Beziehungsgestaltung

Interessensausgleich mit den Bezugsgruppen

Ein Unternehmen müsse heute nicht mehr nur wirtschaftliche Ziele anstreben, sondern in „hohem Maße solche sozialer und ethischer Natur“, zitiert Vogel (1951, S. 108f.) einen anderen Fachautor. Analog zu Gross ist es für Vogel (1952, S. 14) eine Notwendigkeit, die „öffentliche Meinung in Gruppenmeinungen zu zerlegen“, um eine wirksame Beziehungspflege betreiben zu können. Durch die unterschiedliche Ansprache der Beziehungsträger könne die Gefahr der Schablonisierung vermieden werden. Die Aufgabe der PR liegt im Aufbau und der „vorbildlichen Gestaltung“ (S. 58) respektvoll und harmonisch beschaffener Beziehungen. Er führt weiter an, dass die öffentliche Meinung nur in einem demokratischen Land entstehen und über Public Relations geformt werden könne (S. 16).

Wie Gross sieht Vogel PR nicht nur als Kommunikation, sondern als Haltung und Handeln an. Public Relations sei nicht nur als eine „handwerkliche Technik [zu Publizitätszwecken – J.P.], sondern hauptsächlich eine von sozialer Einsicht und Verantwortung getragene Lebensgestaltung“ (S. 26).

Im Unterschied zu Gross, dieser wird von Vogel hier explizit angesprochen, zielt sie aber nicht auf Interessensidentität, sondern „nur“ auf Interessensausgleich. Allerdings kann auch hier wieder gefragt werden, inwieweit ein solcher Interessensausgleich möglich ist.

Jede Gruppe der Öffentlichkeit hat ein bestimmtes Interesse, wie auch jeder Beziehungsträger irgendwie interessengebunden ist. Besteht zwischen diesen beiden Bereichen Gegensätzlichkeit, dann findet sie ihren Ausdruck in Spannungen und Beziehungsstörungen.

Public relations haben in erster Linie das öffentliche Interesse zu achten und sich in der eigenen Lebensgestaltung nach jenem zu richten. Harmonische öffentliche Beziehungen bedingen, dass zwischen sämtlichen Interessenbereichen, die das Leben des Beziehungsträgers nach innen und nach außen berühren, ein Interessenausgleich hergestellt wird. Dagegen erscheint das Ziel einer Interessenidentität zu weit gespannt. Identisch sind zwei Dinge nur dann, wenn sie vollständig miteinander übereinstimmen. Dieser Fall aber ist praktisch nicht gegeben.

Auch innerhalb der verschiedenen Öffentlichkeitsgruppen können die Interessen gegenüber dem Beziehungsträger unterschiedlich sein. Hier ausgleichen heißt somit, public-relations-Politik eines gesunden Gleichgewichtes betreiben, die aber keine Gleichschaltung bedeutet. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn es dem Beziehungsträger gelingt, öffentliches Vertrauen, Verständnis und Wohlwollen zu gewinnen.

(Vogel 1951, S. 17)

PR als Social Engineering?

Alles in allem vertritt Vogel also eine zurückhaltendere Auffassung von den Wirkungsmöglichkeiten der PR als Gross. Allerdings scheint auch Vogel nicht unbeeinflusst von einer dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Überschätzung der „Macht“ und sozialen Gestaltungskraft persuasiver Kommunikation gewesen zu sein. Zwar trägt die folgende Passage eher referierenden Charakter, aber ihre Positionierung im Schlusswort legt nahe, dass Vogel sie für wichtig und zukunftsträchtig gehalten hat:

Amerikanische Wissenschaftler sehen im Beziehungsgestalter einen Ingenieur der menschlichen Gesellschaft. Auf der Grundlage philosophischer Logik entnimmt er seine Kenntnisse der Sozialpsychologie, die in jüngster Zeit durch die Sozialphysik ergänzt worden ist. Wie in der ökonomischen Theorie versucht man, nicht nur im naturwissenschaftlichen Bereich, sondern auch innerhalb der menschlichen Gesellschaft Gesetze zu finden, die sich mathematisch fassen lassen. Mit diesem wissenschaftlichen Rüstzeug versehen, wird der Beziehungsgestalter zu einem Konstrukteur, der die Erkenntnis der sozialen Wissenschaften praktisch zur Anwendung bringt.

(Vogel 1951, S. 121)

Autor(en): J.P.T.L.