Biografie von Horst Avenarius (I): Jugendzeit und Studium

Kindheit, Kriegsende 1945, Abitur

Abb.: Auch Raulf 2012 hat sich in ihrer Masterarbeit intensiv mit der Biografie von Avenarius beschäftigt. Hier ein kleiner Auszug mit Foto. Quelle: Raulf 2012, S. 52.

Horst Avenarius (auch Avenarius-Herborn)1 wurde am 26. August 1930 in Gau-Algesheim, einer Stadt im heutigen Rheinland-Pfalz zwischen Mainz und Bingen in der Nähe des Rheins, geboren.2 Er war das erste von sieben Kindern eines Chemie-Fabrikanten, einem promovierten Chemiker und Chef eines mittelständischen Unternehmens mit etwa 50 Mitarbeitern. Die Stadt hatte damals ca. 3.500 Einwohner. Er verlebte einen Großteil seiner Kindheit im Garten und war oft mit dem Pferdegespann seines Großvaters unterwegs.

Nach seiner Selbsteinschätzung (in Avenarius 2012, 03:40) war er ein „introvertiertes Kind“. Avenarius betrachtet es als eine Lebensleistung, aus dieser Introvertiertheit herausgekommen zu sein und den PR-Beruf ergriffen zu haben. Er war eine „Leseratte“ (02:05), schon früh wurden ihm auch historische Bücher geschenkt. Seine geisteswissenschaftlichen Interessen waren dominant, dadurch musste er die Erwartungen seiner Eltern, die Fabrik zu übernehmen, schon früh enttäuschen.

Die meiste Zeit der ersten 15 Jahre seines Lebens verbrachte Avenarius unter den Bedingungen der NS-Diktatur. Sein Vater war unauffälliges Parteimitglied, er selbst war „Jungzugführer“ im Deutschen Jungvolk.3 Politik und Nationalsozialismus spielten aber im Familienleben eine untergeordnete Rolle.

Eine wichtige Lebenserfahrung für Avenarius war das Kriegsende 1945, das er mit 15 Jahren erlebte und in dem ihn die „Opulenz“ der amerikanischen Armee, die auch in Gau-Algesheim einzog, beeindruckte. Dies öffnete ihm die Augen für die eingeschränkte und falsche Information während der Zeit des Nationalsozialismus und die Wichtigkeit einer freiheitlichen und freien Information nach 1945 (06:22f.; vgl. auch Raulf 2012, S. 52 ff.).

1949 – im Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland – legte er sein Abitur mit einem Notendurchschnitt im Bereich „sehr gut“ ab.

Studium und Promotion 1956/57

Horst Avenarius studierte „Geisteswissenschaften“ (Avenarius o. J.), genauer gesagt „Philosophie, Soziologie und Geschichte in Mainz, Paris und München“ (Armbrecht/Zabel 1994, Autorenvorstellung). 1949 begann seine Studentenzeit mit dem Studium zunächst der Philosophie in Mainz, im ersten Jahr auch zusätzlich Mathematik (Avenarius 2012, 14:43). Nach zwei Semestern ging er für ein Jahr nach Paris an die Sorbonne, besuchte dort Vorlesungen unter anderem über Hegel, Heidegger und Husserl.

Wie die Wahl seiner Studienfächer zustande kam, schilderte Horst Avenarius auf einer Podiumsdiskussion 2010 in Leipzig, die von Günter Bentele (rechts im Bild) und Bernd Schuppener (links im Bild) moderiert wurde. Hier der themenrelevante Video-Ausschnitt aus: Avenarius 2010-I, 09:30-10:07.

Bereits als Student schrieb er in einer Studentenzeitung. Uns liegt ein Titelseiten-Beitrag aus dem Jahre 1954 vor, über studentische Auslandsarbeit in internationalen Organisationen. Diese schwanke zwischen den „beiden Polen“: „der praktischen Tätigkeit und der politischen Haltung“ (Avenarius 1954).

Abb.: Eine Reichskrone als Sinnbild der Reichsidee. Hier: Westdeutsch, 2. H. 10. Jahrhundert; das Kronenkreuz einer Hinzufügung des frühen 11. Jahrhunderts… Weltliche Schatzkammer Wien. Foto: MyName (Gryffindor), Okt. 2007. Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

1956 wurde er an der Universität München in „Neuerer Geschichte“ promoviert (Armbrecht/Zabel 1994, Autorenvorstellung). Das Thema seiner Dissertation lautete: „Reichs- und Kaiseridee bei französischen Geschichtsdenkern: Beiträge zur Geschichte des Reichsbewusstseins in Europa“ (Avenarius 1956).4 Dieses Promotionsthema war ihm von Professor Franz Schnabl, dem Münchner Historiker, gestellt worden. Was zunächst sehr fern der späteren PR-Tätigkeit klingt, ist es aber nur bedingt: Die historische und reflexive Beschäftigung mit grundlegenden und komplexen Konzepten zu Sinn und Legitimation von staatlich-dynastischer Herrschaft dürfte es Avenarius später erleichtert haben, über Unternehmensphilosophien und Legitimationsstrategien von Organisationen sowie ihre Kommunikation und ethischen Aspekte nachzudenken.

Wie Horst Avenarius selbst den Nutzen seines Geschichtsstudiums (einschließlich seiner dortigen Promotion) einschätzt und warum er beispielsweise nicht Kommunikationswissenschaft (damals als Zeitungswissenschaft) studierte, beantwortete er in der oben bereits erwähnten Podiumsdiskussion auf eine Frage von Bernd Schuppener (links im Bild). Zugleich wird in der Antwort deutlich, dass ein Studium nie alle Fähigkeiten fürs Berufsleben herausbilden kann. Deshalb enthält der Video-Ausschnitt (Avenarius 2010-I, 12:40-14:45) zugleich einen „biografischen Vorgriff“ auf seine erste berufliche Station, den Mannesmann-Konzern. Daruf werden wir genauer auf der nächsten Unterseite unserer Abhandlung eingehen.

Nach seiner Promotion hielt er sich zunächst als Stipendiat des Auswärtigen Amtes in einer internationalen Organisation in Genf auf (Avenarius 1965, S. 1428).

Autor(en): G.BE.T.L.

Anmerkungen

1 Zur Familien- und Familienstammgeschichte siehe https://www.wikiwand.com/de/Avenarius http://www.avenarius.org/verein.php?articleid=116&show= . Familienmitglieder der Linie Avenarius-Herborn waren wichtige Industrielle in und um Gau-Algesheim, nach denen dort auch eine Straße benannt ist. Vgl. https://www.brilmayer-gesellschaft.de/gau-algesheimer-koepfe/avenarius-herborn-heinrich.html (Abruf am 15.6.2020).

2 Biografische Angaben vor allem aus Avenarius o. J., Wikipedia 2020 und DRPR 2015.

3 Das Deutsche Jungvolk war eine Jugendorganisation der Deutschen Hitlerjugend, die männliche Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren organisierte (G.BE.).

4 Unter „Reichsidee“ ist das „Konzept einer übernationalen (hier im Sinne von über den Völkern oder Nationen stehend) Herrschaft über ein Reich“ zu verstehen (Wikipedia 2020: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsidee ). Unter „Kaiseridee“ kann verstanden werden: „Gesamtheit der Gedanken und Vorstellungen über das Verhältnis des Kaisers zu Gott und über seine Aufgabe und Stellung in seinem Herrschaftsbereich, in der Christenheit, ja, in der Welt überhaupt.“ (Schaller 1974)