Überblick: Klassifizierung kritischer PR-Ansätze

Zugang zu PR-kritischen Ansätzen über zwei Überblicksdarstellungen

Abb.: Teil des Buchdeckels von Kuncziks Theorie-Überblicksbuch aus dem Böhlau-Verlag, hier in der ersten Auflage von 1993.

Das mehrfach wiederaufgelegte Überblickswerk von Michael Kunczik über „Konzepte und Theorien“ der Public Relations enthält bereits in seiner ersten Auflage 1993 ein Kapitel zur „Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit“. Neben dem deutschen Philosophen und PR-Kritiker Habermas („Strukturwandel der Öffentlichkeit“ und verschiedene Aufsätze) und der marxistisch-leninistischen Kritik aus der DDR behandelt Kunczik eine Reihe englischsprachiger, meist amerikanischer Autoren.

Auch das einschlägige, bereits in dritter Auflage erschienene „Handbuch der Public Relations“ (Fröhlich/Szyszka/Bentele 2015) enthält einen Aufsatz über „Kritische Ansätze“ von Joachim Westerbarkey, der sich wiederum mehrmals auf Kunczik bezieht. Westerbarky (2015, S. 264f.) verzichtet aber darauf, die Ansätze von mehreren der genannten Autoren näher zu erörtern, (…)

(…) weil sie entweder keine spezifischen PR-Theorien sind, sondern ihre Vertreter ganz allgemein Strategien und Formen persuasiver (Massen-) Kommunikation infrage stellen, also auch Reklame (…) und/oder Propaganda (wie Baran 1966; […] Galbraith […]; Hirsch 1980; Lindblom 1980 oder Sweezy 1970), weil sie sich primär mit ökonomischen Fragen auseinandersetzen (…), oder weil sie sich auf klassisch-marxistische Positionen beschränken (…), (die) PR als ‚ideologisches Kampfprogramm der Großbourgeoisie‘ denunzie(ren)

(Westerbarkey 2015, S. 265).

Obwohl diese Feststellungen für mehrere Autoren durchaus zutreffen, folgen wir ihnen als Ausschlusskriterien einer ausführlicheren Behandlung nur bedingt. Der Grund dafür liegt in unserem primär PR-historischen bzw. theoriegeschichtlichen Erkenntnisinteresse. Dieses zielt nicht nur auf explizite PR-Verständnisse ab, sondern auch auf Erklärungsangebote für gesellschaftliche, wirtschaftliche, mentale etc. Konstellationen, die ein verstärktes oder verändertes Interesse für Öffentlichkeitsarbeit/PR hervorgerufen haben.

Mögliche Systematisierung PR-kritischer Ansätze

Abb.: Kurze Inhaltsangabe zu Kuncziks Theorie-Überblicksbuch aus dem Böhlau-Verlag, hier in der ersten Auflage von 1993 (Buchrückseite).

Kunczik (1993, S. 153) gruppiert jene Autoren, die in die uns interessierenden Jahrzehnte fallen1, wie folgt:

a) Kritik von der „neo-marxistisch orientierten politischen Ökonomie“, die den Einfluss des „Basissystems“ Wirtschaft auf die gesamte Gesellschaft (und damit mehr oder weniger auch die kommunikative Macht der Wirtschaft) beleuchtet. Als Hauptvertreter werden Paul Baran und Paul M. Sweezy genannt. Baran hat – wie Kunczik ausführlicher auf S. 162f. schreibt – persuasive Kommunikation insbesondere im Zusammenhang mit dem „System des Monopolkapitalismus“ betrachtet, welcher nicht ohne einen „unaufhörliche(n) Feldzug offizieller und halboffizieller Propaganda“ auskomme.

b) Kritik an der „mangelnden Leistungsfähigkeit des Marktes“ durch die „Neo-Institutionalisten“ (S. 153), wie John Kenneth Galbraith und Fred Hirsch. Oder Charles Lindblom, der speziell die „persuasive Kommunikation (Überredung, Werbung, Indoktrination) als einen wesentlichen Mechanismus der Steuerung wirtschaftlichen Verhaltens“ herausgestellt hat (Kunczik 1993, S. 153).

Alle genannten Autoren verfolgten die „Kolonialisierungsthese“, nach der „kommerzielle Rationalität“ traditionelle Sozialstrukturen, Weltanschauungen etc. überlagere und das Alltagshandeln der Menschen beherrsche (Kunczik 1993, S. 154). Galbraiths Auffassungen zur „PR des gereiften Industriebetriebes“ werden von Kunczik allerdings zusätzlich auch an anderer Stelle (S. 175-178) im Unterkapitel „PR als Management der System-Umwelt-Beziehungen“ referiert.

c) Im Zusammenhang der Habermas‘schen Kritik weist Kunczik (S. 159f.) auf David Riesman u.a. hin, die die „Analyse von Politik als Konsumgut“ ähnlich vorgenommen hätten.2 Riesman u.a. akzentuieren die „Passivität im politischen Bereich“ – zurückgehend auf eine „amorphe Machtstruktur“ – oder den Einfluss solcher kommunikativer Phänomene wie die „glanzvoll attraktive Aufmachung (glamor – sic!)“ oder „Fiktionen“ von vermeintlichen Interessenskonstellationen.

Im Folgenden stellen wir die uns interessierenden englischsprachigen Autoren in der Reihenfolge des Erscheinens ihrer deutschen Ausgaben vor.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Aufgrund unserer zeitlichen Beschränkung hier in diesem Text behandeln wir solche prominenten Autoren wie z.B. Chomsky oder den PR-theoretisch interessanten Gandy nicht. Vgl. dazu u.a. Westerbarkey 2015, S. 266 und 265. Auch bleibt die interessante Denklinie  der „corporate propaganda“ außen vor.

2 Vgl. auch bei Westerbarkey 2015, S. 265.