Verhältnis zur Presse: allgemein

Ambivalente Einschätzungen

Abb.: Arbeitszimmer von Bundeskanzler Adenauer im Palais Schaumburg Bonn im September 1950. Foto: Prof. Arntz und E. Burow. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-057830, Arntz, Prof.; Burow, E., CC-BY-SA / Wikimedia Commons, Attribution Share alike 3.0 German license http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

In Adenauers „Erinnerungen 1945-1953“ (insgesamt 609 PDF-Seiten) taucht nach automatisierter Suche immerhin an 95 Stellen das Wort „(P)resse“ allein oder in den verschiedensten Zusammensetzungen auf, darunter 32 Mal als „Pressekonferenz“. In den „Erinnerungen 1953-1955“ (insgesamt 574 PDF-Seiten) ergab die Suche: Presse 39 x, darunter Pressekonferenz 7 x. Im offiziellen Gesamtsachregister für alle vier Erinnerungsbände verweist das Stichwort Presse auf Zeitungen, Rundfunkwesen taucht einmal im Zusammenhang mit seiner Neuordnung auf.1

Adenauers Verhältnis zur Presse wird in der Literatur äußerst ambivalent dargestellt.2 Schon als Kölner Oberbürgermeister wies Adenauer der Presse eine wichtige Rolle zu, sah ihre Aufgabe im politischen Bereich aber insbesondere in Zurückhaltung, um den Leser nicht zu beeinflussen. Für sich erwartete er Unterstützung oder zumindest Loyalität durch die Presse. Zwar erkannte er auch die Kritikfunktion der Presse an, erwartete aber ausschließlich ausgewogene bzw. konstruktive Kritik. Rein negative Äußerungen empfand er in Zeiten des Wiederaufbaus als kontraproduktiv.3

Die Überparteilichkeit der Lizenzpresse nach 1945 zweifelte er an und vermutete dahinter eine einseitige Parteinahme zugunsten der Sozialdemokratie.4 Über die Zeit von 1945 bis 1949 schrieb Adenauer bezüglich der Medien:

Die öffentliche Meinung ist in Deutschland nicht frei. Insbesondere ist die Regelung des Pressewesens nicht zufriedenstellend. Es werden Lizenzen erteilt für Zeitungen. Die Lizenzinhaber (…) sind der Militärregierung für das, was in der Zeitung geschieht, haftbar. Obwohl seit einiger Zeit die Erteilung von Lizenzen deutschen Ausschüssen übertragen ist, behält sich die Militärregierung vor, jederzeit eine Lizenz zu entziehen (…). Sie werden verstehen, dass ein Lizenzinhaber, für den der Entzug der Lizenz den Verlust nicht unerheblicher materieller Werte bedeutet, auch ohne Vorzensur dafür sorgt, dass nichts in der Zeitung steht, das ein zu erhebliches Missfallen der zuständigen Stellen der Militärregierung hervorrufen kann. (…) Rundfunk und Nachrichtenbüros waren unter dem Einfluss der Militärregierung zunächst sehr einseitig parteipolitisch besetzt. Langsam tritt hier eine Wendung zum Besseren ein.

(Adenauer 2008, S. 189)

Erste Perspektive: Skepsis und Konflikte

Insbesondere in der Literatur bis Ende der achtziger Jahre wird vorrangig das Bild einer konfliktgeladenen Beziehung skizziert. Adenauer wurde eine tiefgreifende Skepsis gegenüber Pressevertretern nachgesagt: Er fühlte sich häufig missverstanden und den Launen der Journalisten willkürlich ausgeliefert. Seine Skepsis gegenüber der Presse ging manchmal so weit, dass er die Presse für misslungene politische Vorhaben verantwortlich machte.

In der Literatur, auch in Adenauers „Erinnerungen“, finden sich daher zahlreiche Geschichten über Konflikte mit einzelnen Pressevertretern. Laut Hoffmann (1992, S. 40ff.) stand Adenauer mit einigen Pressevertretern sogar dauerhaft auf Kriegsfuß, so z. B. mit dem Journalisten der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Paul Sethe, aufgrund seiner wiederholt kritischen Kommentare zu Adenauers Wiedervereinigungspolitik. Dieser Konflikt führte dazu, dass Adenauer im CDU-Bundesvorstand anregte, die Annoncenschaltung in der FAZ zu beenden, worauf er sich den Vorwurf der Beeinflussung der freien Meinungsäußerung über das Anzeigen-Geschäft gefallen lassen musste.

Baring (1982, S. 537) kommt auch daher zu dem Schluss: ,,Adenauer sah in der Presse keinen Partner, sondern ein Werkzeug. Sie war dazu da, seiner Politik zu dienen. Er hat die Funktion der Publizistik in einer freiheitlichen Demokratie nie begriffen, vielleicht nie begreifen wollen“.

Zweite Perspektive: aktives Zugehen und „Partner“

Insbesondere seit der Analyse von Adenauers Teegesprächen durch den Bonner Historiker Hanns Jürgen Küsters (1988) und bei Betrachtung der neueren Literatur seit den neunziger Jahren lässt sich ein deutlich differenzierteres Bild zeichnen. Denn seit 1945/1946 unterhielt Adenauer enge Beziehungen zu Vertretern der in- und ausländischen Presse. „Er sah Journalisten nicht, wie oftmals behauptet, nur als eine Schar lästiger ‚Heckenschützen’, sondern entdeckte in ihnen auch eine Art Partner“, schreibt Hein (1998, S. 58f.).

Diese ‚Partnerschaft’ wusste er meistens auch so zu nutzen, dass viele der Journalisten seine Politik in den jeweiligen Blättern vertraten oder verteidigten. Seine Informationspolitik war genau durchdacht und organisiert: Die Presseleute mussten, um Adenauers Politik verstehen zu können, auch in manche Einzelheiten eingeweiht werden. Damit dieses Unterfangen gelang, ohne entscheidende Geheimnisse preiszugeben, entschied sich Adenauer für einen stark dialogisch geführten Informationsstil.

(Hein 1998, S. 58f.)

Autor(en): A.-D.S.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Adenauer 1978, 1978a, 1980 und 1980a.

2 Vertiefend dazu vor allem Baring 1982, S. 76, Hase 1988 und Hoffmann 1992, S. 29f. sowie Küsters 1988, S. 14ff.

3 Vgl. Hoffmann 1992, S. 30.

4 Vgl. Küsters 1988, S. 17f.