motivation. Mit zunehmender Bedeutung von Öffentlichkeit bzw. öffentlicher Meinung, der Herausbildung industriell-kapitalistischer Strukturen und der Entwicklung zur Organisationsgesellschaft differenzierten sich Motive und Rollen aus, professionalisierten Unternehmen und Organisationen ihr Verhältnis zur Presse und damit auch ihre Informationsangebote für diese.

Schon im 18. Jahrhundert betrieben beispielsweise preußische Politiker und Beamte, wie der spätere „Reformstaatskanzler“ Karl August Fürst von Hardenberg als Minister in Ansbach-Bayreuth, Pressearbeit. Er und seine Administration schrieben u. a. fertige Artikel für Zeitungen, ohne allerdings auf manipulative Elemente zu verzichten.1

Beispiele für den Einsatz der Presse sind aus dem Jahre 1796 bekannt. Anlass war ein Konflikt um Gebietsansprüche im Raum Nürnberg. Hardenberg ließ am 4. Juli 1796 in regionale und überregionale Periodika Nachrichten von der angeblichen Freude über die Besetzung unter den Anwohnern der Nürnberger Vorstädte einrücken; die ihnen eigens gewährte Kantonsfreiheit habe die Gemüter vollends für das preußische System eingenommen. Die Meldung war allerdings eine Falschmeldung, mit der Hardenberg versuchte, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dies ist nicht im Sinne heutiger PR-Auffassungen und missfiel auch dem preußischen Kabinett und Friedrich Willhelm II. Dieser reagierte schließlich mit gleichen Mitteln und informierte sämtliche preußische Gesandtschaften an europäischen Höfen, die daraufhin berichtigende Artikel veranlassten. Der Minister ließ es sich jedoch nicht nehmen, das letzte Wort in dieser Sache zu haben und sandte eine Richtigstellung aller mit den preußischen Revindikationen (also Anspruchsrechte, Wiederinanspruchnahmen) zusammenhängenden Gerüchte an die Presse.2

Pressearbeit in der Wirtschaft

Das 19. Jahrhundert war vor allem auch für die Wirtschaft eine Phase des Experimentierens mit verschiedenen Informations- und Beeinflussungskanälen. 1852 schrieb Krupp-Teilhaber Friedrich Sölling an die Redaktion der Allgemeinen politischen Nachrichten, weil er die Berichterstattung über die Firma für unrichtig hielt. Krupp baute dieses Vorgehen in den 1850ern aus und ließ mehrfach Anzeigen schalten, um sich von tatsächlich oder vermeintlich falschen Zeitungsberichten zu distanzieren und diese zu berichtigen. Da diese Strategie aber nichts brachte, versuchte Krupp ab 1870 das publizistische System von innen heraus zu beeinflussen. Er bezahlte verdeckt mehrere Journalisten und Redakteure, damit diese Krupp genehme Artikel in die Blätter lancierten. 1898 schließlich kaufte sich Krupp sogar eine eigene Zeitung, die Berliner Neuesten Nachrichten. Die Versuche, selbst „Journalismus“ zu machen, waren nicht sonderlich erfolgreich oder zu aufwändig, so dass die Zeitung bereits 1904 wieder verkauft wurde.3

Eine andere Strategie überzeugte mehr: Ab den 1860ern verfassten Krupp und seine Prokuristen eigene Mitteilungen und sandten diese an die Zeitungen.

Die Mitteilungen an die Zeitungen bezogen sich hauptsächlich auf Produkte, Leistungen und deren Vorteile. Krupp versuchte also, um es unter dem heutigen Begriff zu subsumieren, Produkt-PR zu betreiben.

Dabei sollte es sich nicht um eine einmalige Presseaktion handeln, sondern man beabsichtigte, die Zeitungen regelmäßig mit Mitteilungen zu versorgen. Besonders bemerkenswert ist an dem Vorschlag aber, dass Krupp als Ingenieur keinerlei schriftstellerische Erfahrung besaß und trotzdem vorschlug, die Informationen für die Zeitungen auf eine bestimmte Art und Weise aufzubereiten: Die Berichte sollten zunächst in einer ‚gedrängten Beschreibung‘ angedeutet und mit ‚gleichzeitiger vorheriger Ankündigung künftiger regelmäßiger Fortsetzung von detaillierten Berichten und gründlichen Erörterungen so eine dauernde Veröffentlichung des Wissenswerthen eröffnet werden‘ (…). Dadurch wollte er offenbar das Interesse der Journalisten wecken, indem ihnen zuerst die knappen Ankündigungen und später ausführlichere Berichte zugingen. Nachdem Krupp die beiden Prokuristen Meyer und Pieper der Firmenleitung dazu anhielt die Pressearbeit voranzutreiben, wogen sie ab, welches Organ am ehesten bereit wäre, die Kruppschen Themen zu veröffentlichen.

(Bieler 2010, S. 198f.)

Später wollte man diese Pressearbeit und das Verfassen von Pressemitteilungen in die Hände eines „Literaten“ geben und gründete schließlich ein unternehmenseigenes Nachrichtenbüro.4

Bei Siemens ist im Grunde die Entwicklung ähnlich, auch hier wurden zunächst verschiedene Instrumente erprobt. Anfangs versuchte Firmeninhaber Werner Siemens „gewissermaßen als normaler Bürger und Zeitungsleser amateurhaft den Verkehr mit der Presse zu regeln“ (Bieler 2010, S. 210; vgl. auch S. 211ff.). In den 1870ern schrieb er korrigierende Leserbriefe an die Redaktionen und gründete 1881 ein eigenes Fachblatt, die Elektrotechnische Zeitschrift. Aus dem aktiven Verfassen von Mitteilungen an die Presse durch ihn selbst gingen schließlich das Einbeziehen von Kommunikationsexperten und ein unternehmenseigenes Literarisches Büro hervor.

Autor(en): M.H.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu Kunczik 1997, S. 71ff., insbesondere S. 77 und 73. Detailliert Hofmeister-Hunger 1994.

2 Vgl. Hofmeister-Hunger 1994, insbesondere S. 83ff. und 96.

3 Bieler 2010, S. 189 und 194ff.

4 Vgl. Bieler 2010, S. 199ff.