Kampagnen im Zentrum moderner PR: ausgewählte Beispiele (I)

Kampagnen als wichtiger Teil eines breiten Angebot-Portfolios

Abb.: Günter F. Thiele stand dem Präsidium der GPRA vor. Auszug aus einer Publikation der GPRA.

Günter F. Thiele gab 1988 – seinerzeit auch Präsident des Wirtschaftsverbandes großer Agenturen GPRA – eine praxisorientierte Definition von moderner Öffentlichkeitsarbeit. Sie werde „heute professionell eingesetzt, um (…)“

  •  „die Aufgaben von Unternehmen oder Gruppen, ihre Tätigkeit und Verhaltensweise deutlich zu machen,
  • die Position und Beschaffenheit von Produkten und ihre Bedeutung für Handel und Verbraucher zu erläutern,
  • die Nachfrage der Öffentlichkeit nach Informationen zu erfüllen,
  • auf vielen Gebieten Zusammenhänge transparent zu machen und einzelne Aspekte verständlich darzustellen und zu diskutieren.“ (Thiele 1988, S. 28f.)

Der Öffentlichkeitsarbeit sei damit „ein hoher Qualitätsanspruch zugewachsen“, wobei „Glaubwürdigkeit (…) von entscheidender Bedeutung (ist)“. (Thiele 1988, S. 28)

Eine ganzheitliche und anspruchsvolle Sicht auf komplexe Phänomene wie Images und Marken bringt zwangsläufig die Notwendigkeit hervor, strategisch und systematisch, also insbesondere in geplanten und dramaturgisch vorgehenden Kampagnen zu kommunizieren. Zentrale nationale Kampagnen wurden zu einem wichtigen Angebotsfeld, das damit weit über den Namen der Agentur ABC Presse-Information hinausging.

Allerdings wäre auch der umgekehrte Schluss falsch, ABC hätte „nur“ Kampagnen konzipiert, orchestriert und realisiert. Vor allem anfangs, „bis weit in die 70er Jahre“, habe „noch die klassische Pressearbeit (…) das Bild der ABC“ bestimmt. „Darüber hinaus beriet das Düsseldorfer Team in Fragen der Produkt-Informationen, der Organisation von Veranstaltungen und der Investitionsgüter-PR.“

1991 schließlich „umfasst das Leistungsangebot die Arbeitsfelder Presse- und Medienarbeit, Corporate Communications, PR in der Marktkommunikation, Public Affairs, Spezialdisziplinen wie Financial beziehungsweise Investor Relations, Krisen-, Pharma- und High-Tech-PR sowie Funk- und Fernsehproduktionen.“ (PR-Magazin 1991/1, S. 27f.)

ABC verfügte über einen breiten und vielfältigen Kundenkreis, allein im Bereich privater und öffentlicher Unternehmen: Deutsche Bundespost, Deutsche Bundesbank (seit 1975), Reynolds Tobacco, der französische Konzern Rhône-Poulenc fibres (seit 1974), BHW-Bausparkasse, Bayer AG, Thyssen AG, American Express, Coca-Cola u.v.a.m. (Bentele 2001; PR-Magazin 1991/1, S. 28) Auch die Telekom zählte zu den Kunden von ABC/Eurocom (PR-Magazin 1991/11, S. 55).

Im Folgenden stellen wir die Entwicklung chronologisch detaillierter dar und konzentrieren uns auf Kampagnen.

Jahre 1968 bis 1969/70

Die ersten Aufträge für Kampagnen konnte ABC nach Thieles Übernahme der Geschäftsführung 1968 im politischen und Non-Profit-Bereich akquirieren, wobei bereits vorher schon Eggerts Werbeagentur für das Bundespresseamt gearbeitet hatte (siehe oben). Günter Thiele war – gemeinsam mit anderen Dienstleistern (vgl. dazu auch den Beitrag zur Agentur Schulze van Loon im Online-PR-Museum) – an einer Informations- und Aufklärungskampagne über die so genannten Notstandsgesetze beteiligt, die vom Bundestag am 30. Mai 1968 beschlossen worden waren.

Abb.: Damalige Kampagnenideen und -symbole werden noch heute verwendet bzw. adaptiert. Hier der berufsgenossenschaftliche Motivationsaufkleber „Stopp den Unfall“, der von der Indigos UG im Onlinehandel angeboten wird. Vgl. https://www.amazon.de/INDIGOS-UG-Motivationsaufkleber-selbstklebende-Sicherheit/dp/B00EREJWOA u.a. (2024).

Für die gewerblichen Berufsgenossenschaften führte ABC 1969/70 im Rahmen einer „als Gemeinschaftsaufgabe“ mehrerer Organisationen und Behörden „groß angelegte(n) Unfallverhütungsaktion“ die PR-Kampagne „Stop (sic!) dem Unfall“ durch. Die Präventivaktion verschiedener Träger hatte gesamtgesellschaftliche Bedeutung, so dass sich sogar der Bundestag damit beschäftigte. Um deren Dimensionen und das breite Instrumentarium zu verdeutlichen, zitieren wir ausführlich:

Die Öffentlichkeitsarbeit lief einmal über Presse, Funk und Fernsehen und über repräsentative Großveranstaltungen, zum anderen wurden für die Betriebe branchenspezifische Werbe- und Informationsmittel eingesetzt. Allein der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften verteilte in den sechs Monaten der Aktion 965.000 Sicherheitsbriefe an Unternehmer und Sicherheitsbeauftragte, 4,55 Millionen Karten, die zur Mitarbeit an der Aktion aufforderten, sowie Merkkarten für die Betriebsangehörigen und Kraftfahrer, 2,34 Millionen Broschüren und Hefte mit Sicherheitsthemen, 3,79 Millionen – zum Teil mehrsprachige – Zeitschriften, 3,69 Millionen Aufkleber, 1,16 Millionen Plakate, je 90 Kopien eines Informationsfilms und eines Verkehrssicherheitsfilms, je 130 Kopien zweier Tonbildschauen, 138 Millionen sonstige Werbemittel und 865.000 Exemplare eines Schülerpreisausschreibens. Aktionsveranstaltungen wurden in Form von Belegschaftsversprechungen (sic!) in Betrieben, Gesprächen mit betrieblichen Führungskräften, Betriebsräten und Sicherheitsingenieuren, regelmäßigen Konferenzen mit ausgewählten Personenkreisen, Informationsveranstaltungen, Vortragsveranstaltungen und Pressekonferenzen abgehalten.

Abb.: Kopf der hier zitierten Publikation des Deutschen Bundestages von 1973. Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei. Vertrieb: Verlag Dr. Hans Heger. Bonn-Bad Godesberg.

Über die Kampagnenwirkungen heißt es in der Bundestagspublikation weiter:

Die Aktion hat in ganz erheblichem Umfang dazu beigetragen. die breite Öffentlichkeit mit der Forderung nach sicherem Handeln in allen Lebensbereichen vertraut zu machen und sie auf die Notwendigkeit des vorbeugenden Schutzes gegen Gefahren in Betrieb, Haushalt, Freizeit. Schule und Verkehr hinzuweisen. Die Aktion hat außerdem eine Fülle von Anregungen für die praktische Unfallverhütungsarbeit erbracht.

Als besonders nachhaltig hat sich das Kampagnensymbol erwiesen:

Das speziell für die Aktion entwickelte Sicherheitszeichen, die gelbe Hand auf schwarzem Grund mit der Aufschrift ‚Stop den Unfall‘, hat sich als Gefahrenabwehrsymbol allgemein eingeführt.

(Bundestag 1973, S. 84)

Die 1970er-Jahre

Dieses Jahrzehnt der ABC-Agenturgeschichte kann als das der „Konsolidierung und der Vorbereitung späteren Wachstums“ charakterisiert werden (PR-Magazin 1991/1, S. 27).

Abb.: Motive der damaligen Kampagne für das Bäckerhandwerk finden auch heute noch ihre Liebhaber und Käufer, wie Angebote von Online-Händlern zeigen (Auszug hier von Ebay). Vgl. z.B. https://i.ebayimg.com/images/g/9dIAAOSwyVZe7liS/s-l1600.jpg u.a. Dass PR-Kommunikate quasi Kultcharakter annehmen können, ist auch kulturgeschichtlich interessant.

Mit Imagekampagnen für das Handwerk bzw. einzelne Gewerke oder Berufsgruppen nahm ein Kundensegment an Bedeutung zu, das schon kurz nach Gründung von ABC vertreten war. „Das Bäckerhandwerk – unentbehrlich für alle“ lautete der Kampagnentitel im Auftrag des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, ABC-Kunde seit 1970. Später kamen dann u. a. Kraftfahrzeuggewerbe bzw. Kfz-Handel und die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) hinzu. (Bentele 2001)

Abb.: Buchauszug aus Voges, S. 138, zum Image des Handwerkers um 1970 und zur „Aktion Modernes Handwerk“. Quelle: Voges, Jonathan (2017): „Selbst ist der Mann“: Do-it-yourself und Heimwerken in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: Wallstein Verlag.

1970 gelangte ein Gutachten, beauftragt vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), über Einstellungen der Bundesbürger zu dem Schluss, dass die Meinung über Handwerker Defizite aufweist. Es sei nötig, dass (…)

(…) aus dem ‚hässlichen Handwerker‘ (…) der ‚moderne […] Handwerker mit technischer Ausbildung und vielfältiger maschineller Ausrüstung‘ werde. Diesem schlechten Image der ‚Reparaturtyrannen‘ sollte mit einer forcierten Charme-, Service- und Qualitätsoffensive begegnet werden.

(Voges 2017, S. 137f.)

Drei Jahre später startete die vom ZDH beauftragte „Aktion Modernes Handwerk“, die „vor allem der Selbstdarstellung des Handwerks dienen und ‚Vorurteile gegen das Handwerk‘ in der Bevölkerung abbauen sollte.“ (Voges 2017, S. 138)

Autor(en): T.L.