Lebensmission von Horst Avenarius: Verfechter und Wächter der PR-Ethik
Engagement für PR-Ethik und berufsständische Selbstkontrolle
Im Berufsverband DPRG:
Von 1988 bis 1991 arbeitete er in der Berufsorganisation DPRG als Vizepräsident und zugleich in der Ethik-Kommission des Verbandes. In jener Zeit – 1991 – leistete er seinen ersten formalisierten Beitrag zur Entwicklung deutscher PR-Kodizes bzw. Richtlinien:
Die von Horst Avenarius entwickelten, recht kurz und prägnant gehaltenen Sieben Selbstverpflichtungen (eines DPRG-Mitglieds – T.L.) signalisieren Realismus und enthalten schon in den ersten beiden Punkten einerseits die Verpflichtung von PR-Praktikern der Öffentlichkeit, andererseits dem Auftrag- oder Arbeitgeber gegenüber. Die Beachtung des Wahrhaftigkeitsgebots, aber auch der Loyalitätspflichten, die Fairness gegenüber sowie die Achtung und gewissenhafte Information von Journalisten, deren Unabhängigkeit nicht angetastet werden soll, stehen im Mittelpunkt dieser Verpflichtungen, die auch teilweise die Spannung zwischen ethischen Werten zum Ausdruck bringen.
(Bentele 2015, S. 1077)1
1992 wurde Horst Avenarius zum Vorsitzenden des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) gewählt. Das Gremium fungiert nach seinem Selbstverständnis analog zum Deutschen Presserat und zum Deutschen Werberat als Selbstkontrollorgan der Branche. Avenarius hatte den Ratsvorsitz bis 2008 inne. Von 1992 bis 1997 war er zugleich Vorsitzender des DPRG-Ehrenrates.2
Im Selbstkontrollorgan DRPR:
Mit Avenarius kam neuer Schwung in die Tätigkeit des 1987 gegründeten DRPR, vor allem ab 1994/953:
Nach einer ersten, recht inaktiven Phase wurde der Rat mit der Übernahme des DRPR-Vorsitzes durch Horst Avenarius, dem ehemaligen PR-Chef von BMW, im Jahr 1991 deutlich aktiver. Avenarius hat durch seine organisatorischen und publizistischen Aktivitäten maßgeblich dazu beigetragen, dass der DRPR und seine Entscheidungen heute auch von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
(Bentele 2015, S. 1077f.)
Als Erfolge des Rates benannte Avenarius 2005 „etwa die gestoppte Bezahlung von Demonstranten durch Agenturen oder das Verschwinden von Abdruckgarantien, mit denen PR-Firmen früher offen für von ihnen produzierte Placement-Texte warben“ (Driesen 2005, S. 26). Die „Affäre Moritz Hunzinger“ und das „zeitweise dominante Thema Schleichwerbung“ waren weitere Ratsgegenstände, die in mehreren Publikationen dokumentiert bzw. aufgearbeitet sind (v. a. Avenarius/Bentele 2009 sowie Avenarius 2019, S. VII u. a.).
Gelegentlich stand Avenarius „auch selbst im Feuer“:
Im Editorial des PR-Magazins 8/97 hielt man mir vor, dass ich korrumpierende Dauerleihgaben an Presseleute veranlasst oder geduldet hätte. Ich habe das im konkreten Fall richtigstellen können, aber hinzugefügt, ganz generell sei auch ich als PR-Mensch keineswegs ohne Fehler. Anlass, sich mit meiner früheren Funktion recht hämisch zu beschäftigen, war die Veröffentlichung einer ‚PR-Richtlinie für den Umgang mit Journalisten‘. Aber so geht es jedem, der den Saubermann spielt. Seine Normen werden an den Realitäten gemessen, die postulierte Moral wird mit dem tatsächlichen Leben konfrontiert.
(Avenarius 1998; auch in Avenarius 2019, S. 76)
Die langjährige Beschäftigung mit Kommunikationsethik und insbesondere seine Tätigkeit als Vorsitzender des DRPR von 1992 bis 2008 sowie späterer Ehrenvorsitzender fanden nicht nur nationale, sondern auch internationale Resonanz.4
Über Avenarius als DRPR-Ratsvorsitzender
Jörg Schillinger, Vorsitzender des Trägerrats des DRPR und BdP-Präsident, würdigte Avenarius 2015:
Dr. Horst Avenarius hat der Profession der Pressesprecher und Kommunikationsverantwortlichen in Deutschland als jemand, der die Branche vielfach reflektiert hat, Orientierung und Richtlinien verschafft, die für unseren Berufsstand unerlässlich sind.
(DRPR 2015)
Günter Bentele, langjähriger PR-Professor in Leipzig und ein Nachfolger von Avenarius als Vorsitzender des DRPR:
Dr. Avenarius hat der gesamten Branche durch dieses Engagement im Ethik-Rat und sein publizistisches Werk größere Reputation verschafft und dort Bewusstsein für eine ethische fundierte und professionelle Praxis geschaffen.
(DRPR 2015)
Avenarius zeige – so schrieb ein Fachjournalist 2005 – (…)
(…) den eisernen Willen, den Protagonisten auf der PR-Seite des aktuellen (Stand 2005 – T.L.) Schleichwerbungssumpfs auf den Zahn zu fühlen. Denn das Thema Ethik sieht Avenarius nicht sportlich. Da hat er Textsammlungen herausgegeben, Fachaufsätze geschrieben und in seiner Funktion als Studienleiter und Lehrbeauftragter an diversen Fakultäten vor Generationen von PR-Studenten Vorlesungen gehalten. Wenn er sich über Ethik in Rage doziert, dann fuchtelt Avenarius tatsächlich mit erhobenem Zeigefinger herum – und trotzdem hängt der Branchennachwuchs dabei an seinen Lippen.
(Driesen 2005, S. 24)
Jürgen Pitzer, zeitweilig Ratsmitglied und PR-Chef der Landesbank Rheinland-Pfalz, charakterisierte Avenarius‘ Stil so:
‘Er beherrscht das argumentative Florett, aber wenn er sich in der Minderheitenposition wiederfindet, beharrt er nach Art eines Gentlemans nicht auf seinem Standpunkt.‘ Pitzer meint, in seiner Signalwirkung habe der DRPR trotz manchen Zauderns und Zagens ‚gegenüber Presserat und Werberat deutlich zugelegt‘.
(Zitiert nach: Driesen 2005, S. 27)
Richard Gaul, Avenarius‘ früherer Mitarbeiter und Nachfolger als Kommunikationsverantwortlicher von BMW, über die „Ethik-Mission seines Mentors“:
Der Kampf gegen Gipfel vermag Menschenherzen auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
(unter Nutzung des Schlusses aus Albert Camus‘ Essay „Der Mythos des Sisyphos“. Zitiert nach: Driesen 2005, S. 27)
Hier endet der erste Teil der Abhandlung über Horst Avenarius.
Ein zweiter Teil beleuchtet Avenarius‘ Zuwendung zur PR-Wissenschaft, insbesondere seine Verdienste als Forschungsförderer (ab 1989) und Verfasser eines systematischen und zugleich originellen Grundlagenwerkes zur PR (erstmals 1995) sowie seine Lehrtätigkeit.
Anmerkungen
1 Und weiter: „An den Sieben Selbstverpflichtungen wurde weniger inhaltlich als formal kritisiert: die Ich-Form der Verpflichtungen, Verben wie ‚dienen‘ seien nicht mehr auf der Höhe der Zeit.“ (Bentele 2015, S. 1077)
3 Vgl. dazu Patrick Hacker in Avenarius/Bentele 2009, S. 93-97.
4 „Es gab einige direkte, internationale Reaktionen auf die Beiträge und Äußerungen des Autors. Der Text über German Experiences veranlasste amerikanische PR-Praktiker, vergleichbare Überlegungen für ihr Land zu erwägen. Und den italienischen PR-Repräsentanten Toni Muzi Falconi brachten die Erfahrungen von Avenarius mit dem DRPR dazu, einen Europäischen Rat für Public Relations vorzuschlagen.“ (Günter Bentele in Avenarius 2019, S. VI)