BMW-Kommunikation (I): CEO- und Produkt-PR

PR bei BMW: CEO-Kommunikation

Abb.: Raulf 2012 hat sich in ihrer Masterarbeit intensiv mit den strategischen Kommunikationsansätzen von Horst Avenarius beschäftigt, hier als Auszug S. 63. Quelle: Raulf 2012, S. 63.

Angesichts der Lage von BMW damals, Schlusslicht in der Automobilbranche zu sein, war der strategische Gedanke von Avenarius, Eberhard von Kuenheim, der mit 42 Jahren seit 1. Januar 1970 als junger Vorstandsvorsitzender der BMW AG agierte und in der deutschen Industrie noch „ein unbeschriebenes Blatt war“ (Avenarius 2012, 01:04:51), in den Mittelpunkt der Unternehmenskommunikation zu stellen:

Meine Aufgabe sah ich darin, wenn schon der ‚market share‘ von uns sehr klein war – fünf Prozent –, dass der ‚share of voice‘, also unser Anteil am Stimmengewirr innerhalb der Branche, dass der groß ist, dass der viel, viel größer wird. Und da war eines meiner Ziele, den Kuenheim aufzubauen, als – ja – ehrgeizig genug, als Sprecher der Industrie (…)

(Avenarius 2012).

Avenarius hatte zu der Zeit gute Kontakte zu verschiedenen Medien: Süddeutsche Zeitung, Bild etc. Einen Tag vor Beginn der IAA (Internationale Automobil-Ausstellung) erschien ein großes Interview mit von Kuenheim in der Süddeutschen Zeitung. Avenarius brachte auch in Statements oder in Reden – als Redenschreiber für von Kuenheim – dementsprechende Botschaften unter.

Irgendwann war das Ziel erreicht: Günter Prinz, Chefredakteur von Bild, habe von Kuenheim Avenarius gegenüber als „Sprecher der Automobilindustrie“ gerühmt. Kurz danach wurde von Kuenheim zweimal zum „Manager des Jahres“, die Wahl wurde von Wirtschaftsjournalisten vorgenommen, gewählt. Das strategische Kommunikationsziel von Avenarius war erreicht (vgl. Avenarius 2012 und Raulf 2012, S. 63).

PR bei BMW: Product Publicity und Erweiterung als „Bilanz Publicity“

Product Publicity

Abb.: Der hier referierte Text von 1988 erschien in: Hütter/Linke 1988, hier das Buchcover.

Der Text von 1988 über die BMW-PR beginnt mit einem Arbeitsfeld, in dem Avenarius bereits bei WMF zu tun hatte: Product Publicity. Im Unterschied zu damals mussten aber, so lässt sich Avenarius interpretieren, die Publizität breiter gehalten und andere bzw. größere Adressatenkreise – insbesondere auch die allgemeine Öffentlichkeit bzw. gar nicht adressierte Teilöffentlichkeiten – berücksichtigt werden: Bei BWM gehe es um (…)

(…) gute Publicity, zunächst einmal gute Product Publicity und zum gewissen Tell auch gute Bilanz Publicity. Dabei macht es einen Unterschied, ob man Publicity macht für Kochtöpfe (das habe ich nämlich auch mal gemacht, bei WMF) oder für Automobile. Bei Kochtöpfen ist zwar auch die Pressekonferenz (…) ‚meisterhaft organisiert‘ (anders tun wir es nicht), aber die Zahl der Hausrat-Journalisten ist gering. Wenn die WMF zum Beispiel ein neues Produkt vorstellt, kommen vielleicht 20 Leute zusammen, in der Regel Frauen. Niemand sonst nimmt davon Notiz.

Anders bei Automobilen. Fast jede Tageszeitung hält sich einen Automobilredakteur; hinzu kommen unzählige Fachzeitschriften, die sich mit den gleichen Themen fast ausschließlich befassen. Automobilvorstellungen sind daher massenhafte Veranstaltungen mit 500 bis 1.000 Teilnehmern, zwar nicht an einem Tag, aber doch in einer sehr kurzen Folge von vielleicht 14 Tagen, und das fällt auf. Das fällt auch dem nicht Beteiligten auf.

(Avenarius 1988, S. 125)

Bilanz Publicity

„Manche Firmen“ benötigten über Product Publicity hinaus „auch eine vergleichbare Publicity für ihren geschäftlichen Erfolg“, eine von Avenarius so genannte „Bilanz Publicity“.

Das gilt im Automobilbereich nicht für alle (…). Der BMW-Kunde würde nicht gerne ein Auto kaufen von einer Firma, der es schlecht geht. Oder die schlecht gemanagt wird. Das hängt mit der Statussymbolik des Automobils zusammen. Bestimmte Marken werden gekauft, weil sie Erfolg ausstrahlen. (…) Glücklicherweise ist BMW erfolgreich, und wir machen das publik.

(Avenarius 1988, S. 128)

Auch in Richtung Finanzinstitute und -analysten bzw. -journalisten finde „Pressearbeit“ und „Kapitalmarkt-PR“ statt (S. 129).

PR bei BMW: Product Placement als Teil von Product Publicity

„Product Placement” in Film und Fernsehen wird von Avenarius (1988, S. 127) als „heiß diskutiertes Feld“ charakterisiert, dass selbst innerhalb der Medien („Schleichwerbung“, Furcht vor sinkenden Anzeigeneinnahmen) und Werbewirtschaft (Furcht vor Bedeutungsverlust der klassischen Werbung) kontrovers gesehen werde. Auch in der Industrie sei es umstritten. „Einige meiner Kollegen haben sich sehr heftig dagegen ausgesprochen, obwohl zum Teil ihre Marketing-Kollegen diesen Deal längst tun.“

Avenarius „bekenn(t) (s)ich zum Product Placement, allerdings ohne dass da auch nur ein einziger Pfennig Geld transferiert wird. Wir stellen Fahrzeuge zur Verfügung (…).“ Product Placement gehöre auch zur Product Publicity. (Avenarius 1988, S. 127)1

Volkswirtschaftliche, konsumgesellschaftliche Funktion von Product Publicity

Horst Avenarius hält „Product Publicity (…) mit all ihren Facetten, in all ihren Anfechtbarkeiten (…) für eine sinnvolle Tätigkeit“. Sie habe auch den Sinn, (…)

(…) eine Konsumgesellschaft zum Teil konsumbewusster, aber auch konsumkritischer zu machen, aber damit eben auch diese Konsumgüter selbst immer wieder ein Stück weiterentwickelt zu halten und damit die Wettbewerbsfähigkeit der konsumgüterproduzierenden deutschen Industrie zu unterstützen.

(Avenarius 1988, S. 128)

Damit sei Product Publicity „hilfreich, sogar für den Fortschritt der Menschheit, wenn man in der Weiterentwicklung der Automobilindustrie, immer ‚gepusht‘ durch kritische Berichte in Fachzeitschriften, einen Fortschritt auch für die Menschheit sieht.“ (S. 127)

Product Publicity und die Motorjournalisten

Die „Motorjournalisten“ – also die Gegenüber der BMW-PR-Leute – seien „gute Autofahrer, sachkundige Techniker und Leute mit einer teilweise emphatischen Prosa“. Sie hätten aber „ein schlechtes Ansehen in der gesamten Presse“. Ihnen werde vorgeworfen, (…)

(…) sie genießen zu viele Reisen (…), sie fahren schöne Autos oder Motorräder, erhalten bisweilen üppige Geschenke, fallweise sogar saftige Honorare.

(Avenarius 1988, S. 125)

Avenarius stellt klar: „BMW kauft keine Journalisten, aber auch wir lassen reisen.“2 Und er argumentiert: „Weshalb wird denn gereist?“ Wie überall und andersherum auch:

Wir laden japanische Journalisten nach Europa ein, um auch ihnen zu zeigen, wie vorzügliche deutsche Automobile konstruiert werden. Wenn uns politische Redakteure diese Art von Reisen vorhalten, verweise ich sie immer darauf, wie häufig sie selbst mit Bundestagsdelegationen in die abgelegensten Teile dieser Erde reisen, die Politiker begleitend und darüber auch berichtend. (…) Sie sollten auch nicht auf die Autopremieren neidisch sein. Ich bin immer auf die Feuilletonjournalisten neidisch, weil die in Opernpremieren gehen können.

(Avenarius 1988, S. 126)

Autor(en): T.L.G.BE.

Anmerkungen

1 Und weiter heißt es: „(…) wenn Sie in einem Fernsehfilm, einem ‚Kommissar‘ oder so, einen BMW sehen, dann ist er von uns zur Verfügung gestellt, aber ohne dass wir die Produktion mit Geldern unterstützen. Allerdings können Sie In der Regel davon ausgehen, dass wir die Manuskripte vorher geprüft haben. Schließlich kann uns nicht daran gelegen sein, dass der Verbrecher den BMW fährt. Das sollte lieber der Kommissar tun! Diese Fernsehserie, diese bayerische, läuft übrigens jetzt auch in China, was bedeutet, dass BMW jetzt auch in China als ein sehr repräsentables Polizeifahrzeug bekannt wird. Kann uns natürlich nur zugutekommen.“ (Avenarius 1988, S. 127f.)

2 Vgl. dazu auch sein Statement ein Jahrzehnt später: Avenarius 1998. Vgl. auch Kaempf 1997.