Johann Hinrich Wichern
Einleitung
Wicherns Lebensleistungen
Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, bezeichnete Johann Hinrich Wichern als „die größte Gestalt im deutschen Protestantismus des 19. Jahrhunderts“ (Böttcher 1965, S. 22).
Johann Hinrich Wichern (1808-1881), selbst eines von sieben Kindern und mit nur 15 Jahren zum Hauptversorger der Familie geworden, erkannte den Handlungsbedarf der Zeit. Er öffnete durch seine leidenschaftlichen Initiativen der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts die Augen für die Missstände der Unterschicht.1 Für seine Überzeugung und seinen Glauben ging er an seine körperlichen Grenzen: Als unermüdlicher Workaholic und demütiger Christ widmete er sein Leben drei großen Aufgaben, wie Ulrike Döring, Autorin einer kommunikationswissenschaftlichen Dissertation über die Öffentlichkeitsarbeit der evangelischen Kirche in Deutschland2, schreibt:
- Als junger Mann setzte er sich für Proletarierkinder in Hamburg ein und schuf für sie das Rauhe Haus in Hamburg-Horn, eine Rettungsanstalt für verwahrloste Jugendliche.
- Durch seine engagierte Arbeit gründete er die Innere Mission und damit die auch heutzutage erfolgreiche Diakonie. Er knüpfte ab 1840 ein landesweites Netz von Missionsvereinen, die die soziale Not in Deutschland linderten.
- Als Bediensteter des preußischen Staates trieb er die Gefängnisreform in Deutschland voran.3
Kirchlich-karitativer Kommunikations-Pionier
Diese Erfolge basierten zu großen Teilen auf seinen kommunikativen Fähigkeiten und Maßnahmen. Als konsequenter Kommunikator und „Networker“ spannte er ein großes Beziehungsnetzwerk, welches er durch unterschiedliche Instrumente mit Informationen versorgte. Seine Zielgruppe beschränkte sich jedoch nicht nur auf potentielle Wohltäter und Sponsoren im Hamburger Raum, vielmehr richtete er sein Augenmerk auf die gesamte deutsche Bevölkerung und vor allem auf die Kirche, in der er den ersten Ansprechpartner und Hilfespender für die Armen sah. „Wichern bezog die Öffentlichkeit nicht nur bewusst in seine Pläne ein, sondern er kalkulierte mit der öffentlichen Diskussion.“ (Döring 1997b, S. 288)
Dabei waren seine Kommunikationsmittel die der PR-Praktiker von heute. Er nutzte persönliche Beziehungspflege, engagierte sich stark im Bereich der Pressearbeit, hielt im kleinen Rahmen sogar Pressekonferenzen ab, sorgte für die kontinuierliche öffentliche Darlegung der Interessen, kreierte ein eigenes Signet und erschuf ein eigenes Mitteilungsblatt. Er kommunizierte brennende Themen über soziale Grenzen hinweg und war dabei sowohl ein barmherziger Samariter als auch ein konsequenter Kommunikator.
Anmerkungen
1 Ganz nebenbei erfand er auch den Adventskranz: http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/showcard.php?id=4506