Kampagnen im Zentrum moderner PR: ausgewählte Beispiele (II)

Die 1980er-Jahre

Dieser Zeitabschnitt führte für die ABC zu „Jahre(n) sprunghaften Wachstums“ (PR-Magazin 1991/1, S. 27).

Abb.: Auszug aus einem Beitrag des PR-Magazins 4/1986, S. 32, zur Kündigung des Vertrages mit Düsseldorf durch ABC.

Trotz vieler Erfolge ging nicht immer alles glatt. Für Günter F. Thiele ist charakteristisch, dass er auch in der Kundenbeziehung konsequent handelte. Seit September 1982 beriet die Düsseldorfer ABC die Stadt Düsseldorf zwecks Imageprofilierung durch Anzeigenkampagnen. Nach einer mühevollen und langjährigen Tippeltappeltour durch die Verwaltungsinstanzen und dem schließlichen öffentlichen Querschuss eines Kommunalpolitikers warf ABC 1986 das Handtuch.

Er (der Vorsitzende des städtischen Werbeausschusses) dramatisierte die Situation dabei durch Äußerungen in der Weise, dass die angesehene Agentur keine Basis mehr sah, unbelastet und frei beratend weiterarbeiten zu können. Sie kündigte die Zusammenarbeit.

(PR-Magazin 1986/4, S. 32)

Eine für das ganze Berufsfeld wichtige Kampagne folgte ab Ende der achtziger Jahre. Ab 1987 „übernahm die Düsseldorfer ABC einen Teil des AIDS-Etats des Bundesgesundheitsministeriums. Für Thieles Agentur bedeutete dieser Auftrag zwar eine große Chance, doch gleichzeitig ein ebenso großes Risiko: Der Jahreshonorarumsatz stieg nämlich durch diesen Einzeletat von zehn auf 15 Millionen Mark an.“ (PR-Magazin 1991/1, S. 28) Tatsächlich musste dann 1991 ABC/Eurocom damit zurechtkommen, dass „der AIDS-Etat des Bundesgesundheitsministeriums generell gekürzt“ wurde (PR-Magazin 1991/11, S. 55).

PR-historisch interessant an der Anti-Aids-Kampagne im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist, dass hier (…)

(…) zum ersten Mal in Deutschland organisierte Dialogkommunikation mit Dialogexperten in großen Umfang eingesetzt wurde. (…) Das von Günter F. Thiele favorisierte dialogorientierte Kommunikationskonzept (… bedeutet) eine durch Notwendigkeiten der öffentlichen Kommunikation begründete Abwendung von werblichen Einweg-Kommunikationsstrategien (…). Es lässt sich feststellen, dass Günter F. Thiele hier – zusammen mit einigen wenigen anderen – Impulse für die Umorientierung einer ganzen Branche gegeben hat.

(Bentele 2001)

Abb.: Auszug aus der damaligen Selbstdarstellungsbroschüre der GPRA (S. 5): Ziele und Mittel von PR. Im Rahmen einer integrierten Gesamtkommunikation wird dabei den Experten der Öffentlichkeitsarbeit die führende („ordnende“ und „steuernde“) Rolle zugesprochen.

Günter Thiele – inzwischen Chef des Agenturverbandes GPRA – verallgemeinerte 1988 seine langjährigen Erfahrungen mit dem strategisch-integrativen Kommunikations- und Kampagnenverständnis und der Rolle von PR darin. Anlässlich eines GPRA-Workshops erklärte er:

Corporate Communications sind Aufgabe und wichtiges Arbeitsgebiet professionell arbeitender PR-Agenturen, weil PR-Agenturen sowohl in Strategie als auch in Umsetzung ganzheitlich denken und arbeiten.

(PR-Magazin 1988/1, S. 8)

Auf dem Workshop mit verschiedenen Gastreferaten wurde allerdings auch deutlich, dass diese PR-Kompetenzen nicht von allen auch als Führungsanspruch der PR interpretiert wurden. So sah Professor Hans Raffée von der Universität Mannheim Public Relations als „Bestandteil“ eines „geänderten Marketing“, des (g)esellschaftsorientierten Marketing als Konzept strategischer Unternehmensführung“. (PR-Magazin 1988/1, S. 8) Der oftmalige Streit zwischen Marketing und PR in der Praxis der Unternehmenskommunikation konnte zunehmend durch Konzepte der „integrierten Kommunikation“ befriedet werden.

Anfang der 1990er-Jahre

Abb.: Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis mit dem zitierten Aufsatz von Thiele, Günter F. (1990): Die Public Relations-Agentur der neunziger Jahre. In: Dörrbecker, Klaus; Rommerskirchen, Thomas (Hg.) (1990): Blick in die Zukunft: Kommunikationsmanagement. Perspektiven und Chancen der Public Relations. Remagen-Rolandseck: Rommerskirchen.

Die Wende von den 1980er- zu den 1990er-Jahren war durch weltgeschichtliche Zäsuren gekennzeichnet. Auflösung der Jahrzehnte langen West-Ost-Systemkonkurrenz, deutsche Wiedervereinigung, an Fahrt gewinnende europäische Integration sowie wirtschaftliche, mediale und mentale Wandlungen stellten die Kommunikationspraxis der alten, nun erweiterten Bundesrepublik auf den Prüfstand. Auch Günter Thiele machte sich vor dem Hintergrund einer rasanten Aufwärtsentwicklung seiner Agentur in den 1980er-Jahren zu Beginn des neuen Jahrzehnts – im Alter von 56 Jahren – Gedanken um die Zukunft der PR-Beratung und -Dienstleistung. Dabei schien ihm das sozial und kulturell differenzierte Eingehen auf die verschiedenen Bezugsgruppen deutlich wichtiger zu sein als eine nivellierende europäische oder pauschal-globale Ansprache. Über die Public-Relations-Agentur der neunziger Jahre schrieb er 1990:

Die Kommunikationsinhalte von PR-Maßnahmen in den neunziger Jahren werden nicht mehr schwergewichtig auf den Interessen ihrer Absender basieren, sondern mehr auf den Erwartungen und Bedürfnissen der gesellschaftlichen Gruppen, die sie erreichen sollen. Dabei müssen die Ansprüche und Grundlagen von nationalen Kulturen ebenso berücksichtigt werden wie die sozialen und demographischen Strukturen des jeweiligen Landes, in dem sie stattfinden. PR-Maßnahmen des kommenden Jahrzehnts werden sich weiterhin auch an den Wirkungsgesetzen und Prinzipien von Wirtschaft und Politik, aber auch von Problemen einer neue, zeitgemäßen Ethik orientieren. Denn von außerordentlicher (…) Bedeutung für den Erfolg und die Wirksamkeit von PR-Maßnahmen sind die Akzeptanz und die Glaubwürdigkeit des Absenders der Kommunikation bei seinen Empfängern oder Adressaten. Offenheit und Ehrlichkeit sind in diesem Zusammenhang wichtige Verhaltensweisen.

(Thiele 1990)

Eine praktische Umsetzung solcher Ansprüche gelang offenbar mit der „ABC-Ausstellung auf dem UN-Umweltgipfel in Rio“ de Janeiro 1992. Die Agentur ABC/Eurocom Corporate & PR hatte seit 1990 Kundenkontakt zum Bundesumweltministerium und konnte im Oktober 1991 eine Wettbewerbspräsentation für sich entscheiden. „Die Bundesregierung legte höchsten Wert auf die Thematisierung der ethischen Grundsätze des Menschen in seinem Verhältnis zur Natur. Ziel war zum einen, Deutschland aus seiner Oberlehrerrolle herauszuholen, in der es von vielen Ländern, gerade der Dritten Welt, gesehen wird. Zum anderen sollte der Mentalität des Gastgeberlandes Brasilien in besonderer Weise entsprochen werden. Diese Aufgaben waren auch noch auf ‚unprätentiöse, eher heiter-besinnliche und modern-innovative‘ Art und Weise zu lösen“, hieß es in einem Fachartikel (Schwarz 1992, S. 24). ABC brachte die dazu nötige Sensibilität auf.

Mit einem Gesamtetat von 1,2 Millionen Mark hat sich die Bundesrepublik positiv gegenüber anderen Nationen abgehoben, die eher ihr nationales Selbstverständnis feierten. Das Fallbeispiel zeigt, dass Umwelt-PR neben detaillierten Kenntnissen heute auch ein hohes Maß an Ideen und Phantasie erfordert, die jedoch nicht Selbstzweck werden dürfen. Der von Geschäftsführer Michael Tost vor drei Jahren aufgebaute Umweltbereich der ABC/Eurocom besteht derzeit aus neun Mitarbeitern. Die Leitung hat Michael Reinert, der betont, dass aktuelles Fachwissen bei der Beratung von Unternehmen unabdingbar ist.

(Schwarz 1992, S. 24)

Autor(en): T.L.