Korrespondenzen und Pressedienste

Solche und solche Korrespondenzen – Pressedienste als kontinuierliche Pressemitteilungen

Abb.: In dieser Festschrift ist ein Beitrag von Günter Bentele und Tobias Liebert zur PR-Geschichte enthalten.

Die alte „Text-Reklame im redaktionellen Teil“ beruhte auf Übertölpeln oder Bestechen. Das Verhältnis zwischen Organisationen und Presse wurde allerdings zunehmend professioneller und wandelte sich teilweise zur Partnerschaft und gegenseitigen Rollenakzeptanz.1

Als eine typische historische Form der halbwegs professionalisierten Pressemitteilung können (Frei- oder Gratis-) Korrespondenzen angesehen werden. Korrespondenzen liefern – so Zeitungskundler Bücher (1912/1926, zit. nach: Fischer/Minte /Hrsg./ 1981, S. 261f. und 264) – bereits verarbeitetes Material, ‚Artikel‘ für eine Mehrzahl von Zeitungen und zwar auf einseitig bedruckten oder autographierten Blättern, die von den Redaktionen nach Belieben und ohne Quellenangabe wie Manuskript benutzt werden können“. Der Transparenz war allerdings abträglich, dass es sowohl journalistische (also beispielsweise von Korrespondenten oder freien Journalistenbüros) als auch PR-Korrespondenzen (also vor allem von Pressestellen) gab. Erstere waren eine Art Vermarktungsplattform freier Journalisten, Letztere Distributionskanäle interessenbestimmter Information.

Die ersten Korrespondenzbüros entstanden in Deutschland in den 1830er-Jahren,2 also deutlich eher als unternehmerische Pressestellen. In Preußen und dem deutschen Kaiserreich erreichte das „Korrespondenzwesen“ beachtliche Dimensionen. Die PR-Korrespondenzen von Literarischen Büros, Pressestellen etc. kann man als mehr oder weniger regelmäßige, gesammelte Versendung mehrerer Pressemitteilungen verstehen, die ebenso wie einzeln versandte Pressemitteilungen eine wichtige Informationsgrundlage für die Presse darstellten.

Die Aussendungen von Pressestellen bzw. Nachrichtenämtern wurden auch – vor allem in der Zeit der Weimarer Republik – als Pressedienste bezeichnet. Für Pressemitteilungen war auch der Begriff Pressenotizen gebräuchlich, u. a. als Gegenbegriff zu den steif formulierten amtlichen Bekanntmachungen.

Beispiele für Korrespondenzen und Pressedienste

Preußen (Beispiel)

Preußische Regierungsstellen nutzten frühzeitig Korrespondenzen für die amtliche Pressearbeit. Die Centralstelle für Preßangelegenheiten gab ab 1853 die Preußische Correspondenz für größere Zeitungen heraus, auch gab es eine Sonntags-Correspondenz für kleine Wochen- und Kreisblätter. Nach der Reorganisation der preußischen Pressearbeit im Literarischen Bureau 1860 spielten Korrespondenzen weiter eine wichtige Rolle. Die Provincial-Correspondenz enthielt leitende Artikel, berichtigende Artikel, amtliche Berichtigungen falscher Nachrichten, Nachrichten aus sämtlichen Ministerien, Berichte über die Landtagsverhandlungen und vermischte Artikel. Wöchentlich wurde diese „Zeitung für die Zeitung“ an Redaktionen geliefert, die diese abonniert hatten. Den Redakteuren standen demnach druckfertige Artikel zur Verfügung, die sie übernehmen konnten.

Des Weiteren wurden auch so genannte Waschzettel, die zwischen dem Literarischen Bureau und den einzelnen Ministerien kursierten, an Korrespondenten weitergegeben, die für eine oder mehrere Zeitungen arbeiteten und dort für deren Veröffentlichung sorgten.3

Kaiserzeit (Beispiel)

1876 beispielsweise gab die Innere Mission der evangelischen Kirche eine Evangelische Korrespondenz für Deutschland heraus. Ihre zunächst kurze Lebensdauer bis 1878 war wohl auch auf ihren „Zwittercharakter“ zwischen Journalismus und PR zurückzuführen:

Die Korrespondenz musste immerhin zu einem Preis von jährlich acht Mark abonniert werden (…). Von daher ist es wahrscheinlicher, dass die Zeitungen schlichtweg nicht bereit waren, für ein monothematisches Themensammelsurium zu bezahlen. Von der Presse einen Obolus für die kirchlichen Inhalte einzufordern, scheint in Anbetracht der Vorstellung von einer effizienten Öffentlichkeitsarbeit aus heutiger Sicht geradezu absurd.

(Bieler 2010, S. 159)

Spätere Korrespondenzen der evangelischen Kirche – um bei diesem Beispiel zu bleiben – waren erfolgreicher und verstetigten sich.4 Auch im politischen Bereich wurden Korrespondenzen bald kostenlos an die Zeitungen abgegeben.

Weimarer Republik

In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts überstieg „das in Form von Freikorrespondenzen aus den Pressebüros der Interessenverbände hereinströmende Material“ den verfügbaren Zeitungsraum um ein Vielfaches, „manchmal um das Zehnfache“ (Dietrich 1929, S. 7 und 12, zit. in Liebert 2003, S. 55). Allerdings wurden die Frei- oder Gratiskorrespondenzen von vielen Fachvertretern auch unter „redaktionelle Reklame“ subsumiert und damit – gemessen an heutigen PR-Verständnissen – diskreditiert.

Behördliche Pressedienste konnten in einen solchen Verdacht in der Regel nicht kommen. Das kommunale Nachrichtenamt der Stadt Leipzig beispielsweise betrieb in der Zeit der Weimarer Republik einen Ratspressedienst, der im Jahre 1927 immerhin aus „rund 2.200 Pressemitteilungen und amtlichen Bekanntmachungen“ bestand – nicht mitgerechnet gelegentliche direkte Mitteilungen einzelner städtischer Fachämter an die Presse.5

Abb.: Ausriss aus dem Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig 1927.

Autor(en): M.H.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu Liebert 2003, S. 92ff.

2 Goros 1998, S. 61.

3 Vgl. u. a. Kunczik 1997, S. 85f.

4 Vgl. u. a. Bieler 2010, S. 162ff.

5 Verwaltungsbericht Leipzig 1927, S. 16. Vgl. auch Liebert 1996ff.