Pressearbeit der Wirtschaft zwischen Gesellschaft und Verlegern

Pressearbeit der Wirtschaft wird als legitim angesehen

Gesellschaft erkennt Informationsbedürfnis der Wirtschaft an

Wenn auch lange vor 1914 faktisch Pressearbeit von Wirtschaftsunternehmen stattfand, so war ihre Legitimität doch nicht unumstritten. Wichtig ist, dass spätestens in der Weimarer Republik die Pressearbeit von wirtschaftlichen Organisationen nicht mehr primär als verurteilungswürdiges Unterlaufen der Trennung von redaktionellem und Anzeigen-Teil angesehen wurde. Auch Unternehmen, Verbände etc. generieren Informationen, die durchaus journalistisch relevant sein können und also in den redaktionellen Teil gehören.

Die Zeitung habe – so argumentierte ein Dr. C. – mit dem redaktionellen Teil gewisse Aufgaben übernommen, …

(…) darunter auch die, ihrem Leserkreis interessante, aktuelle Neuigkeiten mitzuteilen. Das große Warenhaus mit seinen Hunderten von Angestellten und Zehntausenden von Kunden, die große Unternehmung mit ihren Tausenden von Männern und Frauen, die bei ihr Arbeit und Brot finden, sie sind heute keine private Sache mehr. Was bei ihnen vorgeht, beschäftigt auch eine breite Öffentlichkeit. Der neue Leseraum im Warenhaus, der Kinoumbau durch einen ersten Architekten, das neue Verfahren der chemischen Fabrik, die Wohlfahrtseinrichtung der Maschinenfabrik sind für den Leser der Zeitung mindestens so interessant wie das erste Schneeglöckchen im Stadtgarten oder der letzte Wochenbericht der Kriminalpolizei.

Von Nachrichten dieser Art werden die Redaktionen des Feuilletons, des lokalen, wirtschaftlichen, technischen Teils gern Gebrauch machen, nach eigenem freien Ermessen, ohne jede Beeinflussung durch den Anzeigenteil. Sie befriedigen damit das Neuigkeitsbedürfnis ihrer Leser. Und der Werbefachmann wird bei dieser indirekten Werbung auch nicht schlecht fahren. Trägt sie doch dazu bei, Neues von dem Unternehmen, dass aus dem Anzeigenteil genügend bekannt ist, zu vermitteln.

(ZW 1928/4, S. 60, zit. nach Liebert 2003, S. 97)

Diese Argumentationslinie für eine legitime Pressearbeit mittels aktiver Pressemitteilungen gipfelte in einer professionellen Forderung aus PR-Sicht, die 1931 – gegen Ende der Weimarer Republik – so aufgestellt wurde: Es sei eine zentrale „Aufgabe der Pressestelle, die für das Gemeinwohl wichtigen Punkte ihres Interessengebietes herauszuarbeiten und der Presse druckfertig zur Verfügung zu stellen“ (Wichmann 1931, zit. nach Lange 2008, S. 54).

Die Fülle an Informationsangeboten via Pressearbeit von Organisationen und Unternehmen und ihre Auswirkungen auf den Journalismus wurden durch den 7. Soziologentag 1930 als zentrales Thema von gesamtgesellschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Relevanz diskutiert. Die moderne Zeitung habe …

(…) sich den Gegenspieler und vielleicht Beherrscher ihres unersättlichen Informationsdranges selbst erzogen: in den Pressestellen und Pressereferaten, die nunmehr jeder der Öffentlichkeit ausgesetzte oder sie suchende Lebensmittelpunkt von Staats- und Gemeindebehörden bis zu großen Künstlern und Kliniken sich einzurichten veranlasst sieht und die vielleicht noch nicht so sehr wirtschaftlich, jedenfalls aber geistig einen unabsehbaren Wettbewerb mit der autonomen Nachrichtenproduktion der Zeitungen, Telegraphenagenturen und Korrespondenzbüros eröffnet haben.

(Brinkmann 1930, S. 27, zit. nach Liebert 1996ff.)

Verleger fürchten um Anzeigeneinnahmen

Wenn Verleger und Journalisten in der Zwischenkriegszeit für eine „reinliche Scheidung von Text- und Anzeigenteil“ und damit häufig auch gegen eine im heutigen Sinne seriöse Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen auftraten, so hatte das auch wirtschaftliche Gründe. Jeden Publikationswunsch einer Organisation oder jede Produktinformation in den bezahlten Anzeigenteil zu verweisen, erhöhte die Einnahmen des Verlags.

„Werbepapst“ Mataja wies allerdings schon 1920 (S. 300) darauf hin, dass bei der Beurteilung der Seriosität von Pressearbeit die Position der „Zeitung“ (als Verlagsunternehmen) nicht die allein maßgebende sein könne. „Selbstlos und uneigennützig auf empfehlenswerte Waren usw. aufmerksam zu machen“, „mag dem geschäftlichen Vorteil der Zeitung widersprechen“, müsse aber nicht unbedingt „ihre Pflichten gegen die Leser“ verletzen.1 Und auf den Punkt gebracht: Der Ausschluss aller Mitteilungen aus dem Journalismus, …

(…) die irgendwelche Reklame“ für Waren oder Institutionen enthielten, könne weder erwartet noch begehrt werden. „Nachrichten von allgemeiner Bedeutung, wohl verdiente Empfehlungen, die vorzubringen den Bedürfnissen der Leser entspricht, lassen sich nicht verhindern, sollen nicht verhindert werden.

(Mataja 1920, S. 300)

Auch auf dem Soziologentag 1930 wurde eine aktive Pressearbeit von Unternehmen als notwendig anerkannt: Die Wirtschaft könne nicht aufhören, „an die Presse heranzutreten, ihr Nachrichten bestimmter Art anzubieten, sie zu ersuchen, bei den Millionen eine Zustimmung zu ihrer Wirtschaftsführung einzuholen. Die großen Unternehmungen und Verbände bedürfen eines gewissen Maßes öffentlichen Vertrauens und der Anerkennung – ohne Autorität und Popularität kann sich kein Verband, keine Unternehmung durchsetzen und im Großen gesehen, wirtschaftspolitisch erhalten. Zu diesem Zwecke (…) (gibt es diese) neugegründeten Pressestellen, die wir überall finden.“ (von Eckardt 1930, S. 42f., zit. nach Liebert 1996ff.)

Abb.: Doppelseite zur Geschichte privatwirtschaftlicher PR aus einem Beitrag von Günter Bentele und Tobias Liebert. Quelle: Arnold/Neuberger: Alte Medien-neue Medien. VS Verlag 2005.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Anstößig werde redaktionelle Reklame erst dann, „wenn die Hervorhebung oder Empfehlung eines Gegenstandes nicht auf Grund eigenen Urteils der Schriftleitung oder nicht an dem Orte und zu der Zeit stattfindet, wo und wann dies den Aufgaben des Beitrages entspricht, um den es sich handelt. Jedes Lob ist berechtigt, wenn es der wirklichen Meinung dessen entspricht, der es vorbringt, und wenn es zur rechten Zeit und am richtigen Orte erfolgt.“ (Mataja 1920, S. 298ff.)